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Insofern ist, so lange Broccoli das Sagen über 007 hat, das letzte Wort in Sachen Jane Bond gesprochen. Aber da die Vorstellung einer Jane Bond 007 ein kleines, hier in der Kolumne wiederkehrendes Steckenpferd von mir ist, und dieser Vorschlag auch von anderen Querköpfen gemacht wird und obendrein immer für herrliche Irritation sorgt, möchte ich gerne dennoch einmal ausführlicher Argumente dafür anbringen, weshalb ein Bond-Neustart mit einer Jane Bond eine gute Idee wäre!
Weshalb es für mich kein Affront wäre, eine Frau als Bond zu sehen
Bevor wir zu den Pro-Argumenten kommen können, müssen wir erst einmal gegen die penetranten Contra-Stimmen ankämpfen. Nun gut, dann wollen wir mal: Das wohl am häufigsten genutzte Argument lautet "Bond war im Buch ein Mann, also muss er auch im Film ein Mann sein!" Das ist ein Argument, dem ich jedoch angesichts der Filmgeschichte deutlich wenig Gewicht beimesse. Geht es um literarische Treue, dürfte Balu der Bär kein singender, freundlicher Faulenzer sein, müsste Wolverine ein stinkender, grummeliger, winziger Typ sein (und nicht etwa ein durchtrainierter Hugh Jackman), müsste Arielle am Ende des Disney-Zeichentrickfilms sterben, und die Serie «Westworld» müsste quasi in die Tonne geworfen werden, so sehr wie sie "Schindluder" mit der Vorlage treibt.
Und es ist ja auch nicht so, als wäre James Bond das glänzende Exempel für literarische Treue in der Filmwelt. Bond ist eine ziemlich inkohärent in die Filmwelt übertragene Figur – und das mit voller Absicht der Filmschaffenden, da sie 007 immer und immer wieder an wandelnde Geschmäcker angepasst haben. Bond war bereits ein Mann, der sich ohne zu fragen nimmt, was er will. Der raue Liebhaber wurde zu einem stilvollen Verführer und zu einem augenzwinkernden Charmeur. Es gab Zeiten, da hat Bond jede Frau ins Bett gezerrt, die nicht schreiend davon gelaufen ist, es gab Zeiten, in denen er keusch durch die Welt ging und wir haben ihn als trauernden Romantiker gesehen.
James Bond ist ein technikaffiner Agent, wenn er nicht gerade technikavers ist. Er war schon der junge, ungezügelte Rebell und der reife Herr, der sich über die Beatles aufregt. James Bond, der Meister der schrillen Gadgets, wurde auch schon zu James Bond, dem kühlen Schießexperten und zu James Bond, der Spion, der den Nahkampf ohne Firlefanz bevorzugt. Wir haben ihn als kaltblütige Person skizziert gesehen und als jovial sowie empathisch. Er ist als Spion eher ein Taktiker – wenn er nicht doch eher als Bauchgefühl-Mensch skizziert wird. James Bond hat schon mehrere Augenfarben durch und wurde von einem Schotten, einem Waliser, einem Australier, einem Engländer und einem Iren gespielt. Er war in den 1970er-Jahren alt und in den 2000er-Jahren jung – kurzum: Bond ist, was immer den Filmschaffenden gerade passt.
Dass bei all diesem Hin und Her, beim Kampf gegen russische Spionage und gegen nach der Weltherrschaft gierenden Superschurken wie aus einem Cartoon, bei Reisen zum Mond und bei halbwegs realistischer Terrorbekämpfung … Dass bei all dem noch immer eine Filmreihe herausgesprungen ist, die klar als eine Reihe zu erkennen ist und nicht als völlig konfuses Sammelsurium von Popcornkino-Ideen, ist nicht der Verdienst einer stringent gezeichneten Figur, die wir daher auf gar keinen Fall weiter verändern dürften. Es ist der Verdienst stilistischer Elemente: James Bond ist ein sehr spezielles Subgenre des Agentenkinos. Es ist die Musik, die einen Bond-Film ausmacht. Es ist das Element der Weltreise. Die Struktur eines Bond-Abenteuers, das mit einer Sequenz beginnt, die nur lose mit dem restlichen Abenteuer verbunden ist, dem Publikum aber was für sein Geld gibt.
Es ist die romantisierte Vorstellung eines Agenten, der den Globus bereist, schöne Orte kennenlernt, und durch ein bisschen Reden, Tricksen und Kämpfen die Welt rettet, ohne Papierkram zu erledigen, komplizierten Austausch mit Kollegen zu betreiben oder sich glaubwürdig als jemand anderes auszugeben. Es ist die Ästhetik einer Hauptfigur, die in galanter Garderobe irgendwo zwischen zeitlos-klassisch und behutsam modernisiert auftritt. All das kombiniert ergibt Bond.
Und deshalb wäre eine Jane Bond eine Bereicherung …
"Na gut, aber warum muss es dann eine Frau sein? Kann Bond nicht einfach ein Mann bleiben und für Frauen wird etwas Neues erfunden, bevor man zwanghaft eine Romanfigur verändert?", werden nun manche fragen. Nun ja, natürlich kann man einfach neue Agentenreihen für Frauen erfinden. Aber selbiges gilt für Männer. Wieso eine von ihrem Schöpfer von 1953 bis 1965 verfasste Romanfigur zwanghaft ins Heute holen und sowohl ihre Persönlichkeit als auch die Tonalität ihrer Geschichten massiv verändern, wenn man auch eine neue Agentenreihe erschaffen könnte? Ganz einfach: Weil die Bond-Produzenten ihren Goldesel nicht aufgeben wollen. Und wir, als Zuschauende, haben ausreichend Faszination für Bond übrig, dass wir uns immer und immer wieder neue Abwandlungen dieses Subgenres des Agentenkinos anschauen.
Wenn also Männer immer und immer wieder die Hauptrolle in diesem Genre namens Bond übernehmen und es abwandeln dürfen – wieso sollte es Frauen nicht auch so ergehen? Denn Bond ist so ein kurioses Genre, das nur von einer Filmreihe mit einer Hauptfigur bedient wird. Man könnte natürlich ein Spin-off entwickeln, doch dann wäre das einfach nur eine weitere Agentenreihe – schließlich definiert sich Bond durch obig genannte Elemente. Und würde ein «019 Jessica Rice: Zum Sterben zu beschäftigt» die Bond-Erzählstruktur übernehmen und der Hauptfigur dasselbe Erkennungsthema geben, wäre das ein ebenso lächerliches Spin-off wie ein Felix-Leiter-Film, der exakt so ist wie ein Bond-Film, nur dass die Hauptfigur anders heißt. Die Hauptfigur muss Bond sein – und so lange Männer diese Rolle übernehmen dürfen und Frauen nicht, ist das eine kleine, gemeine Schieflage.
Doch das ist nicht der Grund, weshalb es nach Daniel Craigs James Bond in meinen Augen eine Jane Bond geben sollte – schließlich gibt es im Filmgeschäft deutlich schlimmere Schieflagen zwischen den Gendern, die behoben werden müssen. Nein, der Grund, weshalb ich für eine Jane Bond bin, ist ganz simpel: Es würde das Genre Bond bereichern. Wir haben schon zahlreiche "Geschmäcker" durch, wie ein James-Bond-Film sein könnte, und auch wenn es einige aktuell tätige Schauspieler gibt, denen ich die Figur James Bond abnehmen würde, so wären sie alle doch nur eine dezente Variation früherer Bonds. Und die paar Herren, die ich mir im "Galant gekleidet und gewitzt-taff die Welt retten"-Stil vorstellen kann und die völlig neue Schattierungen treffen würden, würden die Bond-Schöpfer niemals so einsetzen, wie ich es mir vorstelle. Ich fände Chris Hemsworth als extrem komödiantischen Bond super, aber Eon wird garantiert keinen Bond mit «Ghostbusters – Answer the Call»-Humor erlauben.
Mit einer Hauptdarstellerin dagegen eröffnen sich viel mehr Möglichkeiten: Es gibt zahlreiche Schauspielerinnen, die die Elemente mühelos treffen würden, die man für einen Bond-Film benötigt. Und dennoch wäre es bei ihnen etwas Neues, schlicht, weil Männer und Frauen de facto von der Allgemeinheit nicht exakt gleich wahrgenommen werden. Eine dramatische, hart durchgreifende Jane Bond, die dennoch einen trockenen Humor hat, würde nicht als "Und noch einmal Daniel Craigs Bond-Interpretation" wahrgenommen und meine Güte: Emily Blunt könnte das rocken. Mit einem Mann in der Hauptrolle zu versuchen, die Craig-Bond-Interpretation nun konzentrierter und ohne produktionstechnische Hürden durchzusetzen, käme dagegen als ideenlos rüber.
Oder wie stark wäre bitte Kate Beckinsale als eine Jane Bond, die mit weltmännischer Eleganz einen spritzigen Humor ausstrahlt und mit Würde selbst schrägere Situationen meistert – quasi als Roger-Moore-Bond für die 2020er-Jahre? Und Emilia Clarke würde den flott-popcornigen und allem zum Trotz noch immer geschmackvoll-geschniegelten und gestriegelten Pierce-Brosnan-Bond-Stil meistern, während sie ihm neue Facetten abgewinnt, die so kein männlicher Schauspieler treffen würde.
Und so geht es weiter: Rosamund Pike wäre eine tolle Jane Bond, die wie eine muntere, diplomatische Agentin wirkt – und dann zur Not hinter verschlossenen Türen zur gewissenlosen, knallharten Soziopathin werden kann, um an Informationen zu gelangen. Rachel Weisz würde ich zahlreiche Bond-Interpretationen abkaufen, ebenso wie Claire Foy. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt – man müsste sich halt bloß trauen!
Es gibt 12 Kommentare zum Artikel
04.03.2020 14:12 Uhr 1
04.03.2020 17:14 Uhr 2
"JAMES Bond" ist ein über Jahrzehnte etablierter, weltbekannter, feststehender, gewinnbringender Markenname - weit über die Filmreihe selbst hinaus. Würde man eine Frau als Bond einsetzen, müsste diese geniale Marke umbenannt werden, eben in "JANE Bond". Und damit würde sie wohl von den meisten Menschen automatisch nicht mehr als Fortführung der originalen Filmreihe, sondern als eine Art Spin-Off verstanden werden. Egal ob der einzelne nun die wahren Hintergründe kennt oder das "nur" gefühlt so wahrnimmt. Selbst wenn eine weibliche Bond ihre Sache gut machen würde, dann hätte diese Abwandlung vielleicht mal vorübergehend Erfolg, doch nach ein paar Filmen würden sich sehr wahrscheinlich die Stimmen mehren, die da sagen: Joa, ist ja alles ganz nett mit dieser "JANE Bond", aber wann geht es denn endlich mal wieder mit der eigentlichen "JAMES Bond"-Reihe weiter?!
Das ist einfach Marken-Psychologie, hinter der eine Menge Geld steckt. Da braucht man nur mal ein paar Marketing-Experten fragen. Und vor allem deshalb ist eine Barbara Broccoli auch strikt gegen einen Geschlechtswechsel, sagt sie aber natürlich öffentlich nicht. Und genau deshalb würde auch jede(r) ihrer Nachfolger(innen) das so beibehalten. Zumindest solange diese Marke "JAMES Bond" auch nur annähernd so eine Strahlkraft behält wie sie sie gegenwärtig immer noch hat. Ist einfach schon alleine aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig und gilt nicht nur für die Filmindustrie, sondern für alle ökonomischen Branchen.
Jede andere Veränderung, die man bereits vorgenommen hat oder noch in Angriff nehmen könnte (eine Frau als "M", ein blonder Bond, ein schwarzer Darsteller etc.) sind gut umsetzbar, weil sie nicht die (finanziellen) Grundfesten der Filmreihe in Gefahr bringen. Bei einer Namensänderung wäre aber genau das der Fall. Wieso auch sonst sollte ausgerechnet Barbara Broccoli als Frau so vehement gegen eine weibliche Hauptdarstellerin sein?!
That´s simply economy. I'm sorry, dear feminists!
04.03.2020 17:27 Uhr 3
"JAMES Bond" ist ein über Jahrzehnte etablierter, weltbekannter, feststehender, gewinnbringender Markenname - weit über die Filmreihe selbst hinaus. Würde man eine Frau als Bond einsetzen, müsste diese geniale Marke umbenannt werden, eben in "JANE Bond". Und damit würde sie wohl von den meisten Menschen automatisch nicht mehr als Fortführung der originalen Filmreihe, sondern als eine Art Spin-Off verstanden werden. Egal ob der einzelne nun die wahren Hintergründe kennt oder das "nur" gefühlt so wahrnimmt. Selbst wenn eine weibliche Bond ihre Sache gut machen würde, dann hätte diese Abwandlung vielleicht mal vorübergehend Erfolg, doch nach ein paar Filmen würden sich sehr wahrscheinlich die Stimmen mehren, die da sagen: Joa, ist ja alles ganz nett mit dieser "JANE Bond", aber wann geht es denn endlich mal wieder mit der eigentlichen "JAMES Bond"-Reihe weiter?!
Das ist einfach Marken-Psychologie, hinter der eine Menge Geld steckt. Da braucht man nur mal ein paar Marketing-Experten fragen. Und vor allem deshalb ist eine Barbara Broccoli auch strikt gegen einen Geschlechtswechsel, sagt sie aber natürlich öffentlich nicht. Und genau deshalb würde auch jede(r) ihrer Nachfolger(innen) das so beibehalten. Zumindest solange diese Marke "JAMES Bond" auch nur annähernd so eine Strahlkraft behält wie sie sie gegenwärtig immer noch hat. Ist einfach schon alleine aus wirtschaftlicher Sicht vernünftig und gilt nicht nur für die Filmindustrie, sondern für alle ökonomischen Branchen.
Jede andere Veränderung, die man bereits vorgenommen hat oder noch in Angriff nehmen könnte (eine Frau als "M", ein blonder Bond, ein schwarzer Darsteller etc.) sind gut umsetzbar, weil sie nicht die (finanziellen) Grundfesten der Filmreihe in Gefahr bringen. Bei einer Namensänderung wäre aber genau das der Fall. Wieso auch sonst sollte ausgerechnet Barbara Broccoli als Frau so vehement gegen eine weibliche Hauptdarstellerin sein?!
That´s simply economy. I'm sorry, dear feminists!
05.03.2020 10:00 Uhr 4
Wenn man eine weibliche Agentin etablieren will, kann ein Bondfilm sie gerne vorstellen. Bei Halle Berry gab es ja auch schon so Gedanken. Man kann auch Naomi Harris als Agentin ausprobieren, das könnte doch sogar in die aktuelle Storyline reinpassen.
05.03.2020 11:47 Uhr 5
Emiliy Blunt wäre meine Favoritin. Emilia Clarke, Emma Watson, Kate Beckinsale sind mir zu sehr verbunden mit ihren Rollen und bei den ersten beiden wären obligatorische Kampfszenen zu unglaubwürdig.
Haley Atwell oder Kaya Scodelario könnte ich mir auch gut vorstellen.
Was mir aber immer wieder in den Sinn kommt, sind die britischen Schauspielerinnen an sich. Gefühlt 9/10 der attraktivsten Film-Schönheiten kommen aus GB. Das kann doch nicht nur am Vorteil der Sprache liegen, die ihnen den Eintritt in die internationale Filmwelt erleichtert.
05.03.2020 15:18 Uhr 6
Deiner Logik nach hätte man niemals "Jurassic World" rausbringen und zum Milliarden-Dollar-Hit machen können.
05.03.2020 16:32 Uhr 7
Die Bond-Reihe ist 40 (!) Jahre älter und rund 20 Filme umfangreicher als die Jaurassic-Reihe. Da ist der Markenname also über mehrere Generationen hinweg etabliert und somit auch bei viel mehr Menschen weltweit eingebrannt, was ihn ungleich wertvoller macht. Zumal bei Bond eine unmittelbare Wechselwirkung zwischen Hauptfigur und Markenname besteht, was es schon alleine dadurch deutlich schwieriger macht, diesen zu ändern. Bei Jaurassic ist das ja viel beliebiger.
05.03.2020 17:21 Uhr 8
Es sprechen ja vor Titelenthüllung immer alle von Bond 23, Bond 24, Bond 25. Nicht von James 23, James 24, James 25.
@ Vittel: Stimmt, Kaya Scodelario wäre auch eine gute Wahl!
05.03.2020 19:37 Uhr 9
Mich würde übrigens mal interessieren, was du glaubst, wieso Broccoli so strikt gegen eine weibliche Besetzung ist, wenn du im Gegensatz zu mir offenbar nicht von finanziellen Gründen ausgehst?
05.03.2020 21:15 Uhr 10
(P.S.: Meine Widerrede ist auch nicht bös' gemeint, zumal ich ja selber schreibe: "Wird eh nicht passieren!". Frage mich halt nur, wie viel das Argument "Es wird floppen!" an sich hat, wenn ich schlicht sage, dass ich eine Sache, die nicht eintreten wird, in meinen Augen künstlerischen Mehrwert hätte.)