Hinter den Kulissen
- Idee: Greg Daniels
- Drehbücher: Greg Daniels, Mike Lawrence, Shepard Boucher, Aasia LaShay Bullock, Owen Daniels, Mary Gulino, Alyssa Lane, Alex J. Sherman
- Cast: Robbie Amell, Andy Allo, Chris Williams, Kevin Bigley, Owen Daniels, Allegra Edwards, Zainab Johnson, Christine Ko
- Ausführende Produzenten: Greg Daniels, Howard Klein
- Musik: Joseph Stephens
- Produktionsfirmen: Amazon Studios, Baral Waley Productions, Reunion Pacific Entertainment
Und eine der beliebtesten, am stärksten gefeierten und einprägsamsten Episoden dieser gemeinhin so pessimistischen Serie verstößt einfach so gegen das fatalistische, makabere und/oder warnende Grundelement, das «Black Mirror» sonst ausmacht. Stattdessen zeigt diese legendäre Episode der britischen Sci-Fi-Produktion eine glücklich stimmende, beruhigende Vision einer Zukunft, in der eine der größten Ängste der Menschheit mit einer bahnbrechenden Antwort ausgehebelt wird. Den Titel der Folge wollen wir an dieser Stelle für den Fall der Fälle nicht nennen – es soll ja Serienfans geben, die noch immer «Black Mirror» nachholen wollen. Aber etwas ganz anderes verraten wir nun: Amazon hat mit «Upload» so etwas die wundervoll-paradoxe Antwort auf diese träumerische Folge gefunden.
«Upload» ist deutlich, deutlich leichtgängiger und gewollt alberner als «Black Mirror». Aber gleichzeitig nimmt die neuste Serienschöpfung des früheren «Die Simpsons»-Autoren, US-«The Office»-Machers und «Parks and Recreation»-Mitentwicklers Greg Daniels eine makellos und erfüllend klingende Prämisse – und bohrt unnachgiebig Löcher in sie hinein …
Wenn der perfekte Traum nur Kopfschmerzen verursachende Fragen aufwirft …
«Upload» spielt in einer nicht ganz nahen, nicht ganz fernen Zukunft: Selbstfahrende Autos sind allgegenwärtig, Videotelefonie benötigt nur noch eine spezielle Fingerbewegung, der Trend zu absurden Firmenfusionen hat sich fortgesetzt sowie lächerliche Früchte getragen und AI-Spracherkennung ist weiterhin ziemlich schrottig. Die Sensation schlechthin ist in aber der Gegenwart von «Upload» erst ein paar Jahre alt: Es gibt ein Leben nach dem Tod – dem digitalen Fortschritt sei es gedankt. Menschen können kurz vor ihrem Tod ihren Verstand hochladen und fortan in einer Art "Virtuelle Realität trifft MMORPG" als Einsen und Nullen weiterexistieren.
Zwar machen schon sehr viele Menschen davon Gebrauch, allerdings hat sich die Gesellschaft noch nicht völlig mit dieser bahnbrechenden Technologie arrangiert. Manche lehnen den Gedanken ab, sich in den virtuellen Himmel hochladen zu lassen, weil ihre Liebsten vor seiner Einführung gestorben sind und sie fürchten, so die Möglichkeit zu versäumen, im altmodischen Jenseits mit ihnen wiedervereint zu werden. Beerdigungen in Gegenwart der virtuell simulierten Verstorbenen sind noch ein bisschen ungelenk. Und Paartherapeuten haben völlig neue Herausforderungen vor sich, da sie nun mitunter zwischen Diesseits und Jenseits vermitteln müssen.
Vor allem aber werden die Folgen dessen bewusst, was passiert, wenn das Leben nach dem Tod ausgerechnet im Kapitalismus entdeckt wird: Der Himmel ist voller In-Game-Transaktionen – und daher eine Drei-Klassen-Gesellschaft. Es gibt Pässe für ein komfortables Leben im Dauerurlaub, es gibt die kostspieligere Option eines Mega-Luxus-Lebens – und es gibt die trostlose Sparversion. Wobei "Sparversion" nicht wortwörtlich zu verstehen ist, denn im Diesseits klafft ein riesiger Graben zwischen jenen, die sich den Himmel leisten können und denen, die nicht einmal davon träumen können, sich auch nur den Super-Mega-Spar-Himmel zu leisten.
Als IT-Ass Nathan (Robbie Amell) in der Blüte seines Lebens in einen schweren Unfall verwickelt wird, bekommt er genau das zu spüren: Da er kein Geld für den Himmel zur Seite gelegt hat, wird er kurzerhand auf dem Konto seiner oberflächlichen, klammernden Freundin Ingrid (Allegra Edwards) hochgeladen, mit der ihn einzig und allein eine heftige, körperliche Anziehung verbindet. Nun ist diese Anziehungskraft null und nichtig und sein jenseitiges Weiterleben vollkommen davon abhängig, dass sie dennoch weiter die monatliche Rechnung begleicht. Eine vollauf deprimierende Situation für Nathan – wäre da nicht der geduldige, seelische Beistand durch den engagierten Tech-Support-Engel Nora (Andy Allo) …
Kritisches Hinterfragen, das Bieten einer leichtfüßigen Alternative UND Verballhornung zugleich
Die 40-minütige Auftaktfolge der Comedyserie «Upload» präsentiert einen sehr eigenwilligen Tonfall, der sich aber nach und nach als eine extrem faszinierende Mischung herausstellt: Zunächst mutet «Upload» an, als wäre es schlicht ein etwas leichtfüßiger geratenes «Black Mirror». Die oberflächlich reizvolle, beim genaueren Anblick aber eben nicht perfekte Zukunft wird mit viel Situationskomik skizziert. Dazu tragen etwa bockige futuristische Technologien bei sowie innerhalb der Serienwelt vollkommen ernst gemeinte, jedoch lächerlich verlogen klingende Werbespots. Und die Figuren unterhalten sich, typisch Greg Daniels, in schmissigen, zügigen Dialogen voller Charakter, geschliffenem Wortwitz und kleinen, pointiert-entlarvenden Macken und verbalisierten Doppelzüngigkeiten.
Dann aber macht sich immer wieder ein parodistischer und/oder mit völliger Selbstverständlichkeit präsentierter, durch und durch alberner Einschlag bemerkbar – so als würde "«Black Mirror», leicht verdaulich" plötzlich zu "«Scary Movie 6: Heute parodieren wir Black Mirror!»" mutieren. Da wird von einem selbstverliebt-debil grinsendem Typen versehentlich ein Kind im hohen Bogen quer durch den Raum geschleudert. Dort nehmen die sonst lustig übertriebenen Werbespots himmelschreiend-sarkastische Züge an. Daraufhin ist eine in der «Upload»-Welt vollkommen handelsübliche, medizinische Standardprozedur ein cartoonesker, maßlos dick aufgetragener, ultrabrutaler Anblick. Und eine der ersten Sachen, die Nathan im virtuellen Jenseits unternimmt, ist wild während des Pinkelns herumzutanzen, weil er feststellt, dass der Himmel so programmiert ist, dass Männer nicht mehr daneben pinkeln können – was der Soundtrack mit Dance-Beats unterlegt.
Vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Gesellschaftskritik, die sich beständig durch das «Upload»-Storykonstrukt zieht und angesichts der weitreichenden philosophischen wie ethischen Fragen, die das Format aufwirft, ist das ein eingangs etwas befremdliches Gebräu. Aber nicht nur, dass Greg Daniels es seinem Serienpublikum leicht macht, sich daran zu gewöhnen, weil er intellektuellen Ernst, rührende Dramatik, fesche Gewitztheit, erfreut-grobe Albernheit und parodistisch/satirische Bissigkeit ebenso subversiv wie souverän zu vereinen versteht: Dadurch, dass die Folgen zwei bis zehn der «Upload»-Auftaktstaffel kürzer sind und die Episoden-Handlungsbögen, die sich zu einem immer soghafteren Staffelbogen ergänzen, kompakter ausfallen, reißt dieser Mix ab Episode zwei überaus stark mit. Der Wechsel aus "Was, wenn wir die optimistische «Black Mirror»-Ausnahme mal kritisch hinterfragen?", feschem Sci-Fi-Spaß und derb-grobschlächtigen, cartoonigen Comedyeinlagen schlägt ein, schlägt weiter ein, schlägt noch heftiger ein und schon hat er süchtig gemacht.
«Upload» erinnert dahingehend durchaus an Seth MacFarlanes Realserie «The Orville»: Die «Star Trek»-Hommage/-Parodie/-Modernisierung des «Family Guy»-Machers, in der sich moralische wie gesellschaftliche Dilemmata, charmante Figuren, kurzweilig-zügige Dialoge und herb-wilde, sketchartige Absurditäten abwechseln, als wäre es das Normalste auf der Welt. «Upload» übertrumpft «The Orville» allerdings darin, wie diese aufregende Verquickung verschiedener erzählerischer Grundfarben eingesetzt wird. Denn während MacFarlane sein Spiel eigentlich nur deshalb treibt, weils ihm genau so Spaß macht, sind in «Upload» die Erzähltonalität und der Inhalt eng verwoben.
«Upload» nimmt zuweilen haarsträubend-blödelnde Züge an, weil die in «Upload» skizzierte Zukunft sowie vor allem die Vision des Lebens nach dem Tod unvergleichlich schräg ist – und dennoch erschreckend plausibel. Es ist saudumm und urkomisch, weil's wahr ist, könnte man sagen: Sollte es tatsächlich möglich werden, das Wesen eines Menschen zu erfassen und als Simulation in eine virtuelle Realität hochzuladen – wie können wir uns erdreisten, auch nur zu träumen, dass es keine Ecken und Kanten geben wird, an denen tumb gespart wird?
Heutzutage zerfallen heiß erwartete High-End-Videospiele, die als immersives, unvergleichliches Erlebnis beworben wurden, bei genauer Prüfung in ihre Einzelteile. Gaming-YouTuber entdecken schräge Glitches und zeigen auf, das dieses und jenes ambitionierte Element durch eine lieblose Physik-Engine in anderen Details des Games aufgewogen wird. Selbst in vielen Ländern mit einem sozialen Auffangnetz tun sich eklatante Unterschiede darin auf, wie mit Kranken umgegangen wird – all das ist einzig und allein davon abhängig, wie sie versichert sind und was sie sich leisten können. Als würde so eine Gesellschaft mit den Toten anders umgehen ..!
Das ließ sich alles deprimierend zusammenfassen – und das hätte als prägnanter, eigenständiger Film zweifelsohne eine lang nachhallende Wirkung. Aber genauso gut kann man sämtliche Implikationen aus der Gegenüberstellung des «Upload»-Grundkonzepts und realen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, soziologischen und medialen Gegebenheiten seriell sowie ausführlich ausloten. Und das hat dann in aller Schwere zugleich unweigerlich eine komische Komponente – diesen unweigerlichen Galgenhumor fängt «Upload» perfekt ein. Zusammen mit dem oberflächlichen Beau Nathan, dessen Intelligenz ihm im Leben wenig genutzt hat und der nun ohne hedonistische Verführungen im Himmel seine Menschlichkeit wiederentdeckt, machen wir nicht nur rührend erzählte Krisen durch. Wir rennen auch debil lachend und anschließend jauchzend erschüttert in Tech-Support-Frustmomente, wundern uns über dämliche Entscheidungen der Himmels-IT-Crew und arrangieren uns nach und nach mit der Skurrilität des Ganzen.
- © Amazon
Flache Optik, an Tiefe gewinnende Figuren
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es leider auch bei «Upload» zu schlucken: Zwar sieht die Amazon-Serie nicht wirklich billig aus, trotzdem verblasst sie nicht nur im direkten, unvermeidlichen Vergleich mit «Black Mirror». Sie hinkt generell rein optisch hinter den Gewohnheiten heutiger, engagiert erzählter Streamingserien her. Die Bilder sind zumeist überbelichtet (egal, ob wir nun im Diesseits oder im Jenseits sind), es wird viel zu selten durch Farbtemperaturen und Schattensetzung eine prägnante Atmosphäre erzeugt und oftmals wirkt «Upload» auf visueller Ebene einfach matt. Dass die Serienwelt in sich so glaubwürdig ist, ist daher umso mehr der Verdienst des gewitzten Produktionsdesigns, der gleichermaßen spaßigen wie packenden Erzählweise und der gekonnten Schauspielleistungen.
Denn «Upload» ist mit einem ebenso fähigen wie zielgenau eingesetzten Cast beglückt: Robbie Amell grinst sich mit einem äußerst wandelbaren Strahlemannlächeln durch Nathans Jenseitserfahrungen. Vom gequälten "Ich spring gleich in diese ungeheuerlich gefährliche Design-Entscheidung, die es jedem Toten unplanmäßig erlaubt, sich selbst zu löschen"-Grinsen zum vorsichtig und verschüchtert-dankbaren Grübchen-Schmunzeln, wenn ihm Nora zur Seite steht, hin zum emotional toten, aber anfangs dennoch aufgegeilten "Meine Verlobte ist da!"-Strahlen: Amell nimmt die tonalen Sprünge der Serie wie ein Ass, und so erlaubt er es uns, in der einen Minute über Nathans Eskapaden zu lachen, dann mit ihm in Herzensdingen mitzufiebern oder noch stärker als er über die Auswirkungen des virtuellen Himmels zu grübeln – oder um Nathan zu bangen. Denn auch ein Kriminal-Plotfaden entfaltet sich in «Upload» …
Andy Allo wiederum begeistert als unterbezahlter Engel der Hochgeladenen: Nora schuftet sich kaputt, um gute Bewertungen zu erhalten und so die Chance auf einen wichtigen Mitarbeiterrabatt zu erringen. Wenn sie sich die Arbeit mit dummen Streichen oder Rumgeblödel mit ihrer liebsten Kollegin versüßt, ist das nur zu menschlich und nachvollziehbar – selbst wenn deutlich wird, dass sie hier gerade mit wehrlosen Toten ihr Spielchen treibt. Und es sind Allos Mimik und die schleichenden Veränderungen in ihrer Stimmfarbe, die Noras langsam fallende Deckung der Professionalität im Umgang mit Nathan überhaupt erst zu einem der Stützpfeiler von «Upload» machen. Allegra Edwards dagegen ist köstlich als eitle, dauergenervte und verbal-aggressive Berufstochter – die in den späteren Folgen unerwartete, dennoch vollkommen plausible Tiefen entwickelt. Und dann gibt’s so viele Comic-Relief-Nebendarsteller, die einfach jede verflixte Pointe treffen.
Bei diesem tollen Cast, der eine so peppig und smart ausgearbeitete Welt bevölkert, und solch temporeich erzählten Geschichten, die bei aller Unterhaltsamkeit so viel thematisches Gewicht mitbringen, bleibt am Ende der zehnteiligen Staffel eine Frage besonders prägnant im Sinn: Hey, Amazon, wann ladet ihr Staffel zwei hoch?!
Fazit: Verrückt, emotional und bei aller Albernheit echt schlau: «Upload» lässt zwar bildästhetisch noch Raum für Verbesserungen, ist aber eine sehr engagierende, knallige, Fragen aufwerfende Zukunftsvision, die man gesehen haben sollte!
«Upload» ist ab dem 1. Mai 2020 bei Amazon Prime Video abrufbar.
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