Filmfacts «Emma.»
- Regie: Autumn de Wilde
- Produktion: Tim Bevan, Eric Fellner, Graham Broadbent, Pete Czernin
- Drehbuch: Eleanor Catton; basierend auf dem Roman von Jane Austen
- Cast: Anya Taylor-Joy, Johnny Flynn, Josh O'Connor, Callum Turner, Mia Goth, Miranda Hart, Bill Nighy
- Musik: Isobel Waller-Bridge, David Schweitzer
- Kamera: Christopher Blauvelt
- Schnitt: Nick Emerson
- Laufzeit: 124 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Emma Woodhouse ist jung, schön, eitel und vollkommen verwöhnt: Sie lebt mit ihrem Vater in einem riesigen Anwesen, wird von Angestellten verhätschelt und verbringt ihre Tage hauptsächlich damit, sich über die Gesellschaft der aus einem niedrigeren Stand stammende Harriet Smith zu amüsieren und damit, Leute zu verkuppeln. Aktuell will sie Harriet an den Mann bringen – und mit ihrer schmalen Menschenkenntnis stellt sich Emma dabei saudumm an. Und so sorgt Emma für Chaos, Leid und Verwirrung bei Harriet, beim Pfarrer Mr. Elton, beim allseits beliebten Kindskopf Frank Churchill und generell in der Nachbarschaft …
«Emma.» funktioniert immer dann am besten, wenn die selbstironische Natur der Romanvorlage in Form von Quirligkeit oder nebensächlich-süffisanten Seitenhieben auf die steife, hochnäsige Art der englischen Oberklasse des frühen 19. Jahrhunderts auf die Leinwand übertragen wird. Bill Nighy, der ja generell zu verspielt-exzentrischen Performances neigt (siehe u.a. «Tatsächlich... Liebe», «Radio Rock Revolution» oder «Ihre beste Stunde»), springt als Emmas hypochondrischer und auffälliger Vater in den Film hinein. Anya Taylor-Joy zieht als Emma eine ungeheuerlich irritierte und distanzierte Schnute, als sie einmal kurz ein Baby halten muss. Ein junger, mehrfacher Vater schaut nach einer langen, lauten Fahrt mit Frau und Nachwuchs den Kutscher extrem angepisst an, als sei er daran schuld. Und so weiter:
Eiskalte, pikierte Blicke, die de Wilde vor den ausschweifend-filigranen Hintergründen und mitten in den übermäßig mit Tinnef und Schnörkeleien ausgestatteten Sets platziert, dezent aggressive Stimmfärbungen bei steifer Haltung und ultrahöflichem Blick sowie in feinstem Tonfall vorgetragene, heimliche Beleidigungen: Wann immer sich der «Emma.»-Cast in elegant-spießiger Form in Gemeinheiten übt oder in geradliniger, pittoresker Kostümfilmästhetk die Arroganz oder Leidseligkeit der Figuren auf die Schippe genommen wird, glüht dieser Film und wirkt wie ein harmloserer «The Favourite» für das Subgenre der Jane-Austen-Kostümdramen.
Hauptdarstellerin Anya Taylor-Joy («Split») bedient diese Tonalität wundervoll und spielt die Titelheldin als verhätschelte, sich selbst und ihre Kuppelkünste massiv überschätzende Wohlhabende, die zwar nie Boshaftes im Sinn hat, doch aufgrund ihrer ständigen Fehleinschätzungen anderer Menschen, oder der Ausstrahlung ihrer Worte dauernd Komplikationen verursacht. Taylor-Joy bringt dabei (wie schon in «Vollblüter») knochentrockenen Witz mit und wahrt dennoch die lieblich-unschuldige Optik einer Jane-Austen-Kupplerin.
Neben ihr begeistert auch Mia Goth («A Cure for Wellness»), die Emmas Lieblingsspielzeug, äh, beste Freundin Harriet Smith wie ein sehr naives Fangirl spielt, das es nicht fassen kann, sich dank Emma über ihren sozialen Stand hinaus bewegen zu dürfen. Goth gelingt es obendrein, Harriet bei aller übertriebenen, staunenden Art mit genügend Würde und Selbstsicherheit auszustatten, dass nicht der Eindruck aufkommt, sie hätte es nicht anders verdient, zu Emmas Spielball zu verkommen.
Auch Miranda Hart trifft als Quasselbacke den Nagel auf den Kopf, Josh O'Connor als Mr. Elton und Callum Turner als Frank Churchill dagegen spielen den Stoff in manchen Szenen eine Spur zu ernst oder eine Spur zu komödiantisch, als dass der diffizile tonale Drahtseilakt von «Emma.» aufgehen würde. Jedoch ist auch Eleanor Cattons Drehbuch nicht durchgängig auf der Höhe.
- © Universal Pictures
Vor allem im dritten Abschnitt des nach Jahreszeiten eingeteilten Films gerät der subtile, doch prägende humoristische Anstrich ins Hintertreffen. Die zuvor etwas episodenhaft erzählte Geschichte wird konkreter erzählt und die schleichende charakterliche Wandlung Emmas wird mit mehr Stringenz vorangetrieben. Das erfolgt jedoch im Laufe einiger mäandernder Sequenzen und die Dialoge lassen mehrmals die Schärfe und Wortgewandtheit vorheriger narrativer Abschnitte missen. Erst gen Schluss findet «Emma.» die Raffinesse des Anfangs und Mittelteils wieder.
Angesichts der liebevollen, markanten und farbenfrohen Ausstattung, der dezent übertrieben-ausdrucksstarken Kostüme und der auffälligen, charakteristischen Musik von Isobel Waller-Bridge und David Schweitzer bleibt «Emma.» aber für Köstumfilm-Fans auch im Formtief ein passioniert umgesetztes Sehvergnügen. Unterm Strich ist de Wilde dank der quirligen Höhepunkte von «Emma.» mit ihrem Regiedebüt die beste direkte Filmversion der Vorlage gelungen – die lose Adaption «Clueless» spielt dennoch weiter in einer anderen Liga.
«Emma.» ist ab dem 5. März 2020 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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