Cast & Crew
- Stab: Rebecca Hall, Paul Schneider, Jonathan Pryce, Duncan Joiner, Daniel Zolghadri, Ato Essandoh, Tyler Barnhard, Stefanie Estes, Dann Bakkedahl, Jane Alexander, Nicole Law, Danny Kang
- Showrunner und Drehbuchautor: Nathaniel Halpern
- Regie: Jodie Foster, So Yong Kim, Charlie McDowell, Tim Mielants, Mark Romanek, Andrew Stanton, Dearbhla Walsh, Ti West
- Basierend auf den Vorlagen von: Simon Stålenhag
- Musik: Philip Glass, Paul Leonard-Morgan
- Kamera: Ole Bratt Birkeland, Luc Montpellier, Jeff Cronenweth
- Schnitt: Tod Desrosiers, Curtis Thurber, Leslie Jones, Tyler Nelson
Ist es eine Zeitmaschine, die er entwickelt hat? Ist es ein Tor zu anderen Dimensionen? Oder eine Apparatur, die sich solch schlichten Kategorisierungen entzieht? Die erste Episode, die von der Suche eines kleinen Mädchen nach ihrer Mutter erzählt, die sich quasi in Luft aufgelöst hat, ganz so, als hätte sie nie existiert, stellt genau diese Fragen und führt Lorettas Familie ein – die dieses Verschwinden, ohne es zu wissen, geprägt hat.
Ist die Geschichte irgendwann in den 1980er Jahren angesiedelt, vermeidet sie doch alles, dieses Jahrzehnt zu feiern – wie es etwas «Stranger Things» macht. Hier gibt es keine «Bonanza»-Räder oder Anspielungen auf bekannte Filme oder Serien der Entstehungszeit. Da ist mal die Schaufensterscheibe eines Elektronikhandels, auf der großflächig für Video Cassette Recorders geworben wird. Telefone haben noch ein Kabel und hängen manchmal an Wänden. Die Autos sind etwa eckiger. Das aber sind auch schon die sichtbarsten Unterschiede zur Jetztzeit. Obschon das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Denn da ist etwa George (Paul Schneider), Lorettas Ehemann, der nur einen Arm hat. Den fehlenden Arm ersetzt ein Roboterskelett, das den verlorenen Arm perfekt ersetzt. Nichts an diesem Arm wirkt futuristisch, tatsächlich wirkt er eine Vorstellung der 1980er Jahre von futuristischen Ersatzgliedmaßen für Menschen, die etwa einen Arm oder eine Hand verloren haben. Doch das ist es nun einmal in der Realität: Eine Vorstellung. In der Welt der Loop aber ist dieser Arm eine Realität – die offenbar auch niemanden in Mercer erstaunt. Ebenso, wie niemand davon überrascht ist, wenn in den Wäldern Roboter herumlaufen. Große Maschinen, die etwa an die Kampfroboter aus «RoboCop» erinnern. Nur ohne Waffen. Eher herrenlos, ja auf ihre Art und Weise fast ein wenig traurig. Als hätten ihre Erbauer sie verstoßen.
In dieser seltsamen Welt wundert sich denn auch Lorettas älterer Sohn Jakob (Daniel Zolghadri) nicht darüber, im Wald eine Kugel zu finden, die es ihm ermöglicht mit seinem besten Freund Danny (Tyler Barnhadt) die Körper zu tauschen (Episode 2). Ebenso, wie sich die Verwunderung des Mädchens May (Nicole Law) in Grenzen hält, als sie aus dem Wasser eine Kapsel fischt, die es ihr ermöglicht, die Zeit anzuhalten (Episode 3).
Verbindender Faktor
«Tales from the Loop» dreht sich zwar irgendwo um Lorettas Familie, sie ist der verbindende Faktor. Doch immer wieder überquert «Tales from the Loop» dabei die Grenze zur Anthologieserie. So etwa steht die Geschichte des Mädchens May für sich. Zwar hat sie eine kurze Beziehung zu Jakob, was wieder eine Verknüpfung darstellt, doch diese Verknüpfung stellt kaum mehr als einen Übergang dar, um May einzuführen. Was folgt, das ist eine in sich geschlossene Einzelgeschichte. Besonders krass wird dies in der sechsten Episode, die eine Nebenfigur – den Pförtner des Loops, der bis zu diesem Moment nur ein Mann in einem kleinen Häuschen am Rande des Forschungszentrums gewesen ist, mit Macht in den Mittelpunkt drängt und eine Geschichte rund ums Loop erzählt, die im Grunde so weit von den anderen Geschichten entfernt stattfindet, wie eine Geschichte in diesem Erzähluniversum nur entfernt stattfinden kann.
Dieser Bruch ist mutig. Klassische Anthologieserien wie die inzwischen in einer vierten Auflage produzierten «Twilight Zone» oder «Tales from the Crypt» haben zwar stets so etwas wie einen Rahmen – meist ist es ein Erzähler, ein Maître de Plaisir, der eine Vorfreude auf das zu erwartende Geschehen weckt – um dann aber innerhalb dieses Rahmens eine gänzlich für sich stehende Geschichten zu erzählen. Auch «Black Mirror» bewegt sich in der Tradition, obschon «Black Mirror» dazu neigt, durch immer wieder auftauchende Symbole Verbindungen zwischen Einzelepisoden herzustellen – oder sogar hier und da Ideen früherer Episoden aufzugreifen, so dass zumindest der Eindruck entsteht, dass alle Episoden irgendwie in einem Universum spielen. Einem Universum hinter einen schwarzen Spiegel. Aber letztlich sind Anthologieserien für gewöhnlich kleine Geschichtssammlung unter einem Oberthema (Horror, Mystery, Krimi).
«Tales from the Loop» entscheidet sich dafür, diesen Rahmen zu sprengen und mal die Rahmenhandlung um Lorettas Familie voranzutreiben – um dann unerwartet eine Solo-Geschichte zu erzählen, die nur durch das Loop eine Einordnung in das Erzähluniversum der von Nathaniel Halpern erdachten Serienwelt erfährt. Was allerdings nur sehr bedingt gelingt, denn die Serie wird eh von einem sehr, sehr langsamen Erzähltempo getragen. Um es brutal zu sagen: Mit 50 Minuten Spielzeit pro Episode ist im Grunde jede Episode 20 Minuten zu lang. Jede Episode, ob Teil der Rahmenhandlung um Lorettas Familie oder für sich alleine stehende Loop-Einzelfolge, läuft auf einen Schlussmoment hinaus. Hier ist «Tales from the Loop» klar im Anthologieuniversum verhaftet. Gerade diese Momente aber verlieren oft an Kraft und Dramatik dadurch, dass die Story zuvor eine Abzweigungen genommen hat, die sich am Ende als unnötig erweist. Viel zu oft verliert sich die Serie in Schönheit der Schönheit willen. Und schön sieht sie aus. Sie beweist, dass visuelle Schlichtheit einen großen Reiz ausüben kann, wenn das vordergründig schlichte Konzept in Wahrheit von A bis Z durchkomponiert ist. Was hier der Fall ist.
Gerade die Tatsache, dass jede einzelne Episode von einem anderen Regisseur beziehungsweise einer anderen Regisseurin inszeniert ist, verleiht einer jeden einzelnen Episode noch einmal zusätzlich eine ganz eigene visuelle Note. Unter den Regieführenden finden sich so unterschiedliche Namen wie Andrew Stanton («Wall-E», «John Carter»), die amerikanische Independent-Filmmemacherin So Yong Kim, eine Veteranin des Sundance Film Festivals, oder Jodie Foster. Diese illustren Namen sorgen zwar für eine bemerkenswerte technische und visuelle Brillanz, doch sie alle hadern im Endeffekt mit den zu füllenden 50 Minuten pro Episode.
Retro-Futurismus
Showrunner Nathaniel Halpern, dessen Vorliebe für eine Art Retro-Futurismus möglicherweise auf seiner Mitarbeit an der Serie «Legion» beruht, die aus dem X-Men-Comicuniversum stammt (allerdings ohne Überschneidungen zur Filmserie), erschafft zwar viele tolle Charaktere, vergisst aber über all diese gelungenen Figurenzeichnungen die Rahmenhandlung so packend zu gestalten, dass sie das Interesse für lange Zeit am Kochen hält. Die zusätzlichen Brüchen durch die Abfahrten zur Anthologieserie, wirken da wie ein zusätzlicher Bremsschuh. In diesen Brüchen steckt zu oft ein L'art pour l'art. Diese vollkommen entschleunigte Form des Erzählens großartig zu finden, sei natürlich jedem Serienfan ohne Wenn und Aber gelassen. Gerade wer von all den High-Concept-Serien langsam Ermüdungserscheinungen erfährt, mag «Tales from the Loop» dafür preisen, dass sie eben nicht auf Teufel komm raus Tempo und Irrwitz zelebriert, sondern den Geschichten Raum zum Reifen lässt. Am Ende ist es der eigene Blickwinkel, der entscheidet.
- © Tales from the Loop
Man braucht jedoch auch ein Faible für diese Art des Erzählens, um sich ganz auf die Welt von «Tales from the Loop» einlassen zu können.
Die Idee für die Serie basiert übrigens indirekt auf Zeichnungen des schwedischen Künstlers Simon Stålenhag (mehr dazu hier), der in den 80er und 90er Jahren in einem Vorort Stockholms aufgewachsen ist und in seinen Werken immer wieder Ansichten aus dieser Zeit mit retrofuturistischen Elementen ergänzt. Er hat maßgeblich am Look der Serie mitgearbeitet.
Die erste Staffel von «Tales from the Loop» ist via Amazon Prime verfügbar.
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09.04.2020 11:53 Uhr 1