Die Kritiker

«Bibi & Tina - Die Serie» - Wahnsinn mit angezogener Handbremse

von

Nach einer Hörspielserie, Zeichentrickfolgen und vier Realfilmen folgt mit «Bibi & Tina - Die Serie» nun der nächste logische Schritt einer neuen Adaption der beliebten «Bibi & Tina»-Abenteuer. Erneut von Detlev Buck.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Detlev Buck
  • Konzept: Detlev Buck
  • Drehbuch: Bettina Börgerding
  • Cast: Katharina Hirschberg, Harriet Herbig-Matten, Franziska Weisz, Richard Kreutz, Benjamin Weygand, Christoph Moreno, Holger Stockhaus, Judith Richter
  • Produktion: Kirstin Wille
Die erfolgreiche Hörspielserie «Bibi & Tina» ist ein Spin-Off der noch wesentlich erfolgreicheren «Bibi Blocksberg»-Reihe, die 1980 von Elfie Donnelly als weiblicher Gegenentwurf zu den eher für Jungen entworfenen «Benjamin Blümchen»-Geschichten ins Leben gerufen wurde. Die kleine Hexe aus Neustadt bringt es bis heute auf sage und schreibe 132 Episoden. Im Juli soll bereits die nächste folgen. In «Bibi und Tina» verbringt die blonde Zauberin ihre Ferien regelmäßig auf dem Martinshof in der Nähe der Stadt Falkenstein. Tina Martin, eine 14-jährige Bauerntochter, ist ihre beste Freundin. Seit 1991 bringen es die Abenteuer der beiden besten Freundinnen auf immerhin 97 Folgen und unzählige Fans; Im vergangenen Jahr gab es sogar das erste «Bibi & Tina»-Livehörspiel in Berlin, dessen Altersdurchschnitt im Publikum von jung bis alt reichte.

Zu den Liebhabern der Reihe gehört auch Regisseur Detlev Buck, der die Serie bereits für vier verschiedene Spielfilme adaptierte und darin den Kern der Geschichten zu gleichen Teilen einfing, für ein modernes Publikum aufmotzte aber auch den in den Hörspielgeschichten bisweilen nur unterschwellig vorherrschenden Wahnsinn auf die Spitze trieb. Nun kommt eine Amazon-Exclusive-Serie nah Deutschland, ebenfalls mit Buck an Bord.



Zurück auf dem Martinshof


Bei der Handlung gingen die Macher kein Risiko ein: Auch in «Bibi & Tina – Die Serie» geht es darum, dass Bibi Blocksberg (Katharina Hirschberg) zu Beginn der Sommerferien auf den Martinshof reist um dort gemeinsam mit ihrer Freundin Tina (Harriet Herbig-Mattin), dessen Freund Alexander von Falkenstein (Benjamin Weygand) und noch vielen weiteren Zeitgenossen die kommenden Wochen zu verbringen. Dabei machen die Freunde Bekanntschaft mit dem geheimnisvollen Spanier Chico Montoya (Christoph Moreno), der Unternehmerin Kim Win Win (Julia Stowski), die ihre ganz eigenen Pläne für das Gelände rund um den Martinshof verfolgt und sehen sich mit Dürre, Dauerregen und einem heftigen Sturm konfrontiert…

Im Gegensatz zu den Filmen, die im Laufe der Jahre immer monothematischer wurden (insbesondere der vierte Teil wurde von Detlev Buck ja nur deshalb entgegen seiner üblichen Trilogie-Pläne inszeniert, weil er das Thema Flüchtlingskrise kinder- und familienfreundlich aufbereiten wollte), befasst sich jede Serienfolge mit vielen verschiedenen Handlungssträngen. Was hat es mit dem angeblich adeligen Chico auf sich? Wird es Kim Win Win gelingen, dem Grafen sein Land abzukaufen? Und wie übersteht der Martinshof die großen Wetterumschwünge? Garniert mit einer Prise Herzschmerz, Hexerei und getreu den Filmen jede Menge Musik sind die einzelnen, etwa 25-minütigen Episoden prall gefüllt mit Abenteuern. Im Zentrum natürlich: Bibi und Tina, für deren Darstellerinnencasting der Jungschauspielerinnen Katharina Hirschberg und Harriet Herbig-Matten («Das Pubertier») die verantwortlichen Jacqueline Rietz und Wenka von Mikulicz ganze Arbeit geleistet haben.

Die beiden zum Teil noch völlig unerfahrenen Aktricen mögen zwar bisweilen noch etwas holprig spielen, passen allerdings wie die Faust aufs Auge auf ihre durch die Realfilme geprägten Rollen und sind auf den ersten Blick kaum von Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll zu unterscheiden. Auch der Rest der Crew steht den Vorbildern nicht so sehr nach, wie man es bei einer derart gelungenen Vorlage erwarten dürfte. Lediglich der wesentlich zurückgenommener aufspielende Holger Stockhaus («Wuff») kann den exzentrischen Michael Maertens nur bedingt ersetzen.

Früher war mehr Quatsch


Die Verkörperung des Grafs von Falkenstein, der in der Serie nicht ansatzweise derart extravagant auftaucht wie in den Filmen (und auch in der Hörspielserie) steht auch ein wenig symptomatisch dafür, inwiefern das Amazon Original den in ihnen vorherrschenden Wahnsinn herunterschraubt. Das gilt sowohl für die audiovisuelle Gestaltung als auch für die Inhalte. Waren «Bibi & Tina – Der Film», «Bibi & Tina – Voll verhext», «Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs» sowie «Bibi & Tina – Tohuwabohu total» noch knallbunt-schräge Popmusicals, die von Film zu Film weiter in ihr ganz eigenes Universum abdrifteten, bleibt die Serienrealität der Wirklichkeit deutlich näher. Das hat sowohl Vor- als auch Nachteile: Wem die Filme zu schrill waren, der bekommt mit «Bibi & Tina – Die Serie» deutlich bodenständigere Unterhaltung präsentiert. Wer sie aber gerade deswegen mochte – so wie die Verfasserin dieser Zeilen – der dürfte sich angesichts des zurückgefahrenen Wahnsinns nun nahezu enttäuscht zeigen.

Und es gibt noch ein „Problem“: Die Songs – einer pro Folge – wirken hier nicht ansatzweise so organisch in die Handlung eingefügt wie in den ohnehin auf jedweden Realitätsbezug pfeifenden Spielfilmen, in denen es eigentlich ziemlich egal war, wer da gerade wann und warum irgendeinen Pophit schmettert. Die «Bibi & Tina»-Filme folgten nun mal den (Anti-)Gesetzen des Musicals. Bei der Serie wirkt Ähnliches nun gezwungener, sodass man sich auch auf die Songs nicht mehr sofort einlassen kann.

Überhaupt platzieren die Macher – Detlev Buck als Regisseur und Bettina Börgerding (verantwortete bereits die Skripte zu sämtlichen «Bibi & Tina»-Filmen) – diesmal derart routiniert einen potenziellen Ohrwurm pro Folge, dass sich die Vermarktungsabsicht des Soundtracks nicht mehr leugnen lässt. Gewiss enterten auch die CDs zu den Filmen regelmäßig die deutschen Albumcharts und avancierten bei den Eltern der jungen Hörer sicherlich zur meistgehassten Liedersammlung seit dem «Die Eiskönigin»-Soundtrack, doch hier erweisen sich längst nicht alle Musicalnummern als dramaturgisch relevant und vor allem interessant. Die Zielgruppe wird das am aller wenigsten stören. „Splash“, „“Girls United“ und eine inhaltlich abgewandelte Coverversion des 2Raumwohnung-Hits „36 Grad“ gehen kalkulierterweise ins Ohr und in die Beine. Bisweilen stecken in den Lyrics auch wirklich smarte Aussagen: Der Hashtag-Song der dritten Folge setzt sich beispielsweise mit der Oberflächlichkeit sozialer Netzwerke auseinander, „Tiere würden sowas“ aus Folge vier mit Tierschutz.

Doch auch die Performances gestalten sich nicht ansatzweise so kreativ wie in den Filmen: Wo in «Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs» noch Charlie Hübner in einer herausragend-amüsanten Darstellung als singender Hippie auftrat, der ursprünglich mal ein Ganove war und nun Bäume umarmt, performen nun in Billigkostümen auftretende Meerjungfrauen mehr schlecht als recht eine Synchronschwimmperformance. Sicher: Einen derartigen Produktionsaufwand wie für die Filme darf man von der Serie nicht erwarten. Einen Vergleich müssen sich beide Formate aufgrund derselben Besetzung hinter den Kulissen dennoch gefallen lassen.

Fazit


Die Quintessenz der Ursprungsserie ist weiterhin vorhanden. Doch die Herangehensweise ist diesmal eine etwas andere. «Bibi & Tina – Die Serie» ist stärker noch als die oft metahumoristischen Filme auf eine junge Zuschauerschaft zugeschnitten und eignet sich damit hervorragend als Übergang von den sehr kindlichen Zeichentrickfolgen hin zu den mehr und mehr freidrehenden Filmen. Wer allerdings schon in den Genuss der Filme kam, für den stellt die Serie einen großen Rückschritt dar. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, wie das zehn Episoden umfassende Format ausgesehen hätte, wäre Detlev Buck mit derselben „Ich mach, was ich will!“-Attitüde an sein neues Projekt herangegangen, wie in den vergangenen Jahren an die Filme.

«Bibi & Tina – Die Serie» ist bei Amazon Prime streambar.

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