Hinter den Kulissen
- Regie: Isa Prahl
- Drehbuch: Christoph Wortberg
- Produzent: Jan Kruse
- Cast: Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Anna Brüggemann, Frida-Lovisa Hamann, Andreas Döhler, Joe Bausch, Thomas Fehlen
- Kamera: Moritz Anton
- Schnitt: Daniel Scheuch
Eigentlich ist eine Psychiatrie auch nur ein Krankenhaus, das sich auf die Behandlung geistig angeschlagener Patienten spezialisiert hat. Hier werden Traumata gelöst, Ängste behoben und Tics behandelt – aber aus irgendeinem Grund scheinen derartige Einrichtungen auch einen ganz besonderen Reiz auf Genreproduktionen auszuüben. Die zweite Staffel der preisgekrönten US-Serie «American Horror Story» spielt sich in einer sogenannten Asylum (zu Deutsch: Irrenanstalt) ab. Nicht zu vergessen der Siebzigerjahreklassiker «Einer flog übers Kuckucksnest», oder das erst vor zwei Jahren veröffentlichte iPhone-Projekt «Unsane» von Steven Soderbergh. Auch im «Tatort» machten die ein oder anderen Kommissare bereits einen Abstecher in Geisteskliniken. Zum Beispiel 1988 im «Tatort: Ausgeklinkt», 2003 in «Sag nichts» und 2015 im Münster «Tatort: Schwanensee». Nun zieht es auch die Kölner Ermittler Ballauf und Schenk dorthin, um den Mord an einem renommierten Chefarzt aufzuklären.
Die Anwendung von Klischees ist bei einer Thematik wie jener im «Tatort: Gefangen» natürlich ganz besonders verlockend. Sämtliche Stereotypen haben die Wahrnehmung Außenstehender von so etwas Hochkomplexem wie einer Psychiatrie längst geformt; Da könnten Drehbuchautor Christoph Wortberg («Gefangen» ist bereits sein dritter «Tatort») und Regisseurin Isa Prahl («1000 Arten, den Regen zu beschreiben») ganz schnell punkten, wenn sie für „ihre“ Psychiatrie nicht die immer gleichen Bilder von apathisch im Gang sitzenden Insassen oder aus dem Ruder geratenen Gesprächsrunden bemühen. Doch auch in «Gefangen» trifft man an, was man aus anderen Filmen und Serien dieser Couleur nur zu gut kennt. Kameramann Moritz Anton wählt für seine Aufnahmen kühle, entsättigte Farben. Viel weiß, grau und schwarz; unaufgeregt, wie auch die Wände in der Anstalt. Nichts erinnert noch an seine knallig-bunte, dynamisch geschnittene Arbeit aus «Das perfekte Geheimnis». Beides hat seinen Reiz. Und in seiner Nüchternheit passt dieser Stil hier zum fast schon lethargischen Tempo. Der Kölner «Tatort: Gefangen» ist nicht unbedingt einer von der besonders aufregenden Sorte.
Stattdessen steht im Zentrum der Mordermittlungen – diesmal ist es nach einigen Ausnahmen mal wieder ein waschechter Whodunit – eine vermeintlich zu Unrecht in der Psychiatrie verweilende Insassin. Julia (Frida-Lovisa Hamann) besitzt ein interessantes Figurenprofil. Auch die Darstellung der «Charité»-Mimin ist durchgehend glaubhaft und stößt einen selbst als Zuschauer immer wieder vor den Kopf und auf die Frage, wie man eigentlich als Außenstehender herausfinden kann, ob jemand wirklich in eine psychiatrische Klinik gehört, oder hier zu Unrecht sitzt. Die inhaltliche Spiegelung mit den ständig wiederkehrenden Visionen des Max Ballauf wirkt dann allerdings doch ein wenig zu gewollt und immer nur dann bemüht, wenn der Hauptplot gerade ins Stocken gerät. So richtig geschmeidig fügen sich die beiden Handlungsstränge nicht zusammen. Nicht zuletzt, da der «Tatort: Gefangen» zwar auf die ganz große Effekthascherei verzichtet, gen Ende hin allerdings reichlich obskure Auflösungen auspackt, mit denen die Kommissare dem Täter auf die Spur kommen. Das ist dann doch eher ein «Tatort» der Kategorie „Überkonstruktion“.
- © WDR/Thomas Kost
Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) sieht auf dem Schiessstand plötzlich die durch ihn einst erschossene Kollegin Melanie Sommer (Anna Brüggemann).
Fazit
Der neueste «Tatort» aus Köln setzt auf ein sehr ruhiges Tempo und das Charakterdrama einer spannenden Nebenfigur. Die Auflösung rund um den Mordfall wirkt dann allerdings doch arg aufgesetzt und unrealistisch.
Das Erste zeigt den «Tatort: Gefangen» am Sonntag, den 17. Mai 2020 um 20:15 Uhr.
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