Wie schon erwähnt: Die Grundzutat ist auch bei diesem Format die bekannte: Eine Traumkulisse, zwei Hand voll williger Singles, knackige Körper und flache Sprüche. Nein, es ist per se nicht schlimm, dass eine Kandidaten nicht weiß, wo genau Australien liegt und für die Grundausrichtung von «Finger weg» sogar förderlich, dass es in den Gesprächen der Teilnehmer nur um Äußerliches geht. Denn genau diesen Faktor versuchen die Macher durch einen Kniff im Konzept außen vor zulassen.
Worum geht es also eigentlich? Die nacheinander gierenden Singles haben zunächst Zeit, sich ganz ungezwungen kennen zu lernen, vielleicht sogar schon einen Favoriten auszumachen. Das Ding namens Lana, das in ihren Zimmern herumsteht, nehmen sie dabei nicht wahr und sie wissen auch nicht, dass ihnen quasi die Zeit davon läuft. Denn Lana, das aussieht wie ein Luftbefeuchter und eine Art „Alexa“ ist, ist nicht nur Moderator der Show, sondern auch dafür zuständig, die aufgestellten Regeln zu beachten. Denn: Um am Ende 75.000 Euro Preisgeld mit nach Hause zu nehmen, müssen die Singles enthaltsam sein. Küsse kosten 3.000 Euro, geht es richtig zur Sache, werden von der Summe sogar 20.000 Euro abgezogen.
Es sei nicht zu viel gesagt, aber: Nicht alle können sich an das titelgebende Motto «Finger weg!» halten. Schon in der Auftaktfolge, nach rund 15 Minuten wurde dem ersten Teilnehmer schließlich schon die Hose zu eng. Auch mit dem neuen Format, das Netflix in der Woche nach Ostern freigeschaltet hat, scheint der Dienst den Nerv des Publikums getroffen zu haben. Über das Wochenende belegte «Finger weg!» in der Netflix-internen Rangliste den ersten Platz und landete somit sogar vor bekannten Fiction-Hits wie «Das Haus des Geldes». Das Rezept ist einfach erklärt und nicht anders als bei vergleichbaren Schritten, die Netflix zuletzt im Reality-Feld unternahm. Rasches Erzähltempo, große Schauwerte, ansprechendes Design. Hergestellt wurde die Sendung in einem erst 2018 eröffneten Luxus-Resort in Punta Mita (Mexiko).
So urteilen die internationalen Kollegen
Die Teilnehmer sind alle im Reality-TV aufgewachsen und kennen sich mit den Tropen bestens aus: Sie spielen eine Rolle und sind nicht sie selbst. Die Sprecherin, die Komikerin Desiree Burch, will auch ihren Teil vom Kuchen abhaben. Sie verspottet das, was vor ihr liegt, während sie gleichzeitig voll in das Geschehen involviert bleibt. Aber die Episoden sind kurz, nahrhaft und ekelerregend bingeable. Ich hatte weder ein gutes Gefühl, alle acht Episoden zu verschlingen, noch konnte ich mich davon abhalten.Mehr hier!
Das zeigt sehr schön den Wandel, den Netflix in den zurückliegenden Monaten ganz offensiv angetrieben hat. 2014 oder 2015 wurde noch über Netflix gesprochen, weil es Spitzenserien wie «House of Cards», «Bloodline» oder «BoJack Horseman» beheimatete, in den Jahren danach aber wurde ein Trend immer erkennbarer: Besonders Inhalte für eine junge, weibliche Zielgruppe verkaufen sich auf der Plattform gut: «Riverdale», die Teenie-Soap des US-Senders The CW ist da nur ein Beispiel – die Geschichten rund um Archie laufen in Deutschland exklusiv beim Streamingdienst, den Zahlen der Marktforscher von Goldmedia nach zu urteilen sogar mit richtig großem Erfolg. Das von Lifetime übernommene und somit gerettete «You» und eigene Serien wie etwa «Elite» treffen die Lebenswirklichkeit junger Leute genauso gut.
So war es quasi nur der logische Schritt, dass Netflix, um weiter bei der Masse zu punkten, inzwischen weniger auf Mammut-Serien-Projekte setzt, sondern vermehrt auf so genannte leichte Kost setzt. Dass man dabei gegen ein immer größer werdendes Feld an Konkurrenten antritt (RTL und TV Now haben erst vor wenigen Tagen etwa die Neuauflage einer von MTV bekannten Sendung namens «Are You the One?» gestartet und neben dem «Bachelor»-Universum inzwischen auch andere Reihen wie «Temptation Island» im Feuer), dürfte für Netflix angesichts der vorgelegten Zahlen kein Hindernis sein. Es ist auch ein Beweis dafür, dass Netflix deutlich mehr im Alltag angekommen ist als noch vor fünf oder sechs Jahren. Daher braucht Netflix Formate, die sich leicht und einfach „nebenbei“ konsumieren lassen, die nicht sonderlich viel Hirnschmalz fordern und zudem auch eine vom Serienboom längst gesättigte Zielgruppe ansprechen.
Insofern: Per se alles richtig gemacht! Dass sich die Formate an Oberflächlichkeit und vor Plattitüden derart überbieten müssen, ist wohl vor allem der sehr amerikanischen Machweise geschuldet. Auch das ist nichts Neues: Was die Jugend früher im Nachmittagsprogramm von MTV serviert bekam, holt sie sich nun bei Netflix. Der Nachschub wird obendrein nicht ausgehen: Von «Liebe.Macht.blind» sind mittlerweile zwei weitere Staffeln geordert, «The Circle» geht weiter und auch «Finger weg!» dürfte auf gutem Wege sein, noch etwas länger Teil des Angebots zu bleiben.
Die erste Staffel von «Finger weg» umfasst acht Episoden und ist auf Netflix verfügbar.
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
20.04.2020 09:29 Uhr 1
20.04.2020 09:37 Uhr 2
Wie hats dir denn gefallen? Finde das ja auch wesentlich ansprechender und interessanter, als Finger weg! und würde diese Formate nicht über einen Kamm scheren. Habe mir das (ebenso wie die ganzen Insel/Paradise-Sachen im TV) zwar nicht angesehen, aber gefühlt kann man davon, außer Fremdscham, echt nichts erwarten. Alleine schon die Vorschau...brrr.
20.04.2020 09:51 Uhr 3
Finger Weg bisher nicht geschaut, wird bei mir auch jetzt nicht das nächste sein wenn überhaupt.
Was man bei RTLs Are You The One zugute halten muss. RTL hat mal nicht nur Vollprollos, Volltätowirte und Hohlbirnen ins Format gesteckt. Auch hier ist ein guter Mix an diversen Leuten dabei. Wie schon aber gesagt, man hätte sich eher am MTV Orginal halten sollen statt alles ala Bachelor abzuziehen nur weil es gut läuft. Die Hauptelemente sind klar noch vorhanden, aber naja wirkt halt wie ne selbstzusammengeschusterte Bachelorerweiterung.
20.04.2020 12:49 Uhr 4
War schon sehr überrascht, wie gut das Konzept funktioniert. Brasilien fand ich etwas schwächer, da die Charaktere teilweise doch sehr ermüdent waren und das ganze Rumgeflirte mich nicht interessierte. Am besten ist dann ohnehin immer das Aufeinandertreffen von einer geblockten und verbleibenden Person (und manchmal auch die Videonachrichten).
Frankreich sah ich nicht, da keine Synchro vorhanden. Wobei ich das vom Cast mit am interessantesten finde.
20.04.2020 12:52 Uhr 5
20.04.2020 16:44 Uhr 6
Bringt inzwischen den gleichen Trash wie RTL&RTL 2 und die Leute ZAHLEN dafür freiwillig und schauen sich das auch noch freiwillig an ohne sich zu groß zu beschweren.
Die Netflix Trash-Reality-Formate sind halt die gleichen wie bei RTL. Nur Netflix ist denen, die sich über die RTL Trashshows lustig machen, heilig und deswegen machen die sich ja lustigerweise nicht darüber lustig.
Netflix könnte denen sogar den "Blaulicht Report" oder "Berlin Tag&Nacht" servieren und sie würden es abfeiern...
20.04.2020 16:50 Uhr 7
20.04.2020 22:41 Uhr 8
21.04.2020 11:08 Uhr 9
Geordie Shore hatte ich auch noch nie gesehen, wie auch das damalige RTL Format Hotel irgnedwas.