Am 18. Mai wird der Münchner Sender Sat.1 die laufende Staffel von «Big Brother» zu Ende bringen. Mit Blick auf die Quoten lässt sich vermuten, dass es für den großen Bruder auf längere Sicht die letzte Normalo-Staffel im linearen Fernsehen gewesen sein dürfte. Anders als bei der immer im Sommer als Event laufenden Version «Promi Big Brother» war die klassische, mit „Normalos“ besetzte Staffel, nämlich kein Renner. Keine einzige Episode am Vorabend schaffte den Sprung über den Senderschnitt. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass das sonst werktags um 19 Uhr gezeigte «Genial Daneben – Das Quiz» mitunter ähnlich niedrige Quoten holte.
Dabei war der Denkansatz von Sat.1 vor dem Start der «Big Brother»-Staffel nicht verkehrt. In Zeiten, in denen sich das lineare Fernsehen wieder vermehrt auf Events konzentrierte und sich damit von immer verfügbaren Inhalten bei Netflix und Co. abzugrenzen versuchte, erschien ein neuer Anlauf bei «Big Brother» durchaus einleuchtend. Fans der Reality-Show zeigten sich Anfang Februar noch angetan von der grundsätzlichen Idee, die Bewohner eines Bereichs in eine voll-digitalisierte Welt mit Feedback von außen zu schicken, die Bewohner des anderen Bereichs aber im digitalen Detox laben zu lassen. Nur die Umsetzung war in dieser Staffel oftmals halbherzig. Schon oft und vehement wurde der fehlende Live-Stream kritisiert, der dazu beigetragen hätte, dass die Bewohner Feedback auf ihre Aktionen ganz unmittelbar bekommen – und nicht erst mit Tagen der Verzögerung. Das führte dazu, dass wesentliche Elemente des Spielprinzips nie funktionierten. Und es überdeckte, dass der Ursprungscast der Staffel so stark war wie vermutlich seit Staffel sieben, damals noch bei RTL II, nicht.
Schnell machte sich Hektik breit beim Sender Sat.1, nicht zuletzt, weil die Quoten am Vorabend nach weniger als einem Monat schon unter die Fünf-Prozent-Marke gefallen waren und somit weit von dem entfernt waren, was der Sender sich vorstellte. Übereilte Entscheidungen wurden getroffen, „Promis“ wie Menowin oder der aus der «Bachelor»-Welt bekannte Serkan sollten der Show helfen. Doch die Quoten rührten sich auch nach deren Einzug nicht. Inzwischen sind sowohl Menowin als auch Serkan übrigens wieder freiwillig ausgestiegen. Die nachträglich in den Cast geholte Romina war über einige Tage sogar die unpopulärste Kandidatin bei den Zuschauern; zumindest wenn man dem offiziellen Bewohner-Ranking vertraut. Vor allem in den zurückliegenden Tagen zeigte sich nun ein anderes Phänomen. Jetzt, wo die Staffel auf ihr Finale zusteuert, wo hinter den Kulissen vielleicht auch schon heimlich aufgegeben wurde, kann ruhiger, klarer und besser erzählt werden. Das liegt auch daran, dass sich im Haus Fronten und Konfliktlinien über Wochen haben aufbauen und verhärten konnten. Die Geschichten werden somit klarer – sei es der zwischen zwei Frauen schwankende Tim, die angepasste Situation zwischen Michelle und Philipp oder aber Pat, dessen Freundschaft mit Vanessa immer inniger wird.
Es mag sein, dass das Grundkonzept von «Big Brother» in Zeiten professionellster serieller Erzählung ein Stück weit veraltet ist. Eben weil es Idee des Formats ist, möglichst wenig ins Geschehen im Haus einzugreifen, muss man manchmal hinnehmen, wenn sich Strukturen und Storys unter den Bewohnern anders, später, schneller, weniger spektakulär oder gar nicht entwickeln. «Big Brother» 2020 ist ein gutes Beispiel dafür, warum die fünfte Staffel der Community der Sendung immer noch am besten in Erinnerung ist. Mit einer Laufzeit von exakt einem Jahr entstand eine danach nie wieder dagewesene Bindung zu den Bewohnern – das üppige Rundherum-Programm mit Zusatz-Sendungen etwa bei Tele5 tat ihr Übriges dazu.
2020 muss der große Bruder auf eine solche powervolle Unterstützung zumeist verzichten, neben dem Sender und den Machern haben offenbar auch viele Fans schon aufgegeben. Am 20. April war die TV-Quote am Vorabend auf nur noch vier Prozent gefallen. Das schlägt stärker zu Gewicht als die wenige Tage darauf erzielten recht ordentlichen 7,2 Prozent in der Zielgruppe. Rein aus Sicht der Quoten hat «Big Brother» die Erwartungen schlicht nicht erfüllt, komme in den kommenden finalen Wochen, was wolle.
Endemol Shine Germany wird sich darauf einstellen müssen, die Formatidee frühestens in einigen Jahren wieder an den Mann zu bringen. Bestimmte Formate haben ihre Zeit, andere Formate müssen sich mit der Zeit verändern, um zu reüssieren. Der inhaltliche Aufschwung der zurückliegenden Wochen ging am Publikum vorbei. Die Tatsache, dass die diesjährige Staffel die erste in der Geschichte von «Big Brother» Deutschland wird, die ihr Finale ohne jubelndem Publikum vor Ort abhalten muss, passt da ganz gut ins Bild.
Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
06.05.2020 09:12 Uhr 1
06.05.2020 09:23 Uhr 2
06.05.2020 11:21 Uhr 3
06.05.2020 11:30 Uhr 4
Sat.1 wollte das Storytelling und Showcharakter aufdränge was Big Brother einfach nicht ist, sondern ein Realityformat und des Sozialen Experiments, das nicht statt fand, da die Kandidaten ständig Tag für Tag eine Show abziehen mussten so wie es bei Promi Big Brother 1a funktioniert. Letztendlich war der Ablauf von Big Brother 13 ja fast ne 1:1 Kopie von Promi Big Brother.
Schon, dass zum Einzug die Bewohner untereinander mehr wussten als die Zuschauer selbst war ein Haupt-KO Kriterium vieler.
Im April dürfte Endemol wohl Big Brother so erzählen wie man es kannte, doch gegen Ende des Monats war wieder alles back to Basic. Inzensierungen, gefühlt 70% nur Lovestory zwischen Tim und Rebecca und Gespräche wurden stark zurückgefahren, man sah die männlichen Bewohner wieder nackt duschen sowie die Bewohner mehr in Aktion als im alltäglichen Leben eines Sozialen Experiments. Man kann nur hoffen. Sat.1 gibt die Rechte am Format Big Brother ab.
06.05.2020 11:57 Uhr 5
Es gab bei "Big Brother" auch keine Erfolgsstory, nichts, was man freispielen konnte. Das Haus war fertig und alles wirkte so durchgestylt. Schlussendlich war es doch egal, was die Bewohner im Haus machen, ob die nun den ganzen Tag rumliegen oder fleißig sind. Es gab weder ernsthafte Strafen wie im Dschungelcamp, dass es nur Reis gab, noch irgendwelche Features. Es fehlte eine Motivation der Bewohner etwas zu tun und zwar kontinuierlich. Man hätte genauso das "Sims"-Spielprinzip kopieren können mit einem Gemeinschaftskonto und einem persönliches Konto. Die Zuschauer hätten Coins einzahlen können (wahlweise für alle oder für die Einzelnen) und mit Trampeln auf einem Fahrrad (das man sich erst "kaufen") muss, hätte man mehr oder mehr hinzugewinnen können. Auch Dinge wie "Einen Tag nicht rauchen" hätte das Punktekonto aufwerten können. Aber nein, man holt sich Sternebewertungen und glaubt alles ernstes, dass die Zuschauer von einer Werbung angefixt werden, die am Tag der KZ-Befreiung erstmal eingespielt werden.
Sat.1 hat doch die gleiche Philosophie, die Thomas Ebeling schon erwähnt hat. Sie halten ihre Zuschauer für "ein bisschen fett und faul", dass man sich lieber ein paar Brüste unter der Dusche anschaut als sich vor dem Rechner zu setzen und Pornos zu konsumieren. Jede Folge stellt doch Nacktheit in den Mittelpunkt, die man auf Instagram und auf einschlägigen Seiten auch bekommt. Sat.1 hat diese miesen Quoten völlig verdient, weil sie ein Produkt anbieten, das überholt ist.
06.05.2020 12:18 Uhr 6
06.05.2020 13:09 Uhr 7