Mit «Cash Day» probierte der Münchner Sender ProSieben in der zurückliegenden Woche am Vorabend eine neue Programmfarbe. Eigenproduziertes statt Trickware aus Amerika. Der Umstand, dass ein Sturm der Entrüstung seitens der «Simpsons»-Fans ausblieb, spricht Bände. Das war früher schon mal anders. 2017 unternahm ProSieben den Versuch, die tägliche Dosis an Geschichten aus Springfield zu reduzieren, ersetzte eine «Simpsons»-Folge durch «The Big Bang Theory». Doch Sheldon und Co. bekamen den Zorn der eingefleischten Springfield-Fans zu spüren – und wichen nach kurzer Zeit wieder.
Schon 2006 erlebte eine ProSieben-Eigenproduktion ein ähnliches Phönomen. Die Telenovela «Lotta in love» aus dem Hause Rat Pack ist aber ein ganz eigenes Phänomen. Sie entstand in einer Zeit, in der das Genre Telenovela das heiße Eisen im Feuer war. Einige Jahre zuvor hatte das ZDF mit «Wege zum Glück» das erste Format dieser Coleur auf den Markt gebracht, fast zeitgleich begann der Sat.1-Vorabend-Siegeszug mit «Verliebt in Berlin». RTL konzipierte «Alles was zählt» damals als Telenovela, erst kurz vor dem Sendestart schwenkte man konzeptuell um und bugsierte die Eislauf-Serie in Richtung Daily Soap. ProSieben derweil bereitete eine ganz junge Version einer Liebesgeschichte vor. Doch die Produktion hatte schon, ehe die erste Folge über die Bildschirme flimmerte, erste Stolpersteine zu nehmen. So wurde die letztliche Hauptfigur Lotta erst kurz vor knapp mit Janin Reinhardt besetzt. Der Sender hoffte, ihre Bekanntheit würde helfen, die Serie zum Erfolg zu machen. Eigentlich wollte man zunächst eine eher unbekannte Sängerin besetzen.
Was kam dabei heraus? In der ersten Woche schafften es die Episoden nur auf rund 800.000 Zuschauer, schon am Ende des ersten Ausstrahlungsmonats waren die Reichweiten auf unter 500.000 gefallen. «Verbotene Liebe», die zeitgleich gesendete Daily im Ersten, zeigte sich derweil von der jungen, frischen Konkurrenz bei ProSieben vollkommen unbeeindruckt – die Produktion aus dem Hause Grundy UFA (heute UFA Serial Drama) landete weiterhin stabil bei 15 Prozent Marktanteil insgesamt oder sogar mehr.
Was dann passierte, darf als typische Panikreaktion bei Dailys bezeichnet werden. Im ersten Schritt sollten nicht zur Handlung passende Promi-Auftritte (etwa Bruce Darnell) helfen – freilich aber erwiesen sich diese Maßnahmen also nur kurzfristig Aufschwung bringend. Man legte schnell Hand an die generelle Ausrichtung der Serie, veränderte den Charakter von Hauptfigur Lotta. Diese sollte so schnell wie möglich frecher und selbstbewusster werden. Auch die Einführung neuer Figuren, die ursprünglich nie geplant waren und somit in die Handlung irgendwie integriert wurden musste, half nicht. 70 Episoden wurden nie gedreht, nach 130 Episoden wurde ein Serienfinale zusammengeschustert, das aber gar nicht mehr am Vorabend, sondern im Wochendprogramm zu sehen war.
Der kostspielige Misserfolg ebnete letztlich den Weg für eine echte Erfolgsgeschichte: Fast 15 Jahre lang behaupteten sich «Die Simpsons» mit ihrem Vorabend-Doppelpack. In diesem Zeitraum liefen mindestens 7000 Episoden. Die Serie, die inzwischen auf etwas mehr als 680 Folgen kommt, ist also ein echter Dauerbrenner. Angesichts der ordentlichen «Cash Day»-Quoten aber könnte es sein, dass ProSieben 2020 nun das gelingt, was in den letzten eineinhalb Jahrzehnten nicht möglich war: Abwechslung in der 18-Uhr-Stunde am Werktag.
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