Cast & Crew
- Darsteller: Bastian Pastewka, Fabian Busch, Hans Löw, Pegah Ferydoni, Alessija Lause u.a.
- Schnitt: Eva Lopez Echegoyen
- Musik: Warner Poland, Kai-Uwe Kohlschmidt, Wolfgang Glum
- Kamera: Florian Foest
- Buch: Marc Terjung
- Regie: Eoin Moore
Ein vergessenes Meisterstückchen
In «American Beauty» war es 1999 der damals 40-jährige Kevin Spacey, der in der Rolle des Lester Burnham seinen gut bezahlten, aber verhassten Job aufgibt, sich einen Pontiac Firebird kauft und einer jungen Frau den Hof macht, die seine Tochter sein könnte. Dramatisch ist die Geschichte, die den Zuschauer bereits im Prolog des Filmes darüber aufklärt, dass Lester in etwa einem Jahr nicht mehr leben wird. In der Regel aber geht es dann doch eher komödiantisch zu, wenn Männer in die Midlife Crisis stolpern. Wie in der Komödie «Swimming With Men» über einen Herrn der Schöpfung, der seinen Lebenssinn beim Synchronschwimmen mit anderen Männern wiederentdeckt. Urmännlich hingegen will eine Gruppe von Großstadtmännern in «City Slickers» beweisen, noch jung und feurig zu sein – indem sie auf Pferde steigen und als Cowboys eine Viehherde durch die Prärie treiben. 1991 entstanden, ist die großartige Komödie von Ron Underwood leider ein wenig in Vergessenheit geraten und harrt ihrer unbedingt notwendigen Wiederentdeckung.
Und nun sind dort also Alexander (Bastian Pastewka), Ole (Fabian Busch) und Paul (Hans Löw) auf der Suche nach vergangenen Zeiten. Irgendwann nach dem Abi, da gab es also dieses Konzert von Madness, das sie unbedingt besuchen wollten. Doch dieser Sommer nach dem Abitur – in dem war einfach der Wurm drin. Paul kam etwas dazwischen, Alexander nahm daraufhin kurzfristig ein Praktikum in der Apotheke seines Onkels auf und dann verlor man sich aus den Augen. Bis Paul seine beiden alten Schulfreunde angerufen und zu diesem Trip eingeladen hat. Wenn der Sommer damals schon irgendwie vermurkst war: Jetzt haben sie die Möglichkeit, das Verpasste nachzuholen.
Das Problem: Sie sind älter geworden. Vor allem an Alexander macht sich dies bemerkbar. Der hat Pharmazie studiert und arbeitet als Lobbyist für die Pharmaindustrie. Strebsam ist er seinen Weg gegangen, und irgendwann ist er eben auch – erwachsen geworden. Oder uncool – im Gegensatz zu Paul, der immer noch ein Frauentyp ist, der sein Leben lebt, dessen oft infantiles Verhalten tatsächlich (zumindest auf den ersten Blick) cool wirkt, weil er einfach ein Typ ist, der das Leben von der Sonnenseite aus betrachtet. Irgendwo zwischen den beiden steht Ole. Der eher zufällig seinen Weg gefunden hat. Als Lohnschreiberling hat er sich durchgeschlagen - und dann einen bizarren Ratgeber über Buddha und den Finanzmarkt geschrieben, eine Auftragsarbeit, die aus Gründen, die er selbst nicht ganz erklären kann, zum Bestseller avancierte und ihm zu einem gewissen Wohlstand verholfen hat. Den man ihm jedoch nicht ansieht, denn Ole ist ein bescheidener, zurückhaltender Typ. Der nur dann leichte Aggressionen bekommt, wenn man ihm erklären will, was in den 80ern gute Musik gewesen ist und was nicht.
Die erste Station ihres Trips führt sie in einen kleinen Supermarkt, den sie schon in jungen Jahren des Öfteren frequentiert haben (und der Charly Hübner in der Rolle eines sexistischen Geschäftsführers zu einem amüsanten Gastauftritt verhilft). Wie damals geht es den dreien Herren vor allem darum, sich mit Alkohol einzudecken. Doch schon die erste Station macht deutlich: Sie sind keine Abiturienten mehr. So wirkt Pauls Drang, alle Chips-Tüten und Schnapsflaschen Alexander cool zuwerfen zu müssen, aufgesetzt. Und aufgesetzt ist dann leider doch das Gegenteil von cool. Gleichzeitig entpuppt sich Alexander als eine Art „Grundnörgler“. Irgendwie ist ihm Pauls Verhalten „zu doof“. Aber seine nörgelige Art wirkt auch nicht sympathischer. Allein Ole findet eine Mitte.
So wird eigentlich schon auf dieser ersten Etappe klar, dass Ole der einzige von den Dreien ist, der jene Reife mitbringt, die man als Herr im fortgeschrittenen Alter vielleicht braucht, um einen Trip wie diesen wirklich genießen zu können. Er weiß, dass es nur ein Ausflug ist. Ein kurzes Aufblitzen einer vergangenen Jugend. Ihm ist bewusst, dass dieser Moment nicht von Dauer sein kann, doch diesen Moment - will er genießen. Von einer Midlife Crisis ist er weit entfernt, denn er ist der Typ, der reflektiert. Schnell wird jedoch auch klar, dass sich Paul und Alexander mitten in der Krise befinden. Wenn auch, wie sich im Laufe der Handlung zeigen wird, aus höchst unterschiedlichen Gründen.
Das große Scheitern
«Der Sommer nach dem Abitur» ist nicht die erste Kooperation von Hauptdarsteller Bastian Pastewka, Autor Marc Terjung («Edel & Starck») und Produzentin Tanja Ziegler. 2012 wagten sich die drei an «Mutter muss weg», der Geschichte eines Muttersöhnchens, das die eigene Mutter aus dem Weg räumen will und dafür einen Killer engagiert – wobei jedoch so ziemlich alles schief geht, was schiefgehen kann. Für ZDF-Verhältnisse war der Film durchaus krass, denn irgendwann stellt sich beim Betrachter das Gefühl ein: Diese alles bestimmende Mutter hat es verdient! Zwar fehlt der Story zum Showdown hin der Mut, die Mordphantasie bis zum bitteren Ende durch zu ziehen und endet irgendwie versöhnlich, aber zwischendurch macht die Geschichte keine Gefangenen. Als schwarze Komödie erzählt «Mutter muss weg» eine Geschichte ohne Umwege. Die Mutter muss weg und alles ist diesem einen Ziel unterworfen.
- © ZDF/Florian Foest
Ole (Fabian Busch), Alexander (Bastian Pastewka) und Paul (Hans Löw) stehen mit Geschenken bepackt auf einem Gehweg einer Wohnsiedlung.
«Der Sommer nach dem Abitur» entschließt sich, einem weniger geradlinigen Weg zu folgen und begibt sich stattdessen in das Terrain des Roadmovies, in dem der Weg das eigentliche Ziel der Geschichte darstellt. Da halten die drei Spätpubertäre an einem Country-Club an, in dem Paul zufällig eine Sängerin kennt, die offenbar ein Auge auf Ole wirft, man streitet sich zwischendurch mit in die Jahre gekommenen Motorradrockern und Alexander offenbart ein kleines Pillenproblem. Das sind allesamt kleine Episoden, die sich auf dem Weg nach und nach ergeben und an sich den Figuren Komplexität verleihen. All das ist also gar nicht zu bemängeln. Das ist teils amüsant, manchmal melancholisch. Doch dann ist da die Geschichte mit Pauls Sohn. Einem Sohn, den er noch nie gesehen hat und den er endlich einmal besuchen möchte.
Nun macht dieser Abstecher auf solch einem Roadtrip durchaus Sinn. Paul hat Schiss vor der Begegnung, weil er sich vor der Verantwortung gedrückt hat. Also braucht er moralische Unterstützung. Wer wäre da geeigneter als seine beiden Schulfreunde? Vor allem, da diese Begegnung auch mit dem besagten Sommer vor Jahren in Verbindung steht, womit dieser Umweg in die Story eingebunden wäre. Leider jedoch – und an dieser Stelle crasht der gesamte Film - offenbart sich Paul im Zusammentreffen mit seinem (behinderten) Sohn als ein ziemlich unleidlicher Charakter, der nicht einmal davor zurückschreckt, seinen eigenen Sohn – den er noch nie gesehen hat – zu hintergehen. Wie und warum, das zu verraten wäre ein Spoiler, der die gesamte Auflösung der Geschichte vorwegnähme. Aber auch ohne weiter in die Details zu gehen: Dies ist der Moment, in dem es schlicht nicht mehr möglich ist, so etwas wie eine positive Beziehung zu dieser Figur aufzubauen. Wo Ole als Sympathieträger fungiert und Alexander als der Typus von Charakter, von dem man ahnt, dass er wohl auf diesem Trip irgendwie zu sich finden wird, entpuppt sich Paul als durch und durch liederlich. Es gibt keine Entschuldigung für das, was er in dieser Situation macht. Ganz einfach.
Und das bricht den Film.
Im falschen Genre
Natürlich ist es nicht ohne Reiz eine Figur derart zu brechen - wie dies mit Paul geschieht. Manchmal braucht es den Bruch, um eine Seele heilen und einen Charakter neu formen zu können. Aber die Liederlichkeit, die er seinem Sohn zukommen lässt, einem inzwischen erwachsenen Mann im Körper eines kleinen Jungen: Das gelingt es dem Drehbuch nicht mehr zu kitten. Zumindest nicht in diesem Film, der eben kein großes Drama sein will, sondern eine Komödie über Männer in der Midlife Crisis.
Es ist eine Sache, erwachsene Männer dumme Sachen machen zu lassen. «Hangover» hat dies 2009 bis zum Exzess durchgespielt. Doch egal, was die vier Protagonisten dieses Trips durch Las Vegas seinerzeit auch angestellt haben mögen, die Sympathien blieben stets auf ihrer Seite. Und das - ist die andere Sache: Paul handelt nicht dumm. Paul handelt wie ein Maximalarschloch. Sicher, sein Tun bleibt nicht ohne Bestrafung, sein Handeln wird Konsequenzen nach sich ziehen. Aber irgendwie fallen diese dann doch viel zu komödiantisch (nett) aus. In seinem Herzen will «Der Sommer nach dem Abitur» eben „nur“ eine Komödie sein. Und in seinen besten Momenten ist «Der Sommer nach dem Abitur» genau das. Eine lockere Komödie über drei in die Jahre gekommene Herren auf einer Reise in die Vergangenheit – um sich in der Gegenwart ein bisschen neu definieren zu können. Aber dieser Bruch, Pauls über alles schäbige Verhalten – lässt den gesamten Film am Ende eine Bruchlandung begehen. Konsequenzen hin, Bestrafung her. Es gibt Grenzen, die man eine Figur in einem Film dieser Art nicht überschreiten lässt. Wenn nämlich in einer Komödie der Wunsch irgendwann so groß wird, diesen Charakter im alten Golf durch die Windschutzscheibe fliegen zu sehen: Ist irgendetwas auf dem Weg zum Ziel ganz gewaltig daneben gegangen.
Das ZDF zeigt «Der Sommer nach dem Abitur» am Donnerstag, 25. Juni 2020, um 20.15 Uhr.
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