Die Kino-Kritiker

«Jean Paul Gaultier: Freak & Chic» - (K)eine Modenschau

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Wo andere Modedesigner ihre Models einfach nur auf den Laufsteg schicken, hat Jean Paul Gaultier gleich eine ganze Freakshow auf die Beine gestellt, hinter deren Kulissen die Dokumentation «Jean Paul Gaultier: Freak & Chic» blickt.

«Jean Paul Gaultier: Freak & Chic»

  • Start: 2. Juli 2020
  • Genre: Dokumentation
  • FSK: 6
  • Laufzeit: 96 Min.
  • Kamera: Yann L'Hénoret
  • Musik: Stéphane Lopez
  • Buch & Regie: Yann L'Hénoret
  • Mit: Jean Paul Gaultier, Rossy de Palma, Tonie Marshall, Gilles Blanchard, Marion Cottilard, Catherine Deneuve, Madonna
  • OT: Jean Paul Gaultier: Freak and Chic (FR 2018)
Ein herkömmliches Biopic respektive eine popelige Dokumentation über Jean Paul Gaultier – das würde dem schillernden Modeschöpfer und Designer Jean Paul Gaultier schlicht und ergreifend nicht gerecht werden. Als Mann eher eine unauffällige Erscheinung, die, anders als Kollegen wie Karl Lagerfeld oder Donatella Versace, nicht mindestens so exzentrisch herumläuft, wie man es aufgrund des Berufs erwarten würde, waren es vorwiegend die Designs selbst, mit denen Gaultier auf sich aufmerksam machte. Kurz vor der Entstehung seiner „Fashion Freak Show“ entwarf Gaultier nur noch Mode für die Haute-Couture; also Mode, die ihren Reiz heutzutage vorwiegend daraus zieht, bei den Fashion Shows rund um den Erdball auf Laufstehen zur Schau gestellt zu werden. Mode als Kunstwerk eben. Anders als bei der Prêt-à-porter-Mode, die (auch) alltagstauglich sein soll.

Gaultier selbst sagt im Film einmal, dass seine Zeit als großer Modeschöpfer vorbei ist, seit er nur noch Haute-Couture-Mode kreiert. Gleichzeitig legte diese Faszination für die Exzentrik auch den Grundstein für seine besonders außergewöhnlichen Kreationen, die er nun in seiner „Fashion Freak Show“ regelmäßig zur Schau stellt.



Eine Modeikone


Jean Paul Gaultier gilt bis heute als einer der bemerkenswertesten Modeschöpfer unserer Zeit. Mit seiner prunkvollen „Fashion Freak Show“, einem exzentrischen Mix aus Modenschau, Varieté, Zirkus und Tanzdarbietung, hat er rund um den Erdball für Aufsehen gesorgt. Auch außerhalb des Modebusiness. Die Entstehung dieses glamourösen Events, mit dem Gaultier und sein Team bis heute durch die Welt touren, dauerte über zwei Jahre. Nun lässt der Designer seine Zuschauer regelmäßig in ein provokatives Universum eintauchen, das dem Publikum auch die Persona Jean Paul Gaultier selbst ein Stück weit näherbringen soll.

Mit seinen visionären Designs, high-style Choreographien, pulsierender Musik, extravaganten Kostümen und einer aufwändigen Inszenierung lotet der Meister die Grenzen der Modeszene aus – und «Jean Paul Gaultier: Freak & Chic» ist hautnah mit dabei.

Anders als zuletzt etwa in der nicht minder gelungenen Dokumentation «Alexander McQueen» über den gleichnamigen Modeschöpfer umfasst der Film über Gaultier nicht dessen gesamtes Schaffen, sondern konzentriert sich klar auf die Vorbereitungen und Problem zur „Fashion Freak Show“. Trotzdem kommt der Werdegang des heute 57-jährigen Mannes nicht zu kurz. Der Grund: Der Designer schöpfte die Inspiration für die verschiedenen Bühnennummern aus seinem eigenen Leben. Es geht um sein Coming Out, um seine Zeit als Außenseiter in der Schule, um seine große Liebe, die Angst vor HIV und AIDS, um sexuelle Vorlieben. Alles davon wird in den Händen der unzähligen Choreographen, Sänger und Tänzer zu einem Kaleidoskop aus Freakness und Chicness – daher auch der für die Dokumentation sehr treffende Titel «Freak & Chic»; sowohl in der Show als auch in Jean Paul Gaultier selbst kulminieren diese beiden gegensätzlichen Termini zu Gaultiers ganz eigenem Stil und Gespür für Farben, Formen und Schönheit. Denn gerade Letzteres liegt ja immer im Auge des Betrachters.

Von der fertigen Show bekommt man letztlich leider nicht allzu viel zu sehen. Einer der wenigen Kritikpunkte an «Jean Paul Gaultier: Freak & Chic», wenngleich verständlich. Schließlich ist so eine Dokumentation ja immer auch Werbung dafür, die Show letztlich direkt vor Ort zu besuchen und nicht bloß auf der großen Leinwand. Das hier ist das Making Of, das zeitweise auch ein Making Of zu Gaspar Noés «Climax» sein könnte, so sehr stehen hier Körperkult, Sex und Miteinander im Mittelpunkt. Immer wieder reichert Dokumentarfilmer Yann L’Hénoret («Emmanuel Macron: les coulisses d’une victoire») die Aufnahmen hinter den Kulissen mit Anekdoten aus Gaultiers Leben an. Etwa wenn eine der Show-Nummern ein Ereignis aus Gaultiers Schulzeit nachstellt oder erklärt wird, weshalb es dem Designer so wichtig ist, während jeder Show sein Engagement für die AIDS-Hilfe deutlich zu machen.

Auch Weggefährten wie etwa Madonna kommen zu Wort, die keinerlei Zweifel daran aufkommen lassen, dass Jean Paul Gaultier auf seinem Gebiet nach wie vor ein Genie ist. Da möchte man nach dem Film direkt selbst ein Ticket für die „Fashion Freak Show“ lösen – und seht die große Welt der Mode plötzlich mit ganz anderen Augen.

Fazit


«Jean Paul Gaultier: Freak & Chic» begleitet den Modeschöpfer und sein Team bei der zweijährigen Vorbereitung der sogenannten „Fashion Freak Show“ und gibt neue Blicke auf das Verständnis für Mode und Schönheit, aber auch auf das Leben Jean Paul Gaultiers selbst frei. Nicht nur für Modeliebhaber ein Must-See!

«Jean Paul Gaultier: Freak & Chic» ist ab dem 2. Juli in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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