Die Kino-Kritiker

«Monos» - Zwischen Himmel und Hölle

von

Berauschende Bergpanoramen, eine Handvoll Halbstarker, eine Kuh und eine Geisel. Das sind obskur klingenden Zutaten, aus denen die kolumbianische Antwort auf «Herr der Fliegen» gemacht ist.

Filmfacts: «Monos»

  • VÖ: 4. Juni 2020
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 102 Min.
  • Genre: Drama/Abenteuer
  • Kamera: Jasper Wolf
  • Musik: Mica Levi
  • Drehbuch: Alejandro Landes, Alexis Dos Santos
  • Regie: Alejandro Landes
  • Darsteller: Sofia Buenaventura, Julián Giraldo, Karen Quintero, Laura Castrillón.Deiby Rueda
  • OT: Monos (COL/ARG//USA/CHE/DNK/FR 2019)
Der Vergleich mit Filmen wie «Herr der Fliegen» oder «Das Experiment» liegt natürlich nah: Was passiert, wenn man einer Gruppe von (jungen) Menschen die alleinige Macht über sich selbst überlässt? Auch ein Fünkchen «Lost» steckt darin: Die Zuschauer wissen nicht, was es mit dem Ort, an dem sich eine bunt zusammengewürfelte Menschengruppe befindet, auf sich hat. Und auch, ob sie jemals wieder von hier wegkommt. Und dann fallen einem auch Namen wie Werner Herzog oder Klaus Kinski ein. Dieser Wahnsinn, den der eine als Regisseur, der andere als Schauspieler vor sich her trägt respektive her getragen hat, der findet sich auch in der Geschichte und den Figuren von «Monos». Die visuelle Opulenz dagegen erinnert stark an die Filme eines Terrence Malick, die technische Perfektion könnte genauso gut dem Geiste eines Steven Spielberg oder James Cameron entstammen.

Man sieht: Es fallen einem viele Vergleiche ein, aber letztendlich ist «Monos – Zwischen Himmel und Hölle» doch etwas ganz Eigenes, Atemberaubendes.



Hoch über den Wolken


In einer abgelegenen Bergregion, irgendwo in Lateinamerika. Hier leben Patagrande (Moises Arias), Rambo (Sofia Buenaventura), Leidi (Karen Quintero), Sueca (Laura Castrillón), Pitufo (Deiby Rueda), Lobo (Julián Giraldo), Perro (Paul Cubides) und Bum Bum (Sneider Castro). Ihre Kampfnamen kommen nicht von ungefähr. Sie wissen nicht genau, was sie eigentlich machen sollen. Nur, dass Krieg herrscht. Und dass es jederzeit so weit sein kann, dass man ihre Kampffähigkeiten benötigt. Bis es soweit ist, bekommen die Jugendlichen Aufgaben einer Organisation, die ihnen regelmäßig ein Bote übermittelt. So sollen die Kids beispielsweise auf die Milchkuh Shakira aufpassen oder die Geisel Doctora (Julianne Nicholson) unter ihre Fittiche nehmen.

Doch als Shakira plötzlich das Opfer von Waffengewalt wird und die Zusammenführung eines Liebespaares misslingt, geraten die Ereignisse außer Kontrolle…

Zwischen Abenteuer und Gesellschaftsstudie


Ein Film mit einem Produktionsaufwand, wie es ihn heute kaum noch gibt. Gedreht an Originalschauplätzen, wo es für die im Kern sehr intime, kleine Geschichte eigentlich auch ein Studio täte. Doch der brasilianische Regisseur Alejandro Landes («Porfirio») will Authentizität. Und so entspinnt er hoch oben auf einem lateinamerikanischen Berggipfel ein auf seine wesentlichen Merkmale konzentriertes Schlachtengemälde. Die Bilder von Kameramann Jasper Wolf («Boy 7») sind betörend schön.

Das Spiel mit oben und unten, Himmel (Wolken) und Erde und schlussendlich ja irgendwie auch Himmel und Hölle suggeriert zu jedem Zeitpunkt, dass hier alles alles sein könnte. Sind die Jungs und Mädels nun gut oder böse? Wissen sie es selbst nicht? Woher auch, wenn es ihnen nie jemand gesagt hat. Und woher soll es dann der Zuschauer wissen?

Auch (erklärender) Dialog findet in «Monos» nur selten statt. Es ist eine wüste Ansammlung von Geschimpfe, Aufforderungen, Beleidigungen und ganz, ganz selten auch mal unbeholfener Zärtlichkeit, mit der sich die Teenager hier untereinander verständigen. Früher oder später kommt es immer zu körperlichen Auseinandersetzungen. Vielleicht, weil sie sich anders nicht ausdrücken können. Brutal ist «Monos» dagegen kaum. Das unterstreicht auch die Distanz zur Gewalt an sich; Wenn hier jemand brutal gegen einen Kameraden vorgeht, dabei aber selbst gar nicht weiß, dass die zivilisierte Gesellschaft so ein Verhalten für strafbar und asozial befinden würde, dann ist das in dieser kleinen Welt hier hoch über den Wolken vielleicht ja gar kein strafbarer Akt. Sondern ganz normal. «Monos» ist auch ein Spiel mit Regeln, mit Anarchie. Vielleicht müssen ja auch wir unsere Vorstellungen von einem zivilisierten Miteinander von Zeit zu Zeit mal überdenken, um zu erkennen, was wir daran haben.

Fazit


Alejandro Landes gelingt auf kleinem Raum das Zerrbild einer Gesellschaft ohne Regeln. Spannend, provokativ und betörend schön.

«Monos – Zwischen Himmel und Hölle» soll am 4. Juni in die deutschen Kinos kommen.

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