Die Kritiker

«Tatort - Der letzte Schrey»

von

Lessing und Dorn ermitteln wieder. Diesmal im Fall einer vermeintlich missglückten Entführung - und in der Frage, ob sie für ihr Kind ein Au-Pair-Mädchen einstellen wollen.

Hinter den Kulissen

  • Regie: Mira Thiel
  • Drehbuch: Murmel Clausen
  • Cast: Christian Ulmen, Nora Tschirner, Thorsten Merten, Jörg Schüttauf, Sarah Victoria Frick, Christopher Vantis, Marion Bott
  • Produktion: Nanni Erben, Adrienne Fuhr
  • Kamera: Birgit Dierken
  • Musik: Dürbeck & Dohmen
  • Schnitt: Andreas Baltschun
Vor der Terrasse eines beliebten Ausflugslokals wird Marlies Schrey, die Gattin des Strickwaren-Herstellers Gerd Schrey (Jörg Schüttauf), bei helllichtem Tag umgebracht – und niemand hat etwas gesehen. Da Marlies gefesselt und geknebelt war, gehen Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) von einer missglückten Entführung aus. Die Vermutung bestätigt sich, als kurz darauf in der Villa Schrey eine Lösegeldforderung von über zwei Millionen Euro eingeht. Gerd wurde ebenfalls verschleppt, und so ist es an seinem Sohn Maik (Julius Nitschkoff), das Geld aufzutreiben. Die Schreys haben eine Kidnap- & Ransom-Policy abgeschlossen, die schon bald abläuft. Hat Gerd Schrey seine eigene Entführung inszeniert, um sein marodes Unternehmen zu retten? Auch der um die Gunst seines Vaters buhlende Maik gerät ins Visier der Ermittler, denn Marlies war seine Stiefmutter und das Verhältnis der beiden äußerst schwierig…

Seit Dezember 2013 ermitteln Nora Tschirner («KeinOhrHasen») und Christian Ulmen («Männerherzen») gemeinsam als Kira Dorn und Lessing zwischen ein- und zweimal im Jahr. Die Drehbücher der nunmehr zehn Episoden stammen dabei zum Großteil aus der Feder von Murmel Clausen, zumeist unterstützt von Autorenkollege Andreas Pflüger. Clausen arbeitete zuvor häufig mit Namen wie Matthias Schweighöfer zusammen. Aber auch Folgen der Sketchshows «Bullyparade» und «Ladykracher» stammen von ihm. Darüber hinaus arbeitete er mit Christian Ulmen bereits für die derbe Comedyserie «Jerks» zusammen, während zu seinen wohl größten Erfolgen die Arbeit am Skript zu Michael Bully Herbigs Megaerfolg «Der Schuh des Manitu» gehört.

All diese Projekte eint der Fokus auf den Humor. Und so war von Anfang an klar, dass die stets süffisant betitelten Fälle der später auch als (Eltern-)Paar auftretenden Lessing und Dorn eher zu den leichtgängigeren der Reihe zählen würden. Mittlerweile ist der «Tatort Weimar» zum bis dato vornehmlich für den Humorgehalt innerhalb der Krimireihe zuständigen «Tatort: Münster» aufgeschlossen. Auch wenn sich die Balance zwischen liebenswürdiger Pärchen-Kabbelei, schrulligen Figuren und ernsthaften Mordermittlungen auch im neuen «Tatort: Der letzte Schrey» noch immer nicht richtig eingependelt hat.

In kaum einem anderen «Tatort» spielt das Privatleben der Ermittler eine derart dominante Rolle wie in den Ausgaben aus Weimar. Das hat sich seit der Geburt von Lessings und Dorns gemeinsamen Kind noch einmal verstärkt. Und so kann selbst der ziemlich drastisch gezeigte Eröffnungsmord an einer reichen Unternehmerin nicht die notwendige Atmosphäre kreieren, wenn sich kurz nach der bestialischen Erschlagung mit einem Fleischerhammer (!) und dem dazugehörigen Todesschrei alles darum dreht, ob die jungen Eltern für ihr Kind nun dauerhaft ein Au-Pair-Mädchen engagieren, oder sich doch lieber alleine mit der Säuglingsbetreuung herumschlagen wollen. Dass die Figur des Kindermädchens Adrienne (Marion Bott), deren breiter französischer Akzent für einige vorhersehbare Sprachverwirrungen sorgt, dabei auch im weiteren Verlauf der Handlung eine so zentrale Rolle spielt, löst der «Tatort: Der letzte Schrey» letztlich zwar plausibel auf. Gleichzeitig wirkt die Begründung dafür aber auch arg konstruiert. Es ist nicht immer von Vorteil, wenn in einer Geschichte am Ende auch wirklich alle Wege zusammenführen…

Aus dem im Prolog ausgeübten Mord- wird im weiteren Filmverlauf derweil ein Entführungs- und Erpresserfall. In der «Tatort»-Historie ist der letzte davon übrigens noch gar nicht so lange her. Erst vergangene Woche forderte ein anonymer Scharfschütze einen mehrere Millionen hohen Geldbetrag, um fortan nicht weiter wahllos auf Passanten zu schießen. Im Vergleich zum «Tatort: Du allein» aus Stuttgart geht es in Weimar diesmal immerhin ein wenig rasanter zu. Die Kommissare folgen den Erpressern erst zu Land und schließlich in der Luft – eine mit sichtbarem Aufwand entstandene Szene, vor deren Kulisse eines Cockpits sich Entführer und Entführungsopfer einige hübsche Rededuelle liefern. Überhaupt überzeugen Newcomer Christopher Vantis («Herr und Frau Bulle» und Sarah Victoria Frick («100 Dinge») als skrupelloses Kidnapperduo, während Jörg Schüttauf («Werk ohne Autor») glaubhaft bemüht die Fassung zu wahren versucht.

Auf den bestialischen Mordfall zu Beginn und die abenteuerliche Verfolgung im Mittelteil folgt schließlich der Versuch einer schlüssigen Auflösung. Erzählerisch ist sie das sogar, wenngleich gewisse Verwicklungen selbst an «Tatort»-Verhältnissen gemessen reichlich abstrus, andere wiederum arg offensichtlich wirken. Gleichwohl geht es auch im «Tatort: Der letzte Schrey» am Ende wieder vornehmlich um die Interaktion zwischen Nora Tschirner und Christian Ulmen. Dass die Chemie zwischen den beiden stimmt, ist unbestreitbar. Dafür sorgen auch die einmal mehr die sich sehr authentisch um ausgewählte Mundart bemühenden Dialoge. Doch es ist natürlich immer streitbar, ob ausgerechnet in einem Krimi der Kriminalfall nur die zweite Geige spielen darf. Wir finden: Solange es nur ein- bis zweimal im Jahr passiert, ist dieser Umstand durchaus verschmerzbar.

Fazit


Ein solider Krimi aus Weimar mit einem einmal mehr hervorragend aufgelegten Ermittlerduo und einem qualitativ schwankenden Kriminalfall, der aber ohnehin nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Das Erste zeigt den «Tatort: Der letzte Schrey» am 1. Juni 2020 um 20:15 Uhr.

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