Zum Auftakt dieses Programmschwerpunktes zeigt arte die zweiteilige Dokumentation «Pop Utopia»: Regisseurin Hannes Rossacher und Regisseur Karsten Gravert behandeln in zwei Mal rund 50 Minuten die großen gesellschaftlichen Sehnsüchte und Wendepunkte im 20. und 21. Jahrhundert. Es geht um Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, den Kampf gegen den Rassismus, (erneuter) sexueller Aufklärung, grüne Wenden und um Friedensproteste.
- © Kobalt
Der Zweiteiler «Pop Utopia» berichtet von den großen Träumen der Menschheit im 20. und 21. Jahrhundert – gespiegelt im Soundtrack ihrer Zeit.
Analysiert, nachskizziert und eingeordnet werden diese Passagen der sozialen Entwicklung anhand ihres popkulturellen Begleit-Soundtracks: Von John Lennons "Imagine" über "What a wonderful world" von Louis Armstrong und Marvin Gayes "Mercy Mercy Me", bis hin zum "Earth Song" von Michael Jackson. Zu sehen gibt es Berge an Archivmaterial und Interviews mit so unterschiedlichen Zeitzeuginnen und Zeitzeugen wie Schauspielerin Iris Berben, Michael Stipe von R.E.M., Jorma Kaukonen von Jefferson Airplane und Politikerin/Ex-Managerin von Ton Steine Scherben, Claudia Roth.
Die Dokumentation ist topaktuell und schlägt immer wieder Brücken zum Zeitgeschehen des Jahres 2020. So wird der Einfluss von "Imagine" im Schnelldurchlauf abgehakt, um letztlich bei einem viral gegangenen Video eines Italieners zu landen, der das Lied während der Corona-Krise hoffnungsvoll von seinem Balkon erklingen lässt. Kurz darauf wird in der Doku "We Shall Overcome" als der Song zur Corona-Pandemie bezeichnet und im späteren Verlauf von «Pop Utopia» wird von Martin-Luther-King-Zitaten in der Popmusik zu den Protesten nach der Ermordung George Floyds gesprungen, bevor ein paar Takte über Janelle Monáe verloren werden.
«Pop Utopia» ist überdeutlich anzumerken, dass der Zweiteiler mit einer heißen Nadel gestrickt wurde, doch statt mit diesem brandaktuellen Charakter zu beeindrucken, bleibt viel mehr der Eindruck eines mangelnden Fokus zurück: «Pop Utopia» hüpft von Thema zu Thema, von Song zu Song und hat kaum Ausdruckskraft. Geht es darum, wie Musik gesellschaftliche Wendepunkte unterstreichen kann? Darum, wie gesellschaftliche Strömungen sich ihren Soundtrack aussuchen? Geht es um eine Wechselwirkung? Der Erkenntnisgewinn von «Pop Utopia» ist gering. Stattdessen ist es eine lasche "Ach ja, ich erinnere mich!"-Zeitreise. Schade drum.
«Pop Utopia» ist am 10. Juli 2020 ab 21.45 Uhr bei arte zu sehen.
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