Serientäter

«ZeroZeroZero» – Das neue Mafiaepos von den «Gomorrha»-Machern

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«ZeroZeroZero» ist die intensiv gefilmte und erzählte europäische Antwort auf «Narcos». Hochkarätige Schauspieler, tolle Drehorte und eine bedrückende Geschichte sorgen für Hochspannung.

Crime-Drama auf Basis einer Romanvorlage


«ZeroZeroZero» ist der neueste Streich von Steffano Sollima und Leonardo Fasoli, die nach «Gomorrha» bereits den zweiten Roman des mehrfach ausgezeichneten italienischen Schriftstellers Robert Saviano verfilmen. Saviano gilt als engagierter Journalist im Kampf gegen die Machenschaften der Mafia und hatte bereits nach seinem Debüt-Roman diverse Morddrohungen zu verkraften. Seitdem lebt er in Isolation, schafft es aber weiterhin, Recherchen zu betreiben und seine Erkenntnisse unter anderem in Romanen zu verarbeiten. Auch das bereits 2013 erschienene Werk «ZeroZeroZero» bildet hier keine Ausnahme. Sollima und Fasoli haben die Serie 2019 in Zusammenarbeit mit Canal+, Sky und Amazon als französische Produktion aus der Taufe gehoben. Seit dem 26.3. ist die erste Staffel in acht Teilen nun in wöchentlichen Abständen auf Sky Atlantic zu sehen.

Worum geht es?


Als Aufhänger für die spannende Geschichte dient eine Lieferung von fünf Tonnen Kokain, die ihren odysseehaften Weg in Mexiko startet, von wo aus sie nach Italien verschifft werden soll. Von hier aus erstreckt sich der Plot über drei Handlungsebenen. Da ist der Mafioso Don Mino (Adriano Chiaramida), dessen Herrschaft als Gomorrha-Boss auf tönernen Füßen steht und der die Drogen zum Einkaufspreis an seine Geschäftspartner abgeben möchte. Seinem Enkel Stefano (Giuseppe De Domenico) schmeckt die allzu großzügige Geste nicht und so versucht er nicht nur, die Lieferung in seine Gewalt zu bringen, sondern auch noch gleich das Imperium seines Großvaters an sich zu reißen. Der zweite Strang befasst sich mit der amerikanischen Reederfamilie Lynwood, die seit Jahren als Vermittler für Don Mino tätig ist und mit ihrem Geschäft tief im Drogensumpf verstrickt ist. Während Don Mino immer wieder dem Zugriff der Polizei entkommen muss, lässt Stefano skrupellos Mitglieder der Mafia-Familie umbringen und schart Verbündete um sich.

Auf der anderen Seite des Atlantiks treffen sich Edward und Emma Lynwood (Gabriel Byrne und Andrea Riseborough) in Mexiko mit den Leyra-Brüdern, um die Übernahme der fünf Tonnen Kokain zu verhandeln. An dieser Stelle setzt der dritte Handlungsbogen an, der sich um den mexikanischen Elitesoldaten Manuel dreht. Manuel ist Teil eines Sondereinsatzkommandos, aber ein durch und durch korrupter Zeitgenosse. Statt seinem Team den Rücken zu stärken, nimmt er Schmiergeld von den Leyras an und verhindert so ein ums andere Mal, dass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können. Doch insgeheim hegt er große Pläne und er ist bereit, buchstäblich alles dafür zu tun, diese in die Realität umzusetzen.

Veränderte Vorzeichen, wohin man schaut


Im Laufe der der ersten Staffel ändern sich die Vorzeichen für die Protagonisten ständig, so dass man als Zuschauer nie ganz sicher ist, was als nächstes geschieht. Edward Lynwood wird schon zu Beginn der Staffel von der oben erwähnten mexikanischen Spezialeinheit erschossen, so dass Emma gemeinsam mit ihrem schwerkranken Bruder Chris die Geschäfte übernimmt. Chris (Dane DeHaan) soll als neues Familienoberhaupt die Drogenlieferung begleiten, ohne zu ahnen, dass er und Emma eine wahre Odyssee auf sich nehmen werden, die sie von Amerika aus zum Senegal und von dort durch die Wüste nach Casablanca führen wird. Bis der Stoff endlich Kalabrien erreicht, wird sich das Schneeweiß des Kokains in Blutrot verwandelt haben.

Hochmotiverte Schauspieler


Hinter den Kulissen

  • «ZeroZeroZero» wurde kreiert von Stefano Sollima und den Head-Autoren Leonardo Fasoli und Mauricio Katz und basiert auf dem Treatment von Fasoli und Sollima sowie Stefano Bises und Roberto Saviano. Zum Autorenteam zählen auch Max Hurwitz und Maddalena Ravagli.
  • Stefano Sollima führte neben Pablo Trapero und Janus Metz Regie.
  • Als Darsteller dabei: Andrea Riseborough («Birdman», «Oblivion»), Dane DeHaan («Valerian - Die Stadt der tausend Planeten»), Gabriel Byrne («In Treatment», «Die üblichen Verdächtigen»), Harold Torres («The Girl»), Giuseppe De Domenico («Euphoria»), Francesco Colella («Trust») und Tcheky Karyo («Missing», «Belle & Sebastian»).
  • Den internationalen Vertrieb verantwortet Studiocanal TV. In Frankreich läuft die Serie bei Canal+, in den USA, Kanada, Lateinamerika und Spanien hält Amazon Prime Video die Rechte.
Dank Streaming- und Premiumdienstanbietern wie Sky, Netflix oder Amazon hat sich die Serienlandschaft in den vergangenen Jahren drastisch verändert. Statt nur auf US-amerikanische Produktionen, setzen die Dienste auch immer mehr auf internationale Formate aus Europa oder Südamerika. Sky hinkte diesem Trend längere Zeit hinterher, bemüht sich aber neuerdings nicht nur verstärkt um Originals, sondern auch um die Zusammenarbeit mit europäischen Produzenten. Nach «Das Boot» und «Babylon Berlin» zog man sich mit «ZeroZeroZero» (der Name spielt übrigens auf den Reinheitsgrad von Kokain an) eine französische Produktion an Land, die es durchaus mit Hits wie «Narcos» (Netflix) aufnehmen kann. Für das Crime-Drama holte man hochkarätige Schauspieler an Bord, die in ihren jeweiligen Heimatländern zwar Stars sind, ansonsten aber auf den Zuschauer erfreulich unverbraucht und frisch wirken. Die Ausnahmen von dieser Regel bilden der Ire Gabriel Byrne («Staatsfeind Nr. 1», «Ghostship», «Vikings»), Andrea Rise Borough («Bloodline», «Oblivion») und natürlich noch Dane DeHaan, der Fans aus «The Amazing Spiderman 2:Rise of Electro» oder «Valerian – die Stadt der tausend Planeten» bekannt sein dürfte. Ansonsten stechen besonders der italienische Star Adriano Chiaramida als Don Mino und der Mexikaner Harold Torres hervor, der seit 2006 in fast 70 Produktionen zu sehen war. Die von Torres in seine Rolle eingebrachte Ambivalenz zwischen Brutalität, berechnender Kühle und Mitgefühl, beispielsweise für die Frau eines von ihm selbst umgebrachten Kameraden, ist erschreckend und fesselnd zugleich. Doch auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt, beispielsweise mit dem Franzosen Sedina Balde als senegalischer Vermittler Omar.

Manchmal zu innovativ?


Der durch die pfiffig besetzten Rollen vermittelte gute Ersteindruck setzt sich in einem interessant inszenierten Drehbuch fort, dass auf eine nicht lineare Erzählweise setzt. Das Ziel, den Zuschauer zu verwirren und in Spannung zu versetzen, gelingt dabei allerdings nicht immer vollends. Der Tod einer vom Zuschauer als Hauptprotagonisten identifizierten Figur direkt in der ersten Folge lässt uns fragend und neugierig vor dem Bildschirm zurück. Erst dann zeigen die Autoren, wie es zu diesem Drama kam. Dieses dramaturgische Stilmittel findet in fast jeder Folge Anwendung, hat sich aber zwei Episoden später bereits ein wenig abgenutzt und wirkt sich sogar störend auf den Handlungsverlauf einer Szene aus. Die Absicht, der Serie damit einen einzigartigen Look zu verleihen, gerät so schon mal auch zu einer Geduldsprobe. Innovativ ist eben nicht bei jeder Gelegenheit auch besser. Manchmal reicht eben auch ein schlichter, linearer Handlungsablauf. Im Großen und Ganzen tut das aber der Dramatik der Geschichte keinen Abbruch. Es ist ein überaus intensives Erlebnis, die Lynwoods auf ihrem Weg nach Italien zu begleiten oder Stefano dabei zu beobachten, wie er alles daransetzt, seinen eigenen Großvater zu vernichten. Vor allem der Handlungsstrang um den Elitesoldaten Manuel ist an Eindrücklichkeit kaum zu überbieten. Er ist skrupellos, unberechenbar und überhaupt ein fieser Zeitgenosse. Dennoch kommt man dank einiger geschickt eingewobener Szenen nicht umhin, ein gewisses Verständnis und sogar einen Hauch Sympathie für ihn zu entwickeln. Diese Form der ambivalenten Charakterzeichnung ist zwar nicht neu, aber dennoch immer wieder überraschend.

Betont international


Besonders hervorhebenswert ist, dass sich «ZeroZeroZero» nicht betont amerikanisch gibt, um vermeintlich höhere Klickzahlen zu erzielen. Dass US-amerikanische Formate immer die besseren sind, hat sich in den letzten Jahrzehnten als hartnäckige Mär erwiesen, die dem europäischen Fernsehen oft Unrecht tut. Diese Einstellung ändert sich zur Zeit glücklicherweise und so zeigt sich die erste Season selbstbewusst international. Solima, Fasoli und ihr Partner Mauricio Katz verabschieden sich von allzu schnellen Schnitten und der hektischen Dramaturgie vieler US-Serien. Stattdessen sind oft, teils lang eingestellte Portraitaufnahmen und Totale zu sehen, die mit ruhigen Kamerafahrten auf die Protagonisten zu ergänzt werden. Das setzt die Figuren in den Fokus und tatsächlich fühlt man sich oft an ein Familendrama mit Crime-Hintergrund erinnert. So lässt sich das Schicksal der Figuren in aller Ruhe, und oft genug mit Schrecken, verfolgen.

Der internationale Anspruch zeigt sich zudem in den Drehorten. Das Produktionsteam hat keine Kosten und Mühen gescheut, ihre Erzählung so realistisch wie möglich zu gestalten. Wenn Chris Lynwood beispielsweise mit seiner Drogenlieferung im Senegal strandet, wirkt die Episode deshalb so glaubwürdig, weil eben auch im Senegal gedreht wurde. Das gleiche gilt für die in Mexiko, Casablanca oder Kalabrien verorteten Szenen, die auch tatsächlich in den jeweiligen Regionen und Ländern entstanden. Gesprochen wird Englisch, Spanisch, Italienisch, Französisch und Wolof. Es ist ein wenig schade, dass von diesem Sprachwirrwarr in der Synchronfassung nicht viel übrigbleibt. Die Serie wird in Englisch und Deutsch vermarktet. Allerdings fühlen sich viele Zuschauer in ihrem Sehgenuss durch Untertitel gestört, weshalb diese Entscheidung durchaus nachvollziehbar ist.

Fazit


«ZeroZeroZero» ist keine Serie für Freunde der atemlosen Action. Wer jedoch eine eindringliche Geschichte mit tollen Schauspielern und eindrücklichen Bildern erwartet, der ist hier genau richtig. Der Spannungsbogen bleibt von der ersten bis zur letzten Folge hoch, die Erzählweise ist ungewöhnlich und spannend. Das Finale der Staffel spart sich unnötige Twists und steuert bewusst auf das eigentlich Unvermeintliche zu. Als einziger Wehrmutstropfen bleibt der vielleicht manchmal zu gut gemeinte Erzählstil, der zwar fast immer interessant bleibt, aber eben auch in einigen Situationen auf den ein oder anderen Zuschauer störend wirken könnte. Ansonsten haben Steffano Sollima, Leonardo Fasoli und Mauricio Katz alles richtig gemacht.

Sky zeigt die erste Staffel zur Zeit donnerstags auf Sky Atlantic HD (20.15 Uhr), zudem natürlich auch auf Abruf, unter anderem bei Sky Ticket und Sky Go.

Kurz-URL: qmde.de/117253
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