Serientäter

Gut wie sie ist: Warum «Defending Jacob» die TV-Serie 2020 werden könnte

von   |  8 Kommentare

Ein Teenager unter Mordverdacht – eine Familie an der Grenze. Ungewissheit. Über ein unterschätztes Projekt eines unterschätzten Anbieters.

Der Schuljunge Ben wird tot in einem Park aufgefunden. Erstochen. Drei Stiche. Schnell gibt es mehrere Tatverdächtige. Ein Perverser, der früh in der Serie zu sehen ist, weil er ein Foto einsteckt. Und auch Jacob gerät ins Visier der Ermittler. Jaeden Martell, den man schon aus «Es Kapitel 2» kennt oder noch früher aus Showtimes «Masters of Sex» brilliert in der Rolle dieses verschlossenen Jungen, dem der Zuschauer von Episode zu Episode mehr zutraut, seinen Mitschüler, der ihn über Monate hinweg mobbte, wirklich abgestochen zu haben. Hat er es? Oder war doch alles ganz anders?

Mit geschickten Wendungen führen die Macher der Serie die Zuschauer bis in den Prozess gegen Jacob. Im Fokus steht dabei eigentlich Bezirksstaatsanwalt Andy Barber, für den AppleTV+ niemand geringeren als Top-Schauspieler Chris Evans gewinnen konnte. Nun mag der «Captain Marvel»-Star für diese Rolle tendenziell etwas zu jung sein, aber das kann man verschmerzen. Evans nämlich sieht sich schon bald mehreren Feinden gegenüber. Dem jetzigen Staatsanwalt, seinem eigenen Vater, der selbst wegen Mordes verurteilt im Gefängnis sitzt und von dort die Fäden zieht, eventuell sogar seinem eigenen, sehr verschwiegenen Sohn sowie der Öffentlichkeit und natürlich dem Gericht.

Was macht das mit einer Familie, wenn der eigene Sohn möglicherweise ein Mörder ist. Wenn man als Vater das sogenannte „Mördergen“ eventuell weitergegeben hat? Von Folge zu Folge wird die Serie mehr zu einer Charakterstudie, sie schaut genau hin, sie geht tief in die Psyche. Nicht zuletzt auch dank Cherry Jones, die in den Jahren zuvor schon in Amazons «Transparent» überzeugte und in «Defending Jacob» als Anwältin von Jacob und dessen Familie auftritt.


Ob Jacob nun der Mörder des jungen Ben ist, erfahren die Zuschauer nicht. Ganz bewusst haben sich die Macher dagegen entschieden, wirklich aufzuklären, was am Tatmorgen wirklich passierte. Klar ist nur: Die Version, auf Grund derer das Gericht Jacob freisprach, ist falsch. Der Mann, der sich per Abschiedsbrief schuldig bekannte, wurde unter Waffengewalt genau dazu gezwungen und später umgebracht. So sauber, so perfekt, dass niemand die Geschichte des Selbstmordes anzweifelte. Bis auf Andy, der die Verbindung zu seinem Vater und dessen Handlanger herstellt. Die TV-Serie übrigens lässt das Ende der Serie noch mehr offen als das zu Grunde liegende Buch. Denn wirkliche Zweifel an Jacobs Unschuld und die zunehmende psychische Zermürbung werden vor allem bei einem Weihnachtsurlaub in Mexiko deutlich, als das Mädchen, mit dem Jacob aus war, verschwindet und erst nach Tagen wieder auftaucht. Deren Freund hätte sie festgehalten, heißt es in der TV-Serie. In der Buchvorlage aber stirbt dieses Mädchen – und wieder weiß keiner, wer der Mörder ist.

Doch das tote Mädchen brauchte die Serie gar nicht, um letztlich zum Gänsehaut-Moment dieser Staffel zu kommen – zu einem schlimmen Entschluss von Mutter Laurie und somit zu einer weiteren Herausforderung von Evans‘ Charakter Andy, der in Folge wieder alles weglächeln, hinbiegen und deichseln muss, dass das Familienleben irgendwie aufrecht zu erhalten ist. Der Mensch ist leidensfähig und tut viel, um die Fassade aufrecht zu erhalten – das zeigt das Verhalten des einstigen Bezirksstaatsanwalts sehr deutlich.

Von Episode zu Episode gewinnt die Serie nicht nur Spannung, sondern auch an Tiefe und Atmosphäre. Ebenso wie die Familie Barber wird auch der Zuschauer in den Strudel der Ereignisse und in diese amerikanische Kleinstadt hineingezogen. So intensiv war amerikanisches Serienfernsehen schon lange nicht mehr. «Defending Jacob» hat fast alles, um Ende 2020 als die Serie zu gelten. Nur hat das Format vermutlich zu wenig Aufmerksamkeit, denn AppleTV+ ist in den Köpfen der Menschen rund um den Globus noch lange nicht da angekommen, wo Netflix, Prime, Disney+ und Co. bereits sind. Immerhin: Der Apfel-Konzern teilte mit, die Miniserie sei das zweitstärkste Format – direkt nach «The Morning Show». Ein verdienter Erfolg, wenngleich unklar ist, auf welchem Zahlen-Niveau.

Wenn es nur danach geht, Serienqualität zu liefern, dann ist AppleTV+ auf bestem Wege. «Defending Jacob» hat bei imdb eine Bewertung von über acht (von 10) und bei Rottentomatoes sogar einen Audience-Score von mehr als 90 Prozent. Diese Werte erreichen nur außergewöhnliche Produktionen.

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Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
Kingsdale
09.06.2020 09:43 Uhr 1
Ganz und gar nicht. Die Serie überläuft mit Klischees und ist streckenweise rotten Langweilig. Das Ende stellt einen sowieso nicht zufrieden. Eine viel zu überschätze Serie die man schon als Zeitverschwendung bezeichnen kann. Sie als "Serie des Jahres" zu betiteln ist Lächerlich.
Sentinel2003
09.06.2020 12:55 Uhr 2
Man wie ich das fast schon hasse, wenn eine bekannter Schauspieler wie Pablo Schreiber auf einmal eine völlig andere Synchron Stimme hat!
Samlux
09.06.2020 15:06 Uhr 3
@Sentinel2003, ein weiterer Grund warum ich immer nur OT schaue, in der Regel sind alle Synchros schlecht
Fabian
09.06.2020 15:35 Uhr 4
Also das Pauschal-Argument, dass alle Synchros schlecht sind, kann ich nicht unterstützten.
Kingsdale
09.06.2020 19:22 Uhr 5
Da hat Samlux wirklich ein ziemlich eingeschränktes denken. Das stimmt so garnicht und wie will man es wissen, wenn er nur OT schaut!
Wolfsgesicht
09.06.2020 19:49 Uhr 6
Könnt ihr nicht den deutschen Titel nehmen? Da hat’s erst das Titelbild gebraucht um zu wissen welche Serie Gemeint ist.
Neo
09.06.2020 20:09 Uhr 7
Würde da mal The Plot against America einwerfen. Verstehe auch gar nicht, weshalb das auf QM bisher noch keine Erwähnung fand (oder hab ichs nicht mitbekommen?).
Sentinel2003
09.06.2020 21:01 Uhr 8
Jepp, da muß ich @Fabian zustimmen!! Nur, weil ein Darsteller nicht seinen Stamm Sprecher hat, müßen doch nicht ALLE Synchro's total scheiße sein!!



DAS mit einem extra deutschen Titel verstehe ich auch echt null!
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