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Sandra Maischberger: ,Der Austausch von Meinungen folgt eben keinem Drehbuch'

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Seit über 15 Jahren talkt Sandra Maischberger im Ersten und gehört damit zu den alten Hasen. Wir haben mit der Journalistin über ihr Konzept bei «maischberger. Die Woche», die Corona-Krise und lange Einzel-Interviews gesprochen...

Zur Person: Sandra Maischberger

Sandra Maischberger wurde 1966 in München geboren und absolvierte nach ihrem Abitur die dortige Deutsche Journalistenschule. Ihre televisionären Anfänge machte sie 1989 mit der Jugendsendung «Live aus dem Schlachthof» im Bayerisches Fernsehen , 1991 war sie bei «Talk im Turm» bei Sat.1 zu sehen. In den Jahren danach folgten Formate bei RTL, ntv und VOX. Im Ersten talkt Maischberger seit dem Jahr 2003, ihr aktuelles Format trägt den Titel «maischberger. Die Woche» und läuft mittwochs. Die Jury des Hanns-Joachim-Friedrichs-Preises hob einmal Maischbergers Fähigkeit hervor, "die Persönlichkeit der Interviewten ohne Indiskretion und Tabubrüche darzustellen."
Quelle: Das Erste
Im televisionären Talkshow-Genre gehört Sandra Maischberger zu den dienstältesten Vertreterinnen des Landes. Seit mehr als 25 Jahren führt die Journalistin Fernseh-Interviews, seit allein 17 Jahren ist sie mit einer eigenen Talkshow im Ersten auf Sendung. Ihr Format, das einst «Menschen bei Maischberger» hieß, läuft inzwischen unter dem Titel «maischberger.Die Woche» und einem abgeänderten Konzept. Ob sie experimentierfreudiger sei als andere Talkshow-Kolleginnen und -Kollegen in der ARD? Maischberger muss schmunzeln. „Vielleicht liegt es einfach daran, dass wir im Ersten schon verhältnismäßig lange auf Sendung sind. Noch früher als wir hat eigentlich nur Maybrit Illner beim ZDF angefangen“, erklärt Maischberger im Gespräch mit Quotenmeter.de.

Verändert hat sich neben Sendungstitel und Konzept auch die Diskussionskultur in Deutschland, was Sandra Maischberger unter anderem mit dem Aufkommen sozialer Netzwerke erklärt. „Die Wellen der Entrüstung, bei denen es zu Twitter schnell kommen kann, führen dazu, dass manch ein Gast vorsichtiger geworden ist, wenn er sich öffentlich äußert“, resümiert die 53-Jährige.

Wie es sich anfühlt, im Mittelpunkt eines solchen Twitter-Shitstorms zu stehen, hat Maischberger erst kürzlich erlebt. Im Vorfeld ihrer letzten Sendung vor der Sommerpause Anfang Juni, die sich auch mit der Tötung George Floyds durch einen US-Polizisten beschäftigte, kam Kritik auf, weil zunächst fälschlicherweise nur weiße Gäste zum Thema Rassismus angekündigt wurden. Dabei habe man zu diesem Zeitpunkt bereits versucht, einen afro-amerikanischen Gast aus den USA für die Sendung zu gewinnen - hatte dies aber nicht kommuniziert. „Früher hat man sich eine Sendung angeschaut und Kritik geübt, wenn sie stattgefunden hat. Heutzutage erleben wir immer häufiger, dass schon die Gästeliste im Vorfeld kritisiert wird“, sagt sie.

Obwohl die Kritik an Talkshows häufig groß sei, würden Talkshow-Rezensionen am Morgen danach gerne und häufig gelesen werden. „An einer Talkshow lässt sich auch im Nachhinein immer viel kritisieren, weil die Diskussion vorher nicht geübt wird. Ein Magazin-Beitrag wird präzise vorbereitet und editiert, während der Faktor Spontanität in einer Talk-Sendung sehr viel höher ist. Der Austausch von Meinungen in freier Rede folgt eben keinem Drehbuch und ist damit schwer voraussehbar“, erklärt Maischberger, die sich selbst eher als Interviewerin und weniger als Talkerin bezeichnen würde.

Mit der Quotenentwicklung der vergangenen Monate ist Sandra Maischberger unterdessen „nicht unzufrieden“. Tatsächlich lief es für ihre Sendung mit Marktanteilen von mehr als elf Prozent zwischen Februar und April zwischenzeitlich so stark wie seit über zwei Jahren nicht mehr, im Schnitt verfolgten ihr Format seit letztem Oktober durchschnittlich 1,4 Millionen Menschen. „Wir können uns nicht mit Anne Will vergleichen, die mit dem «Tatort» im Vorfeld ganz andere Voraussetzungen hat oder mit «hart aber fair», deren Sendeplatz nicht so häufig einer Verschiebung unterliegt“, erklärt Maischberger im Gespräch mit unserer Redaktion. Hinzu komme die Talk-Konkurrenz durch Markus Lanz im ZDF, der es zu später Stunde mit einer bunteren Gästezusammenstellung beim Publikum leichter habe.

Die vielfach geäußerte Kritik, dass Gäste in Talkshows zu wenig Zeit bekämen, um ihre Argumentationsstränge zu erklären und zu entwickeln, kann Maischberger nachvollziehen. „Aber mit unserem Konzept von «maischberger. Die Woche» versuchen wir gerade auch darauf zu reagieren“, erklärt Maischberger. Konkret verweist die gebürtige Münchenerin auf lange Einzelgespräche, zu denen sie im Rahmen von «maischberger. Die Woche» Möglichkeit habe. Beispielsweise führte die Journalistin Mitte Mai ein knapp 30-minütiges Interview mit Bundesinnenminister Horst Seehofer; Anfang Juni folgte ein gut 25-minütiger Einzel-Talk mit Außenminister Heiko Maas.

Spontane Interviews von 90 oder 120 Minuten, wie sie Tilo Jung bei Jung und Naiv führt, kann sich Maischberger im linearen Fernsehen allerdings nicht vorstellen. „Ein Format wie das von Tilo Jung ist im Fernsehen so nicht umsetzbar, weil wir ja ein Programmschema haben, an das wir uns halten müssen“, erklärt Maischberger, die beim Deutschen Fernsehpreis 2020 in der Kategorie "Beste Moderation/ Einzelleistung Information" nominiert war.

Einen Wunschzettel mit bestimmten Gästen, die sie gerne mal in ihrer Sendung hätte, hat Maischberger laut eigener Aussage nicht. „Da wir immer versuchen, die Themen der Woche aufzugreifen, wäre das im Vorhinein auch gar nicht realistisch zu planen“, erklärt die ARD-Moderatorin. Dabei sei das veränderte Konzept ihrer Sendung wegen des Corona-Schwerpunkts in den letzten Ausgaben nicht immer so deutlich erkennbar gewesen. „Dass wir eigentlich den Anspruch haben, verschiedene Themen in unserer Sendung abzubilden, war in den vergangenen Wochen vielleicht schwer zu erkennen, weil alles irgendwie mit Corona zu tun hatte“, erklärt Sandra Maischberger. Das sei allerdings nicht verwunderlich, schließlich betrifft die Virus-Krise nahezu alle Bereiche unseres Lebens.

Neue Folgen von «maischberger.vor Ort», das diesen März zunächst einmalig zu sehen war, schließt Sandra Maischberger derweil nicht aus. Zugleich betont sie aber, auch nach der Sommerpause an «maischberger. Die Woche» festhalten zu wollen. „Bei «maischberger. vor Ort» waren wir nach der Landtagswahl in Thüringen unterwegs. So etwas wollen wir immer wieder anlassbezogen machen, insgesamt hat sich das Konzept von «maischberger. Die Woche» aber sehr bewährt."

Nun steht für Sandra Maischberger und ihre Redaktion aber erst einmal die Sommerpause an. In dieser möchte sie sich die Moderatorin anderen Projekten widmen und auch etwas Urlaub einplanen. Ob es in ihrer Talkshow nach der Sommerpause Ende Juli oder Anfang August schon wieder schwerpunktmäßig um Corona gehen wird? Sandra Maischberger ist sich unsicher. „Ich würde sagen, dass die Chancen aktuell 50:50 stehen.“

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