Durchdachte Daten
In seiner Veröffentlichungs-Strategie bewies Netflix Liebe zum Detail. Staffel zwei von «Dark» erschien einst am 21. Juni 2019 - jenem Tag, an dem die Handlung in «Dark» in Staffel eins beginnt. Die finalen Folgen der dritten Staffel starteten unterdessen am Samstag, den 27. Juni 2020 - in der Netflix-Serie ist das der Tag der Apokalypse.Es ist schwer zu erklären, worum es in «Dark» geht. Die Vielzahl an handelnden Personen in unterschiedlichen Zeitebenen macht die Serie kompliziert - ein Kleinstadt-Krimi mit Mystery-Elementen ist «Dark», anders als manch einer zunächst annahm, aber sicherlich nicht. Im Mittelpunkt der Handlung stehen vier Familien, die in verschiedenen Welten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten existieren. Sie alle sind miteinander verbunden, ohne es zu wissen. Und alles, was in «Dark» passiert, hat sich schon einmal so zugetragen. «Dark» nimmt seine Zuschauer hinein in einen immer wiederkehrenden 33-jährigen Zyklus, in dem Ursache und Wirkung miteinander zu verschwimmen scheinen. „Der Anfang ist das Ende, und das Ende ist der Anfang“, ist eines dieser bedeutungsschweren Zitate, mit denen die Produzenten gerne spielen. Lässt sich der Knoten lösen und der Zyklus durchbrechen?
Nach den ersten Folgen war kaum vorauszusehen, in welche Richtung sich «Dark» entwickeln würde. In einer überwiegend positiven Rezension vertrat Der Spiegel im November 2017 noch die Auffassung, dass «Dark» „ausgerechnet dann am wenigsten überzeugt, wenn die Erzählung auf metaphysische Gimmicks (…)“ setzt. Zu diesem Zeitpunkt war nicht zu vermuten, dass sich in Staffel zwei und drei alles nur noch um die Frage nach den unterschiedlichen Zeiten, den verschiedenen Welten und dem Ursprung drehen sollte. Überhaupt ist es eine große Stärke von «Dark», sich über klassische Genre-Grenzen hinwegzusetzen und so etwas ganz Eigenes zu schaffen.
Unterschiedliche Zeiten, Welten und Realitäten
Dass die Serie für Netflix zu einem gewaltigen Erfolg werden würde, dürfte im Vorfeld nicht sicher gewesen sein. Zur Wahrheit gehört, dass «Dark» mit der Zeit nicht leichter, sondern eher komplizierter zu verstehen wird. Immer dann, wenn man glaubte, sich einen Überblick verschafft zu haben, führen neue Zeitebenen, Charaktere und ungeahnte Verwandtschaftsverhältnisse zu noch größerer Verwirrung. Zum endgültigen kognitiven Chaos dürfte es bei vielen Zuschauern gekommen sein, als in Staffel drei eine zweite Welt eingeführt wurde - eine Parallelwelt, in der alles ein wenig anders ist. Zweifellos: «Dark» fordert nicht nur viel von seinem Publikum, «Dark» überfordert es bisweilen auch.
Die Tiefe der Serie resultiert dabei nicht zuletzt aus den zahlreichen (meta-)physischen und theologischen Anspielungen, die sich wie ein roter Faden durch die Folgen ziehen. Der ältere Mann mit der mysteriös-tiefen Stimme, der glaubt, die Zusammenhänge verstanden zu haben, ist der ältere Jonas Kahnwald, genannt Adam. Sein Pendant in der Parallelwelt ist die gealterte Martha Nielsen, die dort Eva heißt. Adam und Eva sind die Hauptcharaktere und der Ursprung - nicht nur in der alttestamentlichen Schöpfungsgeschichte, sondern auch in «Dark».
- © Netflix
Im Mittelpunkt der Handlung stehen vier Familien, die in verschiedenen Welten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten existieren. Sie alle sind miteinander verbunden, ohne es zu wissen. Und alles, was in «Dark» passiert, hat sich schon einmal so zugetragen. «Dark» nimmt seine Zuschauer hinein in einen immer wiederkehrenden 33-jährigen Zyklus, in dem Ursache und Wirkung miteinander verschwimmen. „Der Anfang ist das Ende, und das Ende ist der Anfang“, ist eines dieser bedeutungsschweren Zitate, mit denen die Produzenten gerne spielen. Lässt sich der Zyklus durchbrechen, der Knoten lösen?
Dass die Mehrheit der Zuschauer trotz der zwischenzeitlichen Verwirrungen sehr zufrieden mit der Serie ist, dürfte derweil auch am Ende von «Dark» liegen. Das Finale der Serie entwirrt die Knoten in den Familienverhältnissen der Charaktere und den Köpfen der Zuschauer nicht nur überraschend überzeugend, es ist im Vergleich zu all dem, was in den Folgen vorher passiert, auch vergleichsweise verständlich. Der inneren Serienlogik bleiben die Produzenten bis zum Ende treu, das Finale ist versöhnlich und sinnvoll. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.
«Dark» ist die beste Netflix-Serie aller Zeiten
So bleibt nach 26 Folgen von «Dark» auch beim Zuschauer der Eindruck hängen, dass die Serie von Anfang bis Ende durchdacht und logisch ist. Man merkt den Produzenten Baran bo Odar und Jantje Friese an, dass sie die gesamte Zeit über gewusst haben, wie sie die Serie erzählen wollen - laut ihnen war «Dark» auch immer als Trilogie konzipiert gewesen. Insofern darf man als Fan von «Dark» glücklich darüber sein, dass es Netflix tatsächlich bei drei Staffeln belassen hat und sich vom Erfolg und wirtschaftlichen Interessen nicht blenden ließ.
Doch was bleibt jetzt, nachdem «Dark» die Geheimnisse rund um Winden lösen konnte? Die Erkenntnis, dass anspruchsvolle, erfolgreiche und international beachtete Serien auch aus Deutschland kommen können. Dass «Dark» kompliziert ist, hat das Publikum nicht abgeschreckt. Im Gegenteil: In einer Abstimmung bei Rotten Tomatoes landete «Dark» vor einigen Wochen auf Platz eins der besten Netflix-Produktionen aller Zeiten - noch vor «House of Cards» und «Stranger Things». Und im Ranking bei IMDb liegt «Dark» bei den Usern zurzeit immerhin auf Platz 16 der besten Serien aller Zeiten. Seriengeschichte hat «Dark» nicht nur in Deutschland längst geschrieben.
Alle drei Staffeln von «Dark» sind bei Netflix verfügbar. Eine inhaltliche Nachbesprechung zur Serie und dem Serienfinale erscheint am Freitag in unserem Podcast Quotenmeter.FM.
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07.07.2020 18:36 Uhr 1