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«Dispatches From Elsewhere»: Ausgefeilt und durchgestylt

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Mit der Mystery-Serie «Dispatches From Elsewhere» nimmt Amazon Prime eine ebenso interessante, wie ungewöhnliche Serie ins Portfolio auf, die mehr, als nur einen flüchtigen Blick verdient hat.

Worum geht es?


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  • Die Serie startete im März in Amerika, sie umfasst zehn Episoden. Unklar: Gibt es eine zweite Staffel?
  • Jason Segel, Andre Benjamin, Eve Lindley, Richard E. Grant und Sally Field spielen u.a. mit.
  • Das Anthologie-Drama basiert auf "The Institute" von Jeff Hull
Peter ist ein einsamer Mann. Sein tristes Leben besteht daraus, jeden Morgen denselben Weg ins Büro zu nehmen und dort Marketingalgorithmen für einen Musikstreamingdienst zu programmieren. Auf seinem Heimweg kehrt er stets im selben Laden ein, um seine tägliche Portion Buritos und Sushi zu kaufen und sie zu Hause auf dem Bett gelangweilt beim Fernsehen zu essen. Abenteuer erlebt der verschrobene Programmierer lediglich in seiner Fantasie. Peters einziger Sozialkontakt ist seine Psychologin, die ihm sein Arbeitgeber als Medic-Benefit spendiert.

So nimmt ein nichtssagendes Leben seinen Lauf, bis Peter eines Tages einen mysteriösen Aushang mit einer Rufnummer an einem Laternenpfahl entdeckt. Nach einigem Zögern fasst er Mut und ruft die Nummer an, aber nichts geschieht. Doch schon einige Minuten später klingelt sein Handy. Eine Frauenstimme am Ende der anderen Leitung nennt ein Datum, eine Uhrzeit und eine Anschrift. Peter nimmt die Einladung an und landet im Jejune Institute, wo ihm die Stimme eines Mannes namens Octavio aus einem uralten Fernseher offenbart, dass er einzigartig und für die hehren Ziele des Instituts unersetzlich sei. Peter sieht seinen Traum wahr werden, dem quälenden Mittelmaß seines langweiligen Lebens zu entkommen. Doch noch bevor er mehr erfahren kann, erhält er eine unmissverständliche Warnung und flieht aus dem Institut. So lernt er eine weitere undurchsichtige Organisation kennen, die sich ebenso nichts- wie vielsagend „Elsewhere“ nennt. Peter erhält neue Instruktionen, die ihn mit Simone, Fredwyn und Janice zusammenbringen, deren Leben, wie seins, in Bedeutungslosigkeit zu versinken droht. Von nun an bilden die vier unterschiedlichen Persönlichkeiten ein Team, doch schon bald stellt sich die Frage, ob sie wirklich auf derselben Seite stehen, oder gegeneinander ausgespielt werden.

Sozialdrama im Mystery-Gewand


Sie haben die ersten zwei Folgen von «Dispatches From Elsewhere» gesehen und verstanden, worum es wirklich geht?

Herzlichen Glückwunsch, dann wissen Sie bereits mehr als der Autor dieser Zeilen. Und das ist eine richtig spannende Erkenntnis. Denn auf einen Satz reduziert könnte man resümieren, dass Jason Segels Kreation sicherlich anders als alles ist, was Sie bisher im Serienformat gesehen haben. In verwirrenden, farblich hervorragend abgestimmten und bis ins Detail durchdachten Bildern steht die neue Show, die seit dem 08. Mai 2020 auf Amazon Prime zu sehen ist, ganz im Zeichen ihrer Protagonisten Peter, Simone, Fredwyn und Janice. Die vier scheinen auf den ersten Blick völlig unterschiedliche Individuen zu sein, aber sie alle sind ihres Lebens überdrüssig und versinken im tristen Grau ihres Alltages. Doch dann werden sie in Form des Jejune Institute und der konkurrierenden Elsewhere-Bewegung in das erste wirkliche Abenteuer ihres Lebens gezogen. Und endlich scheint die vielleicht größte Frage unserer von Routine und immer gleichen Ritualen geprägten Welt aus Ihnen herauszubrechen. Ist da noch mehr? Die Beantwortung dieser existenziellen Frage scheint eines der Kernelemente von «Dispatches From Elsewhere» zu sein. Und beim Betrachten der ersten beiden Episoden möchte man laut „ja“ rufen. Denn so eigenartig der Beginn dieser Serie oberflächlich betrachtet auch anmuten mag, so bietet er doch vor allem einen interessanten Ausflug in die Seelen der Protagonisten, der sowohl auf emotionaler, sozialer als auch philosophischer Ebene einiges zu bieten zu hat. Der Plot um den möglicherweise auch nur fingierten, Konflikt zwischen dem Institut und Elsewhere, bietet dazu den idealen Aufhänger. Denn die Quest, auf der sich unsere vier Helden befinden, spaltet sie bereits bei ihrem zweiten Treffen in zwei Lager. So verdeutlicht Serienerfinder Jason Segel noch einmal, dass wir es hier mit einer Analogie auf den unüberwindbar scheinenden gesellschaftlichen Disput zwischen der modernen Busy-as-usual-Gesellschaft und dem wohltuendem bunten Künstler-Chaos von vermeintlichen Außenseitern zu tun haben.

Ein Hauch Arthouse


Man muss sich schon Zeit lassen und genau hinschauen, um alle Facetten, der vielen interessanten Bildkompositionen zu erfassen. Diese dienen nicht nur als Eyecatcher, sondern sind Teil der Erzählung. Octavio, der SEO des Jejune Institute, fungiert auch als Erzähler. Wenn er auftaucht, herrscht ein fast schon unangenehmer Orange-Ton vor, der die eigentliche Wärme der Farbpalette in sich einsaugt und ein unangenehmes Gefühl verbreitet. Doch trifft dies auch zu? Immerhin lockt Octavio Peter mit dem Versprechen der Einzigartigkeit. Wenn Peter seine Psychologin besucht, sitzt er vor einer himmelblauen Wand, die auf den Zuschauer beruhigend und sicherheitsheischend wirken soll, in Wirklichkeit aber nur Peters Unsicherheit transportiert. Simones Welt scheint verrückt, bunt, fraulich und easy. Doch sie ist eine Transfrau, die sich weder auf Gefühle, noch auf eine gewisse Leichtigkeit des Seins einlassen kann.

So ergibt jede Farbe, jedes Detail einen Sinn, wenn man denn bereit ist, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf etwas Neues einzulassen. Aufwendige Bombastik-Special-Effects, eine rasante Schnittführung und eine actionlastige Erzählweise, die keinen Raum zum Nachdenken lässt, sucht man vergebens. Stattdessen bietet «Dispatches From Elsewhere» einen Hauch Arthouse und lädt zum Zuschauen, Zuhören und Mitdenken ein. Die unaufgeregte, aber stets passende Musik, die erst seicht vor sich hinplätschert, im nächsten Moment aber mysteriöse Spannung verspricht, tut ihr Übrigens, um dem Publikum ein ungewöhnliches Format an die Hand zu legen.

Ein Cast zum Gernhaben


Als weiterer großer Pluspunkt erweist sich der Cast der Show. Man kennt und liebt Jason Segel als Marshal Eriksen aus der Erfolgs-Comedyserie «How I Met Your Mother». «Dispatches From Elsewhere» ist die erste von ihm erdachte und produzierte Serie, für die er auch als Star vor der Kamera steht. Segel strahlt als Peter die richtige Kombination aus Unsicherheit, Schüchternheit, Niedergeschlagenheit und Hoffnung aus, die für diese Rolle notwendig ist. Als besonderer Glücksgriff erweist sich aber Eve Lindley, die auch im wahren Leben eine Transfrau ist. Simone ist eine Figur von bestechender und entwaffnender Glaubwürdigkeit, die eine unbändige Neugier und den Willen in sich trägt, ihr Leben endlich frei zu leben.

Im Gegensatz zu Sally Field («Forrest Gump», «The Amazing Spiderman»), die als ältere Dame Janice im Beisammensein mit ihrem Team einen neuen Lebenssinn erkennt und für ein wenig Star-Appeal sorgt, gehört André Benjamin in Deutschland eher zu den unbekannteren Gesichtern. Der wandelbare Afro-Amerikaner fügt der Show als Fredwyn den Blickwinkel des neugierigen Zweiflers hinzu, der den Rätseln um das Jejune Institute und der Elsewhere Bewegung unter allen Umständen auf den Grund gehen will. Das Quartett ergänzt sich im Ersteindruck sehr gut und bildet eine harmonische Gruppe, die trotz aller Unterschiede prima zusammenpasst.

Fazit: Man muss wohl geduldig bei der Stange bleiben um herauszufinden, welchen Weg «Dispatches From Elsewhere» letztlich einschlägt. Speist man die Zuschauer am Ende mit einem banalen und vorhersehbaren Twist ab, oder wagt es die Show wirklich, undeutlich, interpretierbar und figurfokussiert zu bleiben? Der Blick in die Gefühlswelt der Protagonisten ist bisher auf jeden Fall ungewöhnlich, aber auch interessant und fesselnd. Lediglich ein wenig mehr Spannung an der ein oder anderen Stelle, um das Szenario ein wenig aufzulockern, wäre schön. Aber das mag ja noch kommen. Schon nach nur zwei Folgen wird auf jeden Fall deutlich, dass der Weg über ein Streamingportal die richtige Release-Option war. Denn die Frage, ob die Serie im konventionellen Fernsehen nicht sang- und klanglos untergegangen wäre, ist durchaus berechtig. Und das ist in diesem Fall als vorsichtiges Kompliment gemeint.

Die Serie ist über Amazon Prime verfügbar.

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