Filmfacts «Da 5 Bloods»
- Regie: Spike Lee
- Drehbuch: Danny Bilson, Paul De Meo, Spike Lee, Kevin Willmott
- Cast: Delroy Lindo, Jonathan Majors, Clarke Peters, Norm Lewis, Isiah Whitlock Jr., Mélanie Thierry, Paul Walter Hauser, Jasper Pääkkönen, Jean Reno, Chadwick Boseman
- Produktion: Jon Kilik, Spike Lee, Beatriz Levin, Lloyd Levin
- Musik: Terence Blanchard
- Kamera: Newton Thomas Sigel
- Schnitt: Adam Gough
- Laufzeit: 154 Minuten
Lees neuster Film wurde anfänglich als Oliver-Stone-Regiearbeit entwickelt – also als Projekt eines anderen, stark politisierten und aus voller Überzeugung wenig subtilen Regisseurs. Konsequenterweise spielt auch eines von Stones Lieblingsthemen eine Rolle in «Da 5 Bloods» – der Vietnamkrieg …
Vietnam im Jahr 2020: Die vier afroamerikanischen Veteranen Paul (Delroy Lindo), Otis (Clarke Peters), Eddie (Norm Lewis) und Melvin (Isiah Whitlock, Jr.) sind von ihrer Zeit im Vietnamkrieg traumatisiert. Und doch kehren sie zurück. Um gemeinsam zu feiern. Um sich wieder stärker zu verbrüdern. Und um einem Schatz nachzustellen, den sie und ihr gefallener Anführer 'Stormin' Norman' (Chadwick Boseman) gefunden und verloren haben, als sie im Dienst waren. Doch dabei haben sie nicht die Rechnung mit Pauls besorgtem Sohn (Jonathan Majors) gemacht. Oder mit den gefährlichen Überresten, die der Vietnamkrieg hinterlassen hat – in der Natur Vietnams, in den Seelen der Bevölkerung und in ihnen selbst …
Wie schon in «BlacKkKlansman» lockert Spike Lee auch hier seine dramatische, hochpolitische und spannende Geschichte mit vereinzelten, gewitzten Spielereien auf. So eröffnet «Da 5 Bloods» mit einer Montage historischer Zeitdokumente, bei denen stets Schauplatz und Datum des Ereignisses eingeblendet werden. Und als Schauplatz einer Mond-Aufnahme wird "Da Moon" notiert. Wenige Minuten später veralbern Otis, Eddie und Melvin ihren Trump unterstützenden Kumpel und mutmaßen, er sei der eine Schwarze, der mit seinem heiteren Auftreten bei einer Trump-Wahlveranstaltung viral gegangen ist. Es folgt: Ein (gewitzt-verfremdeter) Ausschnitt der im Filmdialog veralberten, realen Szene.
Solche verspielten Einfälle kommen mit weiterem Verlauf des Films zwar immer sporadischer, dennoch sind sie prägnant genug eingesetzt, dass Lee einem völligen Verhärten des Films vorbeugt und so (hoffentlich) die Aufmerksamkeit seines Publikums aufrecht erhält. Denn der (gerade in der Mitte durchaus leicht mäandernde) Film hat viel und wichtiges zu sagen:
Durch den Film ziehen sich Zorn, Unverständnis, Ratlosigkeit und das Gefühl des Verlorenseins: Die vier noch lebenden Freunde (und auch ihr in den Vietnam-Rückblenden präsenter Freund, den «Black Panther»-Mime Chadwick Boseman mit gebieterischer Eleganz gibt) sind von Generationen an Ungerechtigkeit geprägt. Schwarze bauten Amerika mit ihrem Blut und Schweiß auf, wurden in sämtliche Kriege der USA gezogen – und niemals hat ihr Land es ihnen gedankt. Schlimmer noch, es trampelte weiter auf ihnen herum. Nun, Jahrzehnte nach ihrem Dienst in Vietnam, sind die Freunde nicht mehr dieselben – vor allem Paul hat sich völlig verwandelt. Seine Trump-Anhängerschaft bringt ihm Wut und Häme seiner Freunde ein – und auch, wenn Spike Lee es unmissverständlich klar macht, dass es unmöglich mit einem gute Gewissen zu vereinen ist, den Betrüger, Immobilienhai und Hetzer im Weißen Haus zu unterstützen, stempelt Lee Paul nicht einfach als Schurken ab.
In packend geschriebenen Dialogen und einer komplexen, nuancierten Darbietung durch Delroy Lindo sucht Lee nach den Antworten, wie es passieren kann, dass sich jemand wie Paul in die rechte Ecke locken lässt. Außerdem klärt Lee in flammenden Wortwechseln über politische und popkulturelle Ungerechtigkeiten auf, die spürbar und völlig verständlich an ihm nagen – und die seine Figuren betreffen. Schnell wird aus der Schatzsuche in «Da 5 Bloods» eine Identitätssuche, eine Suche nach Reparation – und ein komplizierter Konflikt zwischen den Protagonisten und ihren unterschiedlichen Lösungsansätzen.
Die Figuren, die sich so gerne verbrüdern würden, aber doch auseinandergerissen werden, sind so packend geschrieben, und ihr Mit- und Gegeneinander so aufreibend umgesetzt, dass es Mélanie Thierry als französische NGO-Minenräumerin, Jean Reno als Geldwäscher und die weiteren weißen Nebenfiguren kaum gebraucht hätte – und definitiv nicht so viele Szenen über sie. Essentieller sind da die Szenen über die Kriegsschmerzen, die Vietnam noch immer zu spüren bekommt, sowie ein Gänsehaut-Dialog darüber, wie weiße Soldaten Vietnamesen rassistische Beschimpfungen gegen Schwarze beigebracht haben.
In gewisser Weise ist «Da 5 Bloods» Spike Lees mit scharfen Spitzen gegen die heutige US-Tagespolitik versehene Antwort auf das zermürbende Drama «Dead Presidents», das die Hughes-Brüder 1995 über schwarze Vietnamsoldaten erzählten. Wie es sich für Lee gehört, hat sein Film eine soghaftere Bildsprache und einen eindringlicheren Soundtrack (Terence Blanchard setzt praktisch seinen «BlacKkKlansman»-Score fort) sowie expliziter die Themen hervorkehrende Dialoge.
Anders als in «BlacKkKlansman» verliert Lee hier aber gelegentlich den erzählerischen Fade, und anders als in «Dead Presidents» verkommt hier der Vietnamkrieg trotz längerer An-der-Front-Actionszenen gelegentlich zur Kulisse der Erzählung. Dessen ungeachtet ist «Da 5 Bloods» ein imposantes Werk – Spike Lees kreativer Lauf hält an, und wie es scheint, schauen derzeit mehr Menschen zu als noch in der Zeit vor Trump. Bitter. Aber wenigstens wird Lee beachtet.
«Da 5 Bloods» ist auf Netflix abrufbar.
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