Die Kino-Kritiker

«Mina und die Traumzauberer» - Animationsperle aus Dänemark

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Der dänische Animationsfilm «Mina und die Traumzauberer» erweist sich überraschend als qualitativ hochwertige Alternative zu Disney, Pixar und Co. und lässt klar Anleihen an den Familienfilmhit «Alles steht Kopf» wach werden.

«Mina und die Traumzauberer»

  • Start: 4. Juni 2020
  • Genre: Animationsfilm/Abenteuer
  • FSK: o.Al.
  • Laufzeit: 81 Min.
  • Musik: Kristian Eidnes Andersen
  • Buch: Søren Grinderslev Hansen
  • Regie: Kim Hagen Jensen
  • Deutsche Sprecher: Martin Reinl, Julia Beautx, Peter Rütten
  • OT: Drømmebyggerne (DK 2020)
Pixars «Alles steht Kopf» gehört unter den jüngeren Produktionen des Animationsstudios zu den beliebtesten und populärsten; Die weltweiten Besprechungen für das dreidimensionale Abenteuerdrama aus dem Inneren des menschlichen Gehirns fielen fast ausnahmslos hervorragend aus. Diesen modernen Klassiker des Familienkinos als Vergleich einem mit weitaus geringeren, finanziellen Mitteln entstandenen und noch nicht einmal von einem großen Major-Studio produzierten Animationsfilm gegenüberzustellen, wirkt da auf den ersten Blick unfair. Doch Kim Hagen Jensens CGI-Abenteuer «Mina und die Traumzauberer» kommt bei diesem Vergleich nicht allzu schlecht weg. Im Gegenteil: Der Langfilm-Debütant (arbeitete zuvor im Art Department an Produktionen wie «Asterix und die Wikinger» sowie «Die unglaubliche Geschichte von der Riesenbirne» mit) taucht mit seiner gerade einmal knapp 80-minütigen Story in einen in «Alles steht Kopf» nur kurz beleuchteten Aspekt der menschlichen Wahrnehmung ein und erzählt eine – im wahrsten Sinne des Wortes – zum Träumen einladende Geschichte darüber, wie das eigentlich so funktioniert, mit den Träumen und Albträumen.



Wie entstehen unsere Träume?


Minas Leben wird komplett auf den Kopf gestellt als Helena, die neue Verlobte ihres Vaters, und deren Tochter Jenny bei ihnen einziehen. Ihre neue Stiefschwester Jenny entpuppt sich als unausstehlich und bald ist Mina mit ihrer Geduld am Ende. Jenny muss verschwinden! Eines Nachts entdeckt Mina im Schlaf die Kulissen hinter ihren Träumen, in der Traumzauberer die Träume der Menschen auf Theaterbühnen zum Leben erwecken. Schnell findet sie heraus, wie sie Jennys Träume manipulieren kann. Was sie aber nicht weiß: Das Eingreifen in die Träume der Menschen hat schreckliche Folgen! Als Mina eines Nachts zu weit geht, bleibt Jenny in ihrem Traum gefangen und kann nicht mehr aufwachen. Mina muss ein letztes Mal in die Traumwelt zurück, um sich den Träumen zu stellen und Jenny zu retten.

In «Alles steht Kopf» kommt irgendwann der Moment, in dem Freude und Kummer die sogenannte Traumfabrik besuchen. Hier verarbeiten die in Form von Regisseuren und Drehbuchautoren auftretenden Traummännchen bereits gesammelte Eindrücke und kreieren daraus eigenständige Geschichten, die der Träumer anschließend im Schlaf durchlebt. Schauspielermännchen verkörpern die realen Vorbilder, ein sogenannter Realitätsfilter sorgt dafür, dass sie genau so aussehen, wie Menschen, mit denen es der Träumer zu tun hatte. In «Mina und die Traumzauberer» nun verhält es sich mit der Trauminszenierung ganz ähnlich. Auch hier gibt es Skripte, Akteure und einen Regisseur, der auf der sogenannten Traumbühne eines jeden Einzelnen jederzeit die Übersicht über das Ganze behält. Die gebrauchten und nicht mehr benötigten Erinnerungen landen am Ende sogar auf einer riesigen Müllkippe, von wo aus sie nicht wieder ins Bewusstsein zurückgelangen können – auch das kommt uns aus «Alles steht Kopf» nur zu gut bekannt vor.

Doch auch wenn es vielleicht im ersten Moment den Anschein macht, nur eine billige Kopie zu sein, geht Drehbuchautor Søren Grinderslev Hansen am Ende doch einen ganz eigenen, authentischen Weg: Die Hauptfigur Mina, ein jugendliches Mädchen aus schwierigem Elternhaus, blickt eines Nachts selbst (und aus Versehen) hinter die Kulissen der Traumfabrik, kommt hinter das Geheimnis der Traumentstehung und möchte ihre neu gewonnenen Erkenntnisse für sich nutzen, um mithilfe von Träumen auch ihr Leben im Wachzustand zu verbessern. Es reicht schon, dass sein Vater von Sardinen träumt und er am nächsten Tag Heißhunger auf die kleinen Fische bekommt – das muss sich doch auch für Größeres nutzen lassen.

Aus dem Inneren einer Patchworkfamilie


Mit ebendiesem „Größeren“ ist im Falle von «Mina und die Traumzauberer» eine Familienkonstellation gemeint, die insbesondere im Segment der Kinder-, Familien- und Animationsfilmunterhaltung nur selten vorkommt. Anstatt ein klassisches Vater-Mutter-Kind-Modell in den Fokus zu rücken, erzählen die Macher hier aus dem Inneren einer frisch zusammenwachsenden Patchworkfamilie aus Vater, Tochter, Stiefmutter und Stiefschwester. Zum Problem erklärt das Drehbuch diese Situation nicht automatisch. Protagonistin Mina kommt etwa mit ihrer Stiefmutter hervorragend zurecht und hat auch mit dem frühen Weggang ihrer leiblichen Mutter längst emotional abgeschlossen. Trotzdem widmet sich «Mina und die Traumzauberer» alltäglichen Problemen aus der Perspektive der jungen Hauptfiguren, die bei so einer Familienzusammenführung nun mal entstehen können. Insbesondere der Streit zwischen den beiden vollkommen gegensätzlichen Stiefschwestern dient der Geschichte als Triebfeder.

Es kommt zu großen (und nachvollziehbaren!) Streits, zu versuchten Versöhnungen und schließlich zu der schon für die Allerkleinsten tauglichen Message, dass man die Gegensätzlichkeiten des jeweils anderen akzeptieren muss, um ein friedliches Miteinander zu gewährleisten. Und auch wenn die vollpubertierende Jenny (sehr solide gesprochen von Influencerin Julia Beautx) hier und da ein wenig droht, zu einseitig in ein Schurkenterrain gedrängt zu werden, fügt sich am Ende alles in ein stimmiges Ganzes. Wenn zwei Familien aufeinandertreffen – insbesondere wenn zwei Teenager involviert sind – liegen schon mal die Nerven blank.

Produziert und finanziert wurde «Mina und die Traumzauberer» vollständig mit dänischen Mitteln. Hierzulande übernahm der mittelgroße Filmverleih Splendid den Vertriebsweg über die Kinos, in denen der Film bei Wiedereröffnung direkt zu sehen sein soll. Mit einem Big-Budget-Unternehmen wie Disney, Pixar, Dreamworks und Co. hat das natürlich – schon rein finanziell – nichts zu tun. Und doch braucht sich der Film auch visuell nicht vor der Konkurrenz zu verstecken. Die Verantwortlichen machen sich ihre Budgetgrenzen sogar zunutze: Anstatt die 80 Filmminuten mit Details und Überfluss zuzukleistern (und hier womöglich an die tricktechnischen Grenzen zu gelangen), besitzt «Mina und die Traumzauberer» ein sauber durchdachtes, schlichtes Konzept: Die Traumbühnen eines jeden Träumers erinnern an Theateraufbauten, mitsamt Kulissen aus Holz und Pappe. Verbunden werden sie alle von einem Netz aus Eisenbahnschienen, das es den sympathischen blauen Traummännchen ermöglicht, zwischen ihren zu beaufsichtigenden Träumern hin- und herzufahren.

Der Hintergrund ist dagegen ausschließlich dunkelblau. Die Szenen im Wachzustand strotzen derweil vor Farbvielfalt und besitzen darüber hinaus einen hohen Niedlichkeitsfaktor. Hervorgerufen ganz allein vom Hamster-Sidekick Viggo Mortensen, der sich alsbald als heimliches Highlight in einem nicht gerade highlightarmen Film erweist.

Fazit


Ein moderner und doch klassischer Abenteuerfilm über Träume und Familie – ganz ohne klassisches Familienmodell. Die heiße Disney- und Pixar-Konkurrenz im animierten Familienfilmsegment kommt eindeutig aus Dänemark!

«Mina und die Traumzauberer» soll mit der Wiedereröffnung der Kinos in Deutschland zu sehen sein.

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