Filmfacts «Die Känguru-Chroniken»
- Regie: Dani Levy
- Drehbuch: Marc-Uwe Kling
- Cast: Dimitrij Schaad, Rosalie Thomass, Carmen-Maja Antoni, Henry Hübchen, Tim Seyfi, Adnan Maral, Marc-Uwe Kling, Volker Zack, Daniel Zillmann
- Produktion: Stefan Arndt, Uwe Schott, Caroline von Senden, Alexandra Staib
- Kamera: Filip Zumbrunn
- Schnitt: Toni Froschhammer
- Musik: Niki Reiser
Schlimmer als jede Hufeisen-Argumentation
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So beginnt ein Kleinkrieg zwischen den Hundebesitzern und den linken Troublemakern, in den durch eine Täuschung des Kängurus und des "Künstlers" auch der Politiker und Geschäftsmann Dwigs (Henry Hübchen) reingezogen wird. Die Hundefreunde werden durch einen Trick nämlich dazu verleitet, das Auto des in dieser Sache unbescholtenen Immobilienbesitzers und Bauunternehmers schwer zu beschädigen. Und da endet das Elend noch nicht: Das Känguru und Marc-Uwe nehmen sich alsbald vor, die Baupläne Dwigs' zu untergraben, der das dringend Wohnraum benötigende Berlin mit einem topmodernen Hochhaus segnen möchte. Mit Diebstahl, Lug und Trug soll dieses Vorhaben zerstört werden, nur weil Dwigs sein Angebot an die Stadt ein bisschen aufgehübscht hat – doch wer tut das nicht? Statt dem freien Markt die Chance zu geben, darauf zu reagieren, beginnen Marc-Uwe und das Beuteltier eine Intrige, in deren Rahmen Panik und Sachbeschädigung erfolgen sollen. Können Dwigs und die sich ihm anschließenden Hundefreunde das verhindern?
Gewiss: Der Filmverleih fasst die Geschichte von «Die Känguru-Chroniken» anders zusammen und Marc-Uwe Kling, der nicht nur die Vorlage verantwortete, sondern obendrein das Drehbuch zum Film, wird die Handlung zweifelsohne ebenfalls anders nacherzählen. Aber genau hier fangen die vielen Probleme von «Die Känguru-Chroniken» an: Die Macher dieser Satire lehnen sich faul zurück und verlassen sich darauf, dass allein ihr Zielpublikum den Weg ins Kino finden und es mit vorgefertigter Deutung betreten wird.
Die Fangemeinde der «Känguru»-Werke ist vornehmlich im links-grünen Studierendenmilieu zu verorten, Kling ist politisch ohne jeden Zweifel links einzuschätzen und der «Känguru-Chroniken»-Film möchte sicherlich als Satire gegen rechts verstanden werden. Schließlich stellen sich die Hauptfiguren (die im Unterhaltungskino meistens zugleich als die Sympathieträger verstanden werden) gegen eine Gruppe Neo-Nazis und gegen einen Immobilienhai/Politiker, der inszenatorisch überdeutlich als Comic-Abziehbild der AfD positioniert wird. Und dann hämmert der Abspannsong auch noch froh und mit Nachdruck politisch linke Positionen heraus. Dennoch haben sich die Filmschaffenden offensichtlich kaum größere Gedanken, wie sie ihre Kernaussage vermitteln sollten.
Aber sei es aus Nachlässigkeit im Prozess des Drehbuchentwerfens, sei es schluderiges Erzählen, sei es eine unfassbar naive Inszenierung der Grundidee oder gar vollkommene Hybris, dass sich das Publikum ja wohl ungefragt hinter die Protagonisten mehrerer Bestseller stellen wird: Klammert man das Vorwissen, wie «Die Känguru-Chroniken» angesichts seiner Vorlage und deren Schöpfer gemeint sein muss, sowie sämtliche eventuell erworbenen Vorschuss-Sympathiepunkte für die Hauptfiguren aus, wird aus dieser gedachten Anti-Rechtspopulismus-Satire urplötzlich ein Film, der wie geschaffen ist für den Kemmerich-Flügel der FDP. "Schaut mal, die AfD macht ja wenigstens was für die Wirtschaft, diese widerlichen Linken hingegen sind eine Bedrohung für gute Bürger, brave Hunde, den freien Markt und unschuldige Autos!"
Keine Känguru-Chroniken, sondern ein Satire-Schwanengesang
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Wir wollen «Die Känguru-Chroniken» an dieser Stelle nicht zu viel Wirkungskraft unterstellen – der Film wird schon nicht aufgeschlossene, tolerante Menschen versehentlich zu AfD-Wählern machen. Aber er legt auf satirische Weise durchaus den Kemmerichs unter der FDP-Wählerschaft und den geistigen Seehofern in der Union Argumente raus, weshalb sie sich darin bestätigt sehen sollten, lauter vor links die Nase zu rümpfen als vor den Rechten. Angesichts politischer Entwicklungen, die täglich immer klarer unterstreichen, wie wichtig es ist, klare Zeichen gegen Hass und Intoleranz, zu setzen, ist das haarsträubend – und es ist doppelt haarsträubend, wenn all das quasi aus völliger Nachlässigkeit geschieht. Denn um «Die Känguru-Chroniken» kurz aus rein künstlerischer Sicht zu betrachten, ist es einfach ungeheuerlich peinlich und ärgerlich, wie dieser Film in Ermangelung einer kohärenten Vision und einer satirisch-markanten Umsetzung mehrmals gegen seine eigentliche Essenz ("Ja, wir Linken können chaotisch sein, aber wir sind sympathisch-unkoordiniert, die Rechten müssen dagegen dringend aufgehalten werden!") argumentiert.
Denn das, was «Die Känguru-Chroniken» treibt, ist keine satirische Unbequemlichkeit. Dieser Film ist nicht wie Sally Potters «The Party», das schwarz-weiße Streitkomödien-Kammerspiel, das mehrere linke und grüne Positionen personalisiert darstellt, wie sie sich gegenseitig aufgrund von Nichtigkeiten zerfleischen, statt an einem Strang zu ziehen. Nichts in «Die Känguru-Chroniken» skizziert Fehlverhalten innerhalb der Linken nach, um beißend Lösungen aufzuzeigen – aber vieles in dem Film verharmlost Feinde von Demokratie und Frieden. «Die Känguru-Chroniken» ist ebenso wenig ein Allgemeinumschlag wie Dietrich Brüggemanns «Heil», der mit Süffisanz, Fiebrigkeit und Stringenz gegen Medien, Parteien, Organisationen und Einzelpersonen jeglicher politischer Färbung tritt, um konzentriert zu sagen: "Sag mal, merkt ihr nicht, was da am rechten Rand abgeht?!"
Vielleicht glauben Marc-Uwe Kling und Dani Levy, eine Lustspiel-Variante der «Er ist wieder da»-Herangehensweise zu verfolgen. David Wnendts Bestsellerverfilmung über Hitler, der urplötzliche im Deutschland der Gegenwart auftaucht und Karriere als Komiker und Medienpersönlichkeit macht, gestattet seiner Interpretation des Despoten und Massenmörders mehrmals, richtig zu liegen. Etwa, wenn er sich über schlechtes Fernsehprogramm aufregt, die NPD als einen Haufen verirrter Jammerlappen enthüllt oder schlagfertige Witzlein reißt. Satire darf unbequem sein (oder muss es sogar, je nach Auffassung dieser Kunstform), und «Er ist wieder da» verfolgt diese Maxime: Der Film nutzt die phasenweise aufgebaute Toleranz gegenüber seiner Hauptfigur, um dem Publikum dramatisch den Boden unter den Füßen wegzuziehen und nachdrücklich aufzuzeigen, dass mit dem Wiederaufbäumen des sprichwörtlichen Hitlers in Deutschland eben nicht zu spaßen ist.
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An seiner Stelle tritt ein hastiges, zahnloses Ende, das niemanden, der schon als «Känguru-Chroniken»-Fan in den Saal gegangen ist, zum Nachdenken anregen wird, wohl aber (entgegen der Kernaussage des Films) der selbsternannten bürgerlichen Mitte sowie Anhänger der unentwegt nach rechts schielenden "Werte-Union" nur weitere Munition gegen liederliche Linke hinterlässt. Denn die "Wer wird uns schon hinterfragen?"-Arroganz, mit der die Hauptfiguren handeln und geschrieben sind, lässt sämtliche potentielle Selbstironie viel mehr als tumbe, versehentliche Selbstenttarnung aussehen. Somit rennt «Die Känguru-Chroniken» nicht einfach nur sehenden Auges in die Kreissäge, sondern schmeißt hüpfend und debil lachend auch noch Hufeisen um sich, ohne zu wissen, was das überhaupt bedeutet.
- © X-Verleih
Marc-Uwe, ein unterambitionierter Kleinkünstler mit Migräne-Hintergrund, lebt mit einem Känguru zusammen.
Und sonst so..?
Es ist auch nicht so, als hätte «Die Känguru-Chroniken» derart viele anderweitige Qualitäten, dass man glauben könnte, das polit-satirische Element wäre halt ein Nebengedanke der Verantwortlichen gewesen und daher dermaßen schiefgelaufen. Unter anderem strecken Levy und Kling «Die Känguru-Chroniken» mit völlig kopflosen Videospiel- und Filmreferenzen. Popkulturreferenzen sind zwar auch Teil der geschriebenen und gesprochenen Känguru-Kurzgeschichten, doch während sie dort zumeist pointiert sind, wird in der Filmversion beispielsweise die Handlung völlig ausgebremst, um Raum für eine behäbige Imitation einer ikonischen «Pulp Fiction»-Szene zu schaffen. Weder bereichert sie den Plot oder die Charakterisierungen, noch fügt sich solch eine ausgelutschte Filmparodie in den sonstigen humoristischen Duktus des Films.
Und obwohl «Die Känguru-Chroniken» einen selbstironischen Erzählerkommentar aufweist, lassen sich die Filmschaffenden die ultra-offensichtliche Chance entgehen, ihre verstaubte und unlustige «Pulp Fiction»-Parodie letztendlich noch durch einen pfiffigen Meta-Twist zu retten. Mit der Faulheit dieser Filmreferenz werden in «Die Känguru-Chroniken» auch Videospiele "parodiert": Völlig unmotiviert ploppen in einer Actionszene für wenige Augenblicke Retro-Videospielgrafiken auf – und damit hat es sich auch schon. Levy bemüht sich nicht einmal, die Kampfchoreografie, geschweige denn die Gesamtästhetik der Szene in Richtung Videospiel-Nostalgie zu bewegen und auf eine große Pointe hinzusteuern. "Eine billige Grafik genügt", war wohl der Gedanke – und schon erklärt sich ein Stück weit, mit welcher Haltung wohl der Großteil des Films angepackt wurde.
Was aber sehr wohl funktioniert, sind jene Augenblicke, in denen der völlig krumm geratene Plot über Marc-Uwe, das Känguru und die rechten Verschwörer sowie sämtliche Versuche, sich an der Popkultur abzuarbeiten, fallen gelassen werden. Sketchartige Szenen rund um Dinge wie ein absurdes Aerobicvideo (inklusive unerwartetem Cameo) oder eine automatisierte Notruf-Hotline sind spritzig geschrieben und sehr wohl vergnüglich. Kurzum: «Die Känguru-Chroniken» funktioniert dann am besten, wenn Drehbuchautor Kling wie bei seinen Kurzgeschichten operieren und zusammenhanglos Albernheiten fabrizieren kann. Auch in den Film eingewobene Klassiker aus besagten Kurzgeschichten sind für sich betrachtet launig realisiert – nur die Art, wie sie in die Handlung integriert werden, holpert und poltert gelegentlich (Stichwort: Gewalt gegen Hunde). Die Hintergrundmusik wiederum ist zwar eingängig, jedoch gelegentlich überbetont-lustig, womit manchmal eine eigentlich solide Pointe erdrückt wird.
Die größte Stärke von «Die Känguru-Chroniken» ist unterdessen die Animation des Kängurus: Das quasselnde, Chaos stiftende Beuteltier ist detailreich animiert und fügt sich glaubwürdig in die Filmwelt ein – man könnte glatt glauben, es sei eine aufwändige, digital leicht überarbeitete Puppe, so nahtlos zeigt sich das Känguru als Teil seiner Umgebung. Dass das Känguru ab und zu eine schräge Schnute zieht, ist da leicht zu vernachlässigen, zumal das angesichts des kauzigen Spiels des menschlichen Ensembles fast schon wie Absicht wirkt. Sonderlich gefordert wird der menschliche Cast aber nicht: Daniel Zillmann gibt eine verwässerte Variante seiner Rolle in Dietrich Brüggemanns «Heil», Bettina Lamprecht tritt quasi als rechtspopulistische Zwillingsschwester der Frau Bruck aus «Pastewka» auf, Henry Hübchen bekommt als schurkischer Dwigs viel zu wenig denkwürdiges Material, um der Rolle irgendwas abzuringen, und Rosalie Thomass bekommt die Aufgabe, eine blutarme Version des Öko-Trulla-Klischees zu verkörpern.
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Fazit: Satirisch schwach durchdacht, konzeptionell völlig konfus bis beleidigend-ärgerlich und angesichts des politischen Tagesgeschehens dumm bis leichtsinnig: «Die Känguru-Chroniken» ist kurz vor unverantwortlich. Das hat die Vorlage nicht verdient.
«Die Känguru-Chroniken» ist ab dem 5. März 2020 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
04.03.2020 22:38 Uhr 1
Ist aber auch kein Fall fürs Kino für mich. Die Bewertung hier spricht wohl auch dagegen
Tatsächlich war auch der Plot eine Befürchtung - etwas schade dass sich das bestätigt.
Freue mich da mehr auf Qualityland.
04.03.2020 23:11 Uhr 2
06.03.2020 11:40 Uhr 3
Werde trotzdem reingehen.
06.03.2020 11:55 Uhr 4
06.03.2020 11:55 Uhr 5
Der Film wurde vor Ewigkeiten angekündigt, da kannste auch noch warten bis er Werbefrei im ZDF läuft