Filmfacts «Die Känguru-Chroniken»
- Regie: Floria Sigismondi
- Produktion: Scott Bernstein, Roy Lee, Seth William Meier
- Drehbuch: Carey W. Hayes, Chad Hayes; basierend auf einer Vorlage von Henry James
- Cast: Mackenzie Davis, Finn Wolfhard, Brooklynn Prince, Joely Richardson
- Musik: Nathan Barr
- Kamera: David Ungaro
- Schnitt: Duwayne Dunham, Glenn Garland
- Laufzeit: 94 Minuten
Ein mysteriöses Anwesen in Maine: Hier wird die neu ernannte Nanny Kate (Mackenzie Davis) mit der Betreuung von zwei Waisenkindern beauftragt. Flora (Brooklynn Prince) und Miles Fairchild (Finn Wolfhard) haben gerade erst ihre Eltern durch einen Autounfall verloren und müssen nun langsam wieder in die Normalität finden. Doch das ist leichter als gedacht, denn schnell ahnt Kate, dass es in dem altehrwürdigen Anwesen nicht mit rechten Dingen zugeht. Nachts beginnt sie, seltsame Erscheinungen wahrzunehmen und die Vergangenheit der erst kürzlich verschwundenen Angestellten Jessel (Denna Thomsen) und dem unter tragischen Umständen getöteten Reitlehrer Quint (Niall Greig Fulton) scheint ebenfalls ein Geheimnis zu umgeben. Treiben hier tatsächlich Geister ihr Unwesen oder wird Kate, deren Mutter in der Psychiatrie verweilt, langsam verrückt?
Die Qualität von «Die Besessenen» bloß anhand des Endes zu bewerten, wäre dann aber auch wieder verkehrt. Zumal man die Geschichte um eine vielleicht geistig verwirrte Frau, die Nacht für Nacht Geister sieht und von ihren zu betreuenden Kindern regelmäßig gepiesackt wird, umso fieser finden kann, wenn man eben keine alles abschließende Lösung auf dem Silbertablett serviert bekommt. Das Ganze im Nachhinein noch weiterzudenken kann reizvoll sein. Doch der Weg dorthin ist zumindest inszenatorisch äußerst beliebig geraten. Bereits in der ersten Viertelstunde knallt einem Regisseurin Floria Sigismondi (inszenierte bereits diverse Musikvideos, zuletzt etwa zu Dua Lipas «Swan Song») derart viele uninspirierte Jumpscares vor den Latz, dass man längst abgestumpft ist, noch bevor die Story richtig Fahrt aufgenommen hat. Und selbst der richtig laut aufgedrehte Sound bei all den Schreckmomenten kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass lieblos animierte CGI-Fratzen, die plötzlich in einer Glasscheibenspiegelung auftauchen, oder ein völlig unvermittelt vor der Protagonistin auftauchendes Pferd einfach keinerlei Schockvalue besitzen. Zumindest für all jene, die in ihrem Leben schon mal ein, zwei Horrorfilme gesehen haben.
Auch die Dramaturgie der Geschichte löst sich nur sehr selten von der einer klassischen Geisterhausgeschichte. Tagsüber bringen die Drehbuchautoren Chad und Carey W. Hayes (schrieben zusammen auch das Skript zum deutlich gelungeneren Haunted-House-Horrorfilm «Conjuring – Die Heimsuchung») die Figuren in Position, indem sie die angespannte Stimmung unter ihnen sukzessive anheizen. Nachts bricht schließlich der große Grusel über Kate herein; und dass die – zumindest in der Anfangsphase – nie daran denkt, während der unheimlichen Vorkommnisse einfach das Licht anzuknipsen, ist mittlerweile auch ein Horrorfilmklischee, das wir einfach nicht mehr sehen wollen. Erst wenn sich die Ereignisse in der Gegenwart nach und nach mit jenen der Vergangenheit verzahnen und sich auch die tragische Geschichte rund um die beiden ehemaligen Angestellten Jessel und Quint sukzessive abzeichnet – etwas, was im Roman noch viel deutlicher zur Geltung kommt – beginnt «Die Besessenen» auch inhaltlich immerhin halbwegs zu überzeugen. Bis zum bereits vielfach zitierten Finale, das uns zwar eigentlich ganz gut gefallen hat, bei dem es aber vollkommen verständlich ist, wenn sich andere Zuschauer bei so viel Vagheit einfach nur die Hände vors Gesicht schlagen.
- © Universal Pictures
So erzählerisch flachbrüstig sich «Die Besessenen» auch präsentieren mag und so nervig (und faul) die zig Jumpscares sein mögen: Eigentlich lohnt schon allein die Ausstattung des riesigen Fairchild-Anwesens, um immerhin einen Blick auf den Film zu riskieren. Wenngleich Kameramann David Ungero («A Prayer before Dawn») von den äußeren Umständen (ergo: der permanent vorherrschenden Dunkelheit) bisweilen ausgebremst wird, ist die in das Interieur des Hauses gesteckte Detailverliebtheit absolut großartig. Als Kulisse für einen gelungeneren Film wäre dieses Setpiece, dem aus jüngerer Zeit allenfalls das Landhaus aus «Knives Out» das Wasser reichen kann, ein absolutes Geschenk. So aber stiehlt es selbst den Darstellern bisweilen die Show. Mackenzie Davis («Terminator: Dark Fate») wird in ihrer sich auf Angst und Schrecken reduzierten Figur kaum gefordert. Die beiden Jungdarsteller Finn Wolfhard («Es – Kapitel 1») und Brooklynn Prince («The Florida Project») machen da schon eine passablere Figur. Barbara Marten («Sanctuary») hat als gruselig dreinblickende Haushälterin derweil wohl am meisten Spaß und passt sich der unheilvollen Atmosphäre formidabel mit ihrem noch unheilvolleren Spiel an. Ein paar hübsche Highlights in einem ansonsten highlightarmen Film.
Fazit: «Die Besessenen» ist wie zu erwarten ganz sicher keiner der schlechtesten Filme aller Zeiten. Davor bewahren ihn allein schon die fantastische Ausstattung sowie Barbara Marten als fiese Haushälterin. Gleichzeitig bemüht Regisseurin Floria Sigismondi einfach viel zu viele uninspirierte Klischees, um auch nur einen halbwegs soliden Horrorfilm abzuliefern. Schade – das Potenzial wäre da gewesen.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
17.05.2020 13:51 Uhr 1
17.05.2020 22:06 Uhr 2
18.05.2020 00:48 Uhr 3