Hinter den Kulissen
- Regie: Petra Katharina Wagner
- Drehbuch: David Ungureit
- Cast: Margarita Broich, Wolfram Koch, Hannelore Elsner, Peter Lohmeyer, Isaak Dentler
- Produktion: Erin Högerle, Liane Jessen, Birgit Titze
- Kamera: Jan Velten
- Musik: Helmut Zerlett
- Schnitt: Silke Franken
- © HR/Degeto
Olivia Dor (Dennenesch Zoudé, li.) und Anna Janneke (Margarita Broich).
In so ziemlich jeder Krimireihe werden die Fälle irgendwann persönlich, stellt sich irgendwann die Frage nach Ethik und Moral. So auch im neuen Hessen-«Tatort: Die Guten und die Bösen». Das wird in diesem Fall sogar doppelt und dreifach ausformuliert, als die Kommissare Janneke und Brix zu Beginn dieses neuen Sonntagskrimis anlässlich eines Seminars mit der Frage konfrontiert werden, was sie eigentlich unter ihrem Job und dem Zweck desselben verstehen. Auf die Ratlosigkeit folgt das Saufgelage. Und kurz darauf das Exempel, statuiert an einem Mord innerhalb den eigenen Polizistenreihen, der die beiden Ermittler an die Grenze ihrer Rechtsauffassung treibt. Denn als ihr Kollege, der Polizeihauptmeister Ansgar Matzerath (Peter Lohmeyer), aus Rache den Vergewaltiger seiner Frau foltert und anschließend erstickt, wird ihr Gespür für Recht und Unrecht, Schuld und Sühne auf eine harte Probe gestellt.
Im Anbetracht des sich schnell als Exposition herausstellenden Dialogs über den Sinn und Zweck von Strafen und Polizeiarbeit zu Beginn von «Tatort: Die Guten und die Bösen» („Was bedeutet Polizeiarbeit für mich?“) ist das natürlich plakativ. Doch Drehbuchautor David Ungureit, der bereits Folgen zu solch erzählerisch starken Serien wie «Danni Lowinski» und «Das Pubertier» beigesteuert hat, groovt sich schnell ein, nachdem er auch die zum Anfang des Films noch deplatziert wirkenden Humoreinlagen rund um die marode Polizeistation, Jannekes neuentdeckte Ader für Fotografie oder das mit einer Handvoll amüsanten Spitzen versehende Saufgelage der beiden Kollegen hinter sich lässt. Ab dem Fund der Leiche und der zügigen Stellung des Mörders Matzerarth zieht sich die erzählerische Schlinge jedoch immer weiter um die Frage zu, wer hier in dieser Figurenkonstellation eigentlich gut und wer böse ist. Und die gestreuten Hinweise für eine etwaige Beantwortung zeigen sich auch alsbald subtiler. Nicht zuletzt, weil die Motivation des von Peter Lohmeyer («Was uns nicht umbringt») verkörperten Rächers nur allzu gut verständlich ist.
Dabei geht es ihm längst nicht nur darum, seine ehemalige Freundin – Opfer des sie vor vielen Jahren entführten und vergewaltigten Mordopfers – zu rächen. Wenngleich einen das Skript regelrecht mit der Nase darauf stößt, dass allein das als Motiv ausreichen kann, um die Trennlinie zwischen Gut und Böse aufzubrechen, verhält es sich hiermit komplexer. Ein bitteres Detail, das erst im letzten Drittel offenbart wird, markiert dies endgültig. Stattdessen erinnert «Tatort: Die Guten und die Bösen» auch ein wenig an die Motivation des Killers aus David Finchers Thrillerklassiker «Sieben», dem es nämlich nicht einzig und allein ums Morden ging, sondern auch darum, Moralitäten auszuloten und die grundlegende Ordnung auf den Kopf zu stellen. Auch wenn es hier natürlich längst nicht so düster zugeht, zeigt sich Matzerath in seinem Misstrauen gegenüber jenen, die in diesem Land für Recht und Ordnung sorgen, doch derart erschüttert, dass er nicht nur das Recht selbst in die Hand nimmt, sondern auch die Verurteilung konsequent einkalkuliert. Das erinnert dann fast schon wieder an den durchaus streitbaren Rache-Reißer «Gesetz der Rache», in dem Gerard Butler die Ermittler um sich herum permanent mit dessen Fehltritten konfrontiert.
Aber «Tatort» bleibt am Ende «Tatort». Wenngleich «Die Guten und die Bösen» angenehm vom gängigen Whodunit-Schema abweicht – schon allein, weil der Täter sich ja bereits in den ersten 15 Minuten stellt, was fast schon einem Understatement gleicht – riskiert Regisseurin Petra Katharina Wagner («Oskar und Leni») in ihrer ersten Arbeit für die Krimireihe inszenatorisch wenig. Ohne audiovisuellen Schnickschnack lässt sie ihren Film vor allem über die zweifellos fesselnden und ihm dadurch zu einer enormen Kurzweil verhelfenden Dialoge treiben. Über Jannekes persönliche Fragen ob des Polizeiberufs respektive der Polizeiberufung erhält der Zuschauer zusätzlich Identifikationsmöglichkeit, anstatt dem Ganzen bloß wie einer Versuchsanordnung zuzuschauen; das ist ja bei Filmen und Serien dieser Art gern mal das Problem. Schade ist da nur, dass ausgerechnet die großartige Hannelore Elsner («Die Kommissarin») in einer ihrer letzten Rollen (!) fast ein wenig untergeht. Wie diese die ehemalige und nach wie vor absolut verbissen für Recht und Ordnung einstehende Pensionärin Elsa Bronski verkörpert, zeigt nämlich noch einmal, zu welcher Klasse Elsner auch auf der Zielgeraden noch in der Lage war.
Fazit
Ein sich mehr in der Theorie abspielender Krimi über die Frage nach Recht und Unrecht. Bisweilen plakativ, aber dank der starken Darsteller trotzdem ansehnlich und lebensecht vorgetragen.
Die ARD zeigt den «Tatort: Die Guten und die Bösen» am 19. April 2020 um 20:15 Uhr.
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20.04.2020 11:10 Uhr 1