Die Kritiker

«Tödliche Geheimnisse - Das Versprechen»

von   |  1 Kommentar

Zum dritten Mal schlingern sich Nina Kunzendorf und Anke Engelke als Investigativjournalistinnen durch hanebüchene Verschwörungstheorien und neunzig Minuten Empörungsdramaturgie.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Nina Kunzendorf als Rommy Kirchhoff
Anke Engelke als Karin Berger
Petra Schmidt-Schaller als Vicky Urban
Mark Waschke als Sebastian Schülke
Ivan Shvedoff als Taras Potrenko
Pegah Ferydoni als Yilmaz
Julius Feldmeier als Zumdick

Hinter der Kamera:
Produktion: W&B Television GmbH & Co. KG
Drehbuch: Florian Oeller
Regie: Barbara Kulcsar
Kamera: Jörg Widmer
Produzenten: Gabriela Sperl, Max Wiedemann und Quirin Berg
Populistisch und teilweise in demagogischer Weise haben sich die „Tödlichen Geheimnisse“ aus der Feder von Florian Oeller schon an nahezu allen Brandthemen abgearbeitet, die von einer empfundenen deutschen Mehrheitsgesellschaft landläufig, aber zumeist bar jeder Sachkenntnis und mit umso eklatanterer emotionaler Besessenheit abgelehnt werden: Gentechnik, „Allesvernetzung“, multilaterale Handelsabkommen, Chlorhähnchen und Pflanzenschutzmittel im Konkreten, und im Allgemeinen jedwede Komplexität, die verunmöglicht, dass Sachzusammenhänge auch für Laien und Außenstehende schon auf den ersten Blick vollends zu durchdringen sind. Der permanente Interessenausgleich, der die Grundlage trans- und internationaler Konzerne und (quasi-)staatlicher Gebilde ist, ist der Denkweise dieser Filmreihe schon im Prinzip suspekt.

Im am Samstagabend zur Ausstrahlung kommenden dritten Teil fällt den miteinander liierten Journalistinnen Rommy Kirchhoff (Nina Kunzendorf) und Karin Berger (Anke Engelke) die nächste Geschichte in ihrer Berliner Heimat buchstäblich vor die Füße, als sie mit ihrem Auto an einer Baustelle vorbeifahren und dort unverhofft ein ukrainischer Schwarzarbeiter zu Tode stürzt – der Anstoß für die beiden Investigativreporterinnen, in den Seilschaften zu wühlen, die zwischen Menschenhandel, Arbeiterstrich, konfusen Firmenkonglomeraten und dem schneidigen neuen Innensenator (Mark Waschke) bestehen, dessen umfangreiche Baumaßnahmen zur Bekämpfung der Wohnungsnot nur dadurch finanzierbar zu sein scheinen, dass man den Beton von entrechteten Osteuropäern für siebzig Cent die Stunde mischen lässt.

Wie schon in den beiden Vorgängerfilmen macht «Tödliche Geheimnisse» den Fehler, sich nach einer nicht völlig falschen Bestandsaufnahme der grundursächlichen Probleme in alberne Verschwörungstheorien zu flüchten und die Erklärung für die gesellschaftlichen Missstände im durch und durch verderbten Charakter einer imaginierten herrschenden Klasse zu suchen. Dinge wie psychologische Komplexität, ethische Widersprüchlichkeit, ein Zwiespalt aus aufrichtigen Motiven und charakterlichen Fehlern, systembedingte Unzulänglichkeiten, unauflösbare denklogische Gegensätze, richtige Anreize und falsche Ergebnisse gibt es in der Welt dieser Filmreihe nicht: dafür durch und durch gemeine und menschenverachtende Antagonisten und viel zu verkürzte Schuldzuweisungen, an denen sich der Zuschauer in plakativem Selbsthass aufgeilen soll: „Motor dieser Systeme sind wir“, klingt das in der Sprache, die dieser Film einem zauseligen Wissenschaftler zudenkt, bevor er diese Diagnose mit noch pathetischerem Gewäsch unterlegt, „vom Schmiermittel unserer Wirtschaft“ und dem „geheimen Kit“ aus Ausbeutung und Sklaverei, der unsere Gesellschaft am Laufen hält.

„Erst macht er Angst, und dann bietet er schnelle und einfache Lösungen“, lautet Karin Bergers irgendwann in der Mitte des Films vorgetragene Dekonstruktion des charismatischen Innensenators, der ernsthafte und einschneidende Maßnahmen vorhat, um die Berliner Wohnungsnot zu bekämpfen, dabei aber mit den menschenhandelnden Ausbeutern gemeinsame Sache macht und vor keiner kriminellen Abzweigung zurückschreckt, auf dem schnurgeraden Weg ins Kanzleramt, geschmeidig, schneidig, abwaschbar, einer, der immer lächelt, auch auf die komplexeste Frage eine knackige Antwort hat und auf den verständigen Zuschauer somit (zurecht) furchtbar angsteinflößend wirkt. Die Figur Berger und der Film an sich intendieren ihre Ein-Satz-Diagnose zum politischen Stil des Innensenators auf der Makro-Ebene auch als eine Dekonstruktion des Populismus in toto, die trotz ihres banalen Duktus‘ sogar stimmen mag. Doch treffender ist diese Phrase eigentlich als Dekonstruktion dieses Films und seiner infantilen Empörungsdramaturgie zu verstehen, die den zweiten Teil der Aussage – die schnelle, einfache, oder lieber: die komplexe, tatsächliche Lösung – gar nicht ins Bild holen will. Die Entrüstung ist Selbstzweck, und die faktenarme Unredlichkeit eingepreist.

In allen guten (oder auch nur mittelmäßigen) Enthüllungsfilmen – ob «All The President’s Men», «The Insider», «Michael Clayton», «Frost/Nixon», «Die Erfindung der Wahrheit», «Erin Brokovich» – haben es die Enthüller (zumeist Journalisten oder aus der Bahn geworfene Fixer) mit kompetenten, moralisch komplexen Gegnern zu tun, und wachsen dabei als Figuren nur noch stärker und dezidierter an diesen starken Widerständen. «Tödliche Geheimnisse» will das seinen beiden (ernsthaft gut geschriebenen) Hauptcharakteren jedoch nicht zumuten – und traut dem Zuschauer ein dafür ausreichendes Verständnis erst recht nicht zu. So ist die Motivation der ausbeuterischen Antagonisten auch im neuen Teil wieder allein in pathologisierter Erfolgssucht und Psychopathie zu suchen: sowohl beim aalglatten Innensenator als auch bei der Femme Fatale dieser Geschichte, seiner von Petra Schmidt-Schaller unangenehm lapidar und emotional dissoziativ gespielten Kommunikationschefin. Deren dramaturgische Aufgabe besteht darin, jeden gegen jeden auszuspielen, um sich am Schluss mit ein paar erpressten Millionen auf dem Konto und dem Flugticket in der Hand über die redlichen Loser zu mockieren. Billiger kann man Figuren nicht mehr führen.

Umso erstaunlicher stechen bei dieser erzählerischen Bräsigkeit all die Aspekte ins Auge, die aufzeigen, was für eine faszinierende und intelligente Film-Reihe «Tödliche Geheimnisse» sein könnte, wenn sie sich nur von ihrer populistisch-infantilen Weltsicht aus frevelhaften Eliten und eisernen, aber immer nur verlierenden Kämpferinnen für das Recht lösen könnte: die realitätsnahe Skizzierung einer jungen, finanziell unsteten Redaktion voll kluger, hungriger Köpfe sowie die feinfühlig gezeichnete (und wunderbar reduziert gespielte) Paarbeziehung zwischen Rommy Kirchhoff und Karin Berger. Dem Film fehlt es am Willen, dahin zu gehen, wo es wirklich wehtut. Stattdessen verweilt er dort, wo es billigen Applaus gibt. Waschechte Investigativreporter würden sich schämen.

Das Erste zeigt «Tödliche Geheimnisse – Das Versprechen» am Samstag, den 22. Februar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/116100
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
22.02.2020 11:37 Uhr 1
Sag mal Herr Miller, gefällt dir eigentlich überhaupt irgendwas??? Ich habe bis heute von dir noch nicht erine EINZIGE positive Kritik eines Films hier gelesen!!

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