Filmfacts «Onward»
- Regie: Dan Scanlon
- Drehbuch: Dan Scanlon, C. S. Anderson, Adrian Molina, Dylan Brown, Andrew Stanton
- Produktion: Kori Rae
- Musik: Jeff Danna, Mychael Danna
- Kamera: Matt Aspbury, Danielle Feinberg
- Schnitt: Steve Bloom, Greg Snyder
- Laufzeit: 103 Minuten
Bei Pixar muss solch eine Nachricht nicht schlimm sein. Unter anderem wurden die Meisterwerke «WALL·E» und «Ratatouille» sehr spät enorm umgemodelt. Aber manchmal bringt Pixar trotz des mühevoll aufgebauten Rufes, Filme lieber hinauszuzögern und mehrmals zu überarbeiten, als sie vorzeitig und unfertig in die Kinos zu entlassen, sehr wohl halbgare Stoffe heraus. So geschah es beispielsweise mit dem nahezu in Vergessenheit geratenen, von Produktionsproblemen geplagten Animationsabenteuer «Arlo & Spot», das kurz nach dem überaus kreativen und emotionalen «Alles steht Kopf» erschien. Wenige Jahre später scheint sich dies zu wiederholen: Erneut bringt Pixar zwei Filme in einem Kalenderjahr heraus, erneut verfolgt ein Film ein skurriles Konzept, während der andere eine Abenteuerkomödie darstellt und manche Hindernisse im Produktionsablauf zu nehmen hatte. Nur, dass dieses Jahr zuerst das Problemkind anläuft. Insofern: Egal, wie ernüchternd «Onward» sein mag – es besteht Hoffnung, dass «Soul» deutlich besser sein wird.
Die Geschichte spielt in einer von mystischen Kreaturen bevölkerten Welt, in der einst Magie herrschte, die nun aber der unsrigen Welt gleicht. In New Mushroomton feiert der schüchterne Elf Ian heute seinen Geburtstag – und wird unentwegt an seinen Vater erinnert, der vor seiner Geburt gestorben ist. Ian wünscht sich nichts sehnlicher, als mehr Mumm zu haben und mehr über seinen Vater zu erfahren. Dabei ist sein älterer Faulenzer-Bruder, der Fantasy-Nerd Barley, leider kaum eine Hilfe – denkt Ian jedenfalls. Doch als sich die Möglichkeit abzeichnet, mittels Magie einen Tag mit ihrem Vater zu verbringen, tun sich die beiden Brüder zusammen …
«Onward» fußt praktisch auf zwei Ideen – auf der konzeptuellen Idee der Filmwelt und dem emotionalen Handlungsbogen rund um die zwei vaterlosen Brüder. Beide Elemente sind für sich genommen reizvoll. Der Gedanke einer tolkienesken Fantasywelt, die zu einer Konsum- und Technologiegesellschaft wie der unsrigen wurde, ist ein Sprungbrett für jede Menge kleine Gags, seien sie rein visuell oder situativ. Und die Geschichte zweier Brüder, die durch ein Relikt verloren geglaubter Magie die Chance erhalten, ihren Vater wieder oder gar erstmals zu sehen, ist ideal für einen familienorientierten Animationsfilm, noch dazu für einen aus dem Hause Pixar, das quasi für kluge, herzliche Storys steht.
Und rudimentär, auf das Nötigste heruntergebrochen, holt «Onward» auch aus beiden Elementen etwas raus. Die Welt von «Onward» steckt tatsächlich voller skurriler, humoristischer Einfälle. Etiketten und Plaketten sind geradezu übersät mit Wortwitzen, und obendrein sind die Hintergründe sehr detailreich und haptisch animiert – Gräser, Felle, Holzmaserungen, staubige Wege, all das ist sehr filigran umgesetzt. Der emotionale Schwerpunkt von «Onward» wiederum vermeidet einige der ganz großen Stolperfallen einer solchen Geschichte: Ian und Barley kabbeln sich nicht ununterbrochen, sondern necken sich, sind sich aber zugleich unentwegt bewusst, dass sie im selben Boot sitzen.
Es gibt also keine forcierten, verkrampft geschriebenen Auseinandersetzungen darüber, wer was beherrscht und was gern beherrschen möchte. Der in solchen Filmen offenbar leider obligatorische Moment, in dem die Moral der Geschichte ausformuliert und dem Publikum vorgekaut wird, ist wenigstens so in den Erzählfluss integriert, dass glaubwürdig ist, dass die Figur, die diese Lektion ausspricht, sie in diesem einen Augenblick festhält. Und wenn «Onward» sogleich mehrmals routiniert Momente der Rührseligkeit erschafft, so entstehen sie organisch aus den Figuren und dem Plot heraus – der Kitsch-Overkill bleibt aus, um stattdessen Raum für dezent kopflastigere Varianten der möglichen Ausgänge dieser Herzensaugenblicke zu schaffen.
- © Disney
Aber an dieser Stelle enden leider schon die positiven Aspekte an «Onward», denn für einen Pixar-Originalfilm ist diese Fantasykomödie leider ziemlich halbgar. Das beginnt schon bei der Schnittstelle zwischen dem Konzept, in welcher Welt die Handlung angesiedelt ist, und der eigentlichen Handlung. Der "Früher war Magie, Wunder und Anstrengung, heute ist Technologie, Simplizität und Faulheit"-Gedanke und der "Wir können einen Tag mit Papa verbringen"-Storybogen sind fast zwei völlig verschiedene Filme, die halt einfach gleichzeitig ablaufen.
Natürlich gibt es die thematische Klammer, dass Ian und Barley in einer Familie leben, der der Vater genommen wurde, und dass diese Familie in einer Welt lebt, der die Magie abhanden gekommen ist. Doch diese metaphorische Verbindung zwischen den beiden «Onward»-Säulen bleibt sehr fadenscheinig – und die thematischen Implikationen, wie es ist, die Magie aus einer Gesellschaft verschwinden zu lassen, lässt die «Onward»-Crew vollkommen fallen. Pixars Schwesternstudio Walt Disney Animation Studios hat vor wenigen Jahren mit «Zoomania» so viel mehr erreicht: Das Konzept "Wie wäre es, wenn alle Säugetiere zusammenleben?" wirkt sich erzählerisch und thematisch intensiv auf den Kriminalplot des Films aus. Und das ist einer der Gründe, weshalb sich «Zoomania» so dicht, faszinierend und in sich stimmig anfühlt.
Das andere Element, wo «Zoomania» strahlt und «Onward» humpelt, ist das Produktionsdesign. Zwar hat «Onward» eine oberflächlich pfiffige Optik und das Design gestattet einige Gags, dennoch fühlt sich die Welt, in die uns Dan Scanlon entführt, unglaubwürdig an. Das liegt daran, dass sie nicht vollauf durchdacht ist: «Zoomania» ist voller Kniffe, die unterhalten und zugleich erläutern, wie Tiere aller Größen und Formen in einer Stadt koexistieren können. «Onward» dagegen erzählt von einer Welt, in der alle möglichen Fabelwesen seit Generationen so bequem leben, wie wir technologieverwöhnten Menschen des 21. Jahrhunderts. Und dennoch kurvt ein Zentaur in einem für Menschenproportionen geschaffenen Auto durch die Gegend, in das er nicht passt. Und dennoch sieht eine Schule für alle möglichen Fantasygestalten aus wie eine x-beliebige Menschenschule, weshalb sich zahlreiche Wesen gar nicht stimmig ins Bild fügen – und dabei haben Dan Scanlon und Pixar schon mit «Die Monster Uni» bewiesen, wie kreativ dieses Studio Lehrstätten für Wesen aller Art gestalten kann.
So zieht es sich durch den ganzen Film – sobald die «Onward»-Welt mehr als einen schnellen Lacher fabrizieren will (und davon hat sie so manche zu bieten), fällt sie völlig in sich zusammen. Das fällt doppelt negativ ins Gewicht, weil das "Fantasywelt wurde Technik-Gesellschaft"-Element als Grundlage mehrerer Gags noch immer mehr zu bieten hat als die Ian/Barley-Dynamik. Denn die beiden Brüder sind erschreckend platte Pixar-Protagonisten: Der eine Bruder ist schüchtern und muss Selbstbewusstsein lernen, der andere wirkt wie ein planloser Loser, doch es zeigt sich, dass er fürsorglich ist und sein schräges Hobby Nutzen hat. Das war's. Mehr steckt nicht hinter ihnen – kombiniert mit der vergleichsweise ausdrucksarmen Mimik und Gestik von Ian und Barley hemmt das enorm das emotionale Potential ihrer Reise.
Fazit: Für ein paar Lacher reicht's – aber das war es leider schon: «Onward» ist ein Pixar-Film, der noch ein ein halbes Jährchen Planung benötigt hätte.
«Onward» ist ab dem 5. März 2020 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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