Serientäter

Die Legende der «Legende der Drei Caballeros»

von

Die aufgedrehte Abenteuer-Trickserie «Die Legende der Drei Caballeros» macht für unseren Serientäter Sidney Schering Kindheitsträume wahr.

Seite 2

Ein Fest der Referenzen


Als zusätzlicher Bonus kommt für Donald-Duck-Freaks wie mich die Menge an kreativ vermittelten, ganz organisch in die Serie eingewobenen Referenzen hinzu. Der schrille, pinke Vogel Aracuan, der stets ein quäkend-plapperiges Lied trällert und hier als Hausmeister der Caballeros agiert, ist noch ein vergleichsweise wenig überraschender Gastauftritt – schließlich ist er Teil des «Drei Caballeros»-Originalfilms und somit quasi Teil der Familie. Aber darüber hinaus ist «Die Legende der Drei Caballeros» mit einem durch Zauberkraft ins Leben gerufenen Bärenfell bevölkert, das aussieht und sich aufführt wie der gefräßige Bär Humphrey, der schon in den 1950er-Jahren an Donalds Nerven gesägt hat. Und eine freche Biene in dieser Serie sieht verdächtig nach Spike aus, dem summenden Quälgeist aus mehreren Donald-Cartoon-Klassikern.

Weitere Rückverweise auf ältere Aspekte des Donald-Duck-Kosmos kommen etwa in Form seines Vorfahrens Emelrich Erpel, den der legendäre Comiczeichner Don Rosa in manchen seiner Geschichten genutzt hat, oder in Dialoganspielungen auf den lehrreichen Kurzfilm «Donald im Land der Mathemagie». Darüber hinaus werden visuelle Parallelen zu Disney-Zeichentrickfilmen "aus der zweiten Reihe" erzeugt, wie etwa auf den legendären Misserfolg «Taran und der Zauberkessel» oder auf den hierzulande zwar durchaus kultig verehrten, international aber nicht all zu berühmten «Die Hexe und der Zauberer».

All dies sind kleine Bonmots für Liebhaberinnen und Liebhaber, doch das «Die Legende der Drei Caballeros»-Team versteht es, solche Referenzen nie zum Mittelpunkt eines Augenblicks zu machen – nie stoppen die Handlung oder ein laufender Gag, um Raum für einen Rückgriff zu machen. Stattdessen sind sie stets schlicht Teil einer Szene, die auch völlig ohne Hommage funktionieren würde. Wer die Anspielungen nicht versteht, bleibt also nicht außen vor – das ist sehr gekonntes, sich selbst zügelndes Referenzieren, das nie vom Wesentlichen der Serie ablenkt.

Ente gegen Ente


Als neue serielle Zeichentrick-Abenteuerkomödie mit Donald Duck im Figurenensemble und vielen Disney-Selbstreferenzen drängt sich bei «Die Legende der Drei Caballeros» geradezu der Vergleich mit dem 2017 gestarteten «DuckTales»-Reboot auf. Einen Wettkampf zwischen den beiden Serien möchte ich jedoch nicht vom Zaun brechen – nicht nur, dass die eine Serie erst 13 Folgen umfasst, während die andere schon zwei Staffeln mit jeweils mehr als 20 Episoden hinter sich gebracht hat, und die zwei Serien daher unterschiedlich viel Raum hatten, ihre Figuren zu vertiefen. Abgesehen davon haben sie nämlich trotz mancher Gemeinsamkeiten auch sehr unterschiedliche Ziele, die sie jeweils auf ihre Weise erfüllen.

Die neuen «DuckTales» erschaffen einen eigenen, aus lauter Querverweisen zusammengesetzten, Duck-Mythos und verfolgt den Grundgedanken, dass Donald Duck und Co. immer wieder neu erfunden werden. Der Donald aus den klassischen Cartoons wurde alle paar Jahre neu entworfen, Carl Barks gab ihm in seinen Comics einen völlig neuen Spin, Comicschaffende aus aller Welt haben sich jahrzehntelang immer wieder mit neuer Attitüde an das von Barks geschaffene Duck-Comic-Vokabular gewagt und die Original-«DuckTales» haben das schon wieder neu angepackt. Die aktuelle «DuckTales»-Serie steht also in der Tradition des stetigen Wandels im Enten-Universum und will eine komplexe, verzahnte und schräge, aber auch dramatische Familiengeschichte im comichaften Abenteuer-Gewand erschaffen.

«Die Legende der Drei Caballeros» hingegen zollt sehr gezielt bestimmten Phasen der Donald-Duck-Historie Tribut und lässt sie neu aufleben, indem die Serie in einer zwischen 1940er-Donald-Cartoon und Barks-Abenteuer-Comic balancierenden Tonalität liebevoll und pfiffig Mythen aus aller Welt abwandelt und zu einem völlig eigenen Donald-Abenteuer zusammen puzzelt. Die neuen «DuckTales» sind die emotionalere Serie, «Die Legende der Drei Caballeros» ist derweil leichtgängiger und komödiantischer – zeichnet aber überraschenderweise Donald noch mehrdimensionaler als seine disneyinterne Konkurrenz.

Und auch auf rein bildästhetischer Ebene verfolgen die Serien völlig unterschiedliche Ziele. Während «DuckTales» einen auf Comics fußenden, aber sehr modernen und dynamischen Stil verfolgt, rekreiert «Die Legende der Drei Caballeros» auf Design-Ebene vor allem den Look von Donald-Duck-Cartoons der 1940er-Jahren – mit zusätzlichen Einflüssen aus sehr rundlich gezeichneten Donald-Duck-Comics (ich bin gedanklich beispielsweise oft beim niederländischen Zeichner Daan Jippes gelandet). Die Hintergründe sind detailreiche, plastisch gemalte Welten im altmodischen Disney-Stil, Donalds Design ist schnurstracks aus den 40er-Cartoons entlehnt und anders als die durch und durch von anthropomorphen Tieren bevölkerte «DuckTales»-Welt koexistieren hier vermenschlichte Tiere und gezeichnete Menschen. Das kennt Donald noch von früher …

Dieser Look weckt bei mir sehr wohlig-nostalgische Gefühle – doch er legt obendrein die Messlatte hinsichtlich der Figurenanimation sehr hoch an. Gerade von den drei Caballeros sollte man in solch einer Optik sehr fließende, schnelle sowie dehnbare Bewegungen erwarten – «Drei Caballeros» ist immerhin ein Meisterstück in Sachen lockerer Animation. Aber so detailliert und gestalterisch definiert die Bildwelt von «Die Legende der Drei Caballeros» auch ist, die trunken-traumartige Animation des Originals wird in dieser Serie beim besten Willen nicht erreicht. Die Figuren sind sogar etwas klobiger und zäher animiert als beispielsweise in den neuen «DuckTales», die auf reduzierte Figurendesigns setzen, diese aber peppiger in Bewegung setzen.

Dessen ungeachtet überzeugt nicht allein das Design. Auch die Animation in «Die Legende der Drei Caballeros» kann durchaus ausdrucksstark sein und trägt so in ihren Glanzmomenten dazu bei, dass die drei Titelhelden nach und nach eigene, ausformulierte Persönlichkeiten erhalten: Wie Donald, José und Panchito auf einen seltsamen Anblick reagieren oder ihre Aussagen durch Mimik und Gestik unterstreichen (oder auch konterkarieren), beeinflusst ihre Charakterskizzierung enorm. Außerdem frönt «Die Legende der Drei Caballeros» darin, herrlich-aufgesetzte Nebenfiguren zu kreieren und hin und wieder den Stil der Serie durchzumischen – vor allem die Nazcar-Episode, in der sich die Helden in Kreidezeichnungen verwandeln, ist in Standbildern sowie in Bewegung ein regelrechter Augenschmaus.

Komm zum Ente, äh, Ende!


Die neuen «DuckTales» bewegen sich also fescher, dafür kreiert «Die Legende der Drei Caballeros» hübsche Welten mit dem klassischen Disney-Cartoon-Feeling. Die «DuckTales» gehen so manch beeindruckende Wagnisse in ihrer inhaltlichen Ausprägung und in ihren Abwandlungen bestehender Disney-Figuren ein, «Die Legende der Drei Caballeros» ist dafür zielstrebiger in ihrer Verneigung davor, was die Figur Donald Duck seit jeher ausmacht. Beides hat so seine Vor- und Nachteile. Und so, wie ich auf jede neue «DuckTales»-Folge hin fiebere, sehne ich mich danach, dass «Die Legende der Drei Caballeros» eine zweite Staffel erhält (und dann hoffentlich bessere Promo erfährt).

Denn seit Regisseur Matt Danner verraten hat, dass die Serie (theoretisch) auf sechs Staffeln angelegt ist, will ich unbedingt sehen, was er und sein Team noch in petto haben. Ich will sehen, wie sie nach der Donald-lastigen Staffel (was mich natürlich extrem glücklich macht) noch den anderen beiden Caballeros durch etwas mehr Fokus weitere Facetten entlocken. Dicky, Dacky und Ducky scheinen ihre jeweils eigenen Persönlichkeiten zu haben, aber das ist in Staffel eins noch ein bisschen diffus. Ihre Interaktion mit Donald ist ein Quell steter Gags in Staffel eins – und sie wäre im gebotenen freundlich-neckischen Tonfall schwerer mit Tick, Trick und Track möglich gewesen. Denn die Jungs wären angesichts der Donald-Ära, die als Inspirationsquelle für diese Serie diente, wesentlich antagonistischer eingestellt. Diese Donald/Drillings-Mädels-Dynamik, obendrein mit klareren Unterschieden zwischen den Nichten, noch näher zu untersuchen, stelle ich mir sehr heiter vor.

Und als weltumspannendes, gleichermaßen spritziges wie actionreiches und schräges Abenteuer hat «Die Legende der Drei Caballeros» einfach noch Berge an Möglichkeiten, um weitere Legenden und Sagengestalten auf eine extrem unterhaltsame Art neu zu beleuchten.
Nur bin ich angesichts der bisher so armseligen Behandlung, die die Serie seitens Disney erhält, nicht all zu zuversichtlich, dass es weitergeht. Es sei denn, die Mundpropaganda holt die Serie aus ihrer Obskurität heraus. Verdient hätte sie es voll und ganz.

Und wenn es nicht weitergeht? Nun, ich bin es ja gewohnt, dass die Caballeros mehr Geheimtipp denn Disney-Allgemeinwissen sind. Also darf ich nicht klagen. Ich habe schon jetzt viel mehr von ihnen zu sehen bekommen, als ich mir in meiner Kindheit auch nur erträumt hätte. Damals, als ich mir die Videokassette mit ihrem gemeinsamen Party-Abenteuer so oft angeschaut habe, bis das Band kurz davor war, den Geist aufzugeben. Jetzt kann ich mir auch neue, peppige Abenteuer mit ihnen anschauen, bis die Server in die Knie geben. Sonst nichts stoppt Donald Duck.

«Die Legende der Drei Caballeros» ist auf Disney+ abrufbar.

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