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Der Podcast wurde von der 'Zeit' veröffentlicht, hörte auf den Titel «Die Schaulustigen» und drehte sich um alles, was in der Glotze läuft. Serienklassiker und neue Serien-Misserfolge, «The Witcher» und «Queen of Drags», Markus Lanz und nostalgische Titelmelodien, es ging von «Shapira Shapira» bis «Dark» (auch wenn Kalle da inhaltlich nicht so ganz mitkam und es daher nur angerissen wurde). Der TV-Talk wurde stets mit kleinen Alltagsanekdoten und persönlichem Geplänkel gewürzt. Jetzt haben Passmann und Kalle allerdings eine neue Podcastheimat – und passen ihr Rezept an.
Fortan sorgen die Zwei für «Jubel & Krawall», und zwar auf Audible, wo bereits Steven Gätjen seit einiger Zeit über Kino podcastet. Der Name ist, wie so oft bei Podcasts, Lug und Trug. «Baywatch Berlin» wurde (bisher) nicht am Strand aufgezeichnet, «Fest & Flauschig» ist nicht besonders kuschelig und «Gemischtes Hack» wird weder von einem Schwein und einem Rind moderiert, noch geht es um Frikadellenrezepte. Und «Jubel & Krawall» ist, zumindest zum Auftakt, gar nicht mal so krawallig. Und überschwänglich gejubelt wird auch nicht. Es wird viel mehr launig-positiv, dennoch engagiert schwadroniert.
«Jubel & Krawall» dreht sich, so Passmann in den ersten paar Podcastminuten, um alles was geil ist, das man spielen, hören, lesen oder sehen kann. Wie Kalle ergänzt, ist es also quasi "ein Podcast über das Leben". Oder anders gesagt: Die Ex-«Schaulustigen» reden fortan nicht nur über das Fernsehen, sondern auch um andere (pop-)kulturelle Inhalte, wie etwa Literatur.
Erklärtes Ziel der Zwei ist es, nicht Fernsehsendungen oder Buchneuerscheinungen nachzuerzählen, sondern entweder über Bücher, Serien und ähnliches zu sprechen, die sie irgendwie bewegt haben, oder aber Stücke der Popkultur vorzustellen, die Dinge behandeln, die sie bewegen. In der Auftaktfolge von «Jubel & Krawall» geht es unter anderem um "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottessa Moshfegh. In dem Roman zieht sich eine Frau aus der Generation Y in ein Appartement zurück und setzt sich zum Ziel, ein Jahr lang so viel wie möglich zu schlafen.
Passmann attestiert dem Roman "eine angebrachte Traurigkeit", doch statt des reinen Jubels, den der Podcastname ankündigt, gibt es auch kritische Diskussionsausschweifungen, die aus dieser Buchvorstellung entwachsen. Weil Kalle Traumpassagen in Romanen überflüssig findet und stets überlegen würde, sie zu überblättern, kommen er und Passmann vom Hölzchen aufs Stöckchen und sprechen letztlich über Traumsequenzen, die wie reine Stilübung wirken, und über schlechte Serien-Twists wie in «Dallas». Der Gesprächsverlauf ist nachdenklich und zerstreut zugleich – und daher gutes, leichtgängiges Podcastfutter mit Niveau.
So zieht es sich durch: In einem lockeren, freundlichen Tonfall debattieren Sophie Passmann und Matthias Kalle mit- und auch gegeneinander, ohne sich je derart anzumaulen wie es in so manch anderem prominent besetzten Podcast üblich ist. Und so ergründen sie kleine wie große Fragen des Kulturdiskurses. Das macht Lust auf mehr!
«Jubel & Krawall» erscheint ab dem 9. Juli 2020 immer donnerstags auf Audible.
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