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Zur Auffrischung: Die erste Staffel von «How to sell drugs online (fast)» endet damit, dass sich die von Lena Klenke gespielte Lisa aus dem Liebesdreieck befreit und beschließt, weder mit unserem Protagonisten Moritz, noch mit seinem Nebenbuhler Dan (Damian Hardung) etwas anzufangen. Moritz' bester Freund Lenny (Danilo Kamperidis) wiederum flirtet mit einer Bekanntschaft aus einem Discord-Channel, der gegenüber er sich aber als Dan ausgibt. Lisas gute Freundin Gerda (Luna Schaller) gesteht, an Moritz interessiert zu sein und bekommt Lisas Segen, sich an ihn heran zu schmeißen. Ein früher Geschäftspartner von MyDrugs wird durch Flugzeugsabotage getötet und Moritz' Braver-Bube-Fassade fliegt gegenüber Lisa auf, da sie in seinem Zimmer zwei prallgefüllte Beutel mit Drogen entdeckt.
Wer auf eine konsequente, horizontale Erzählweise wert legt, erlebt zu Beginn der zweiten «How to sell drugs online (fast)»-Staffel ein böses Erwachen, denn die Serie verabschiedet sich rasch von den offen gelassenen Handlungsfäden: Lisa und Moritz sind nun zusammen, Lisa ist völlig ahnungslos, was Moritz' illegale Geschäftstätigkeiten anbelangt, Gerda wird ganz beiläufig in eine Beziehung mit einer anderen Freundin Lisas geschrieben und einfach niemand scheint sich um den tödlich verunglückten Geschäftspartner von MyDrugs zu scheren. All das wird so kühl und undramatisch aufgezäumt, dass es nicht einmal als großer "Wow, diese Serie bricht mit allen Erwartungen"-Twist durchgeht – viel mehr ist es so, als wäre zwischen den beiden Staffeln beschlossen worden, plötzlich andere narrative Ufer ansteuern zu müssen.
Doch statt das Potential der humoristischen und erzählerischen Werkzeugkiste zu nutzen, die «How to sell drugs online (fast)» in Staffel eins eingeführt hat, wird dieser Richtungswechsel einfach durchgeboxt. Kein Meta-Gag, kein dauerhafter Wechsel des subjektiv eingefärbten Serienerzählers – einfach auf dem Niveau mittelklassiger Soaps links blinken, in die Eisen steigen und aus irgendwelchen Gründen, die nicht erzählerisch motiviert sind, rechts abbiegen. Zwar werden in Episode zwei der Staffel wenigstens zwei Erklärungen halbherzig nachgereicht, doch der Schaden ist zu diesem Zeitpunkt schon angerichtet: Die Plausibilität der Figuren in «How to sell drugs online (fast)» ist verloren.
Zum Beispiel: Die erste Staffel von «How to sell drugs online (fast)» handelte unter anderem davon, dass Lisa erkennt, kein von anderen Leuten bestimmtes Image erfüllen zu müssen, und dass sie sich als Single selber verwirklichen kann. Dass sie auf einmal wieder Moritz' Freundin ist, ist selbst gemessen am typischen Wankelmut Jugendlicher wenig plausibel, geschweige denn stimmiges Geschichtenerzählen. Und Moritz wird als so durchschaubarer, nervöser Lügner etabliert – dass er Lisa einen derart riesigen Bären aufbinden kann, wie Episode zwei der zweiten «How to sell drugs online (fast)»-Staffel behauptet, verlangt vom Publikum enormes Wohlwollen ab. Und so weiter, und so weiter. Denn diese abrupten erzählerischen Richtungswechsel sind nicht das einzige Problem an der neuen «How to sell drugs online (fast)»-Staffel, sondern bloß das deutlichste Symptom dafür, woran sie krankt.
- © Netflix
So scheint die Seriencrew irgendwo zwischen Drehende von Staffel eins und Produktionsbeginn von Staffel zwei den Draht zu ihren Figuren verloren zu haben: Eine der größten Stärken von Staffel eins war die gleichermaßen gewitzt-überspitzte wie authentische Jugendsprache. Die Schülerinnen und Schüler drücken sich in der ersten «How to sell drugs online (fast)»-Runde modern, aber nicht aufgesetzt aus, und in pointierten Momenten versteht es die erste Staffel, aus auffälligen Anglizismen oder nerdigem Jugendvokabular einen zusätzlichen Gag zu gewinnen. In der zweiten Staffel von «How to sell drugs online (fast)» sind die Dialoge auf unerklärliche Weise beliebiger geworden, wodurch die wiederkehrenden Figuren wiederum an Profil verlieren. Und das macht es schwerer, weiter mit ihnen zu lachen und mit ihnen mitzufiebern.
Da sich «How to sell drugs online (fast)» im Laufe der zweiten Staffel zu allem Überfluss in einige sehr generische Plots manövriert (Misstrauen aus Eifersucht! Gier schadet! Achtung, Drogendealen ist extrem gefährlich!), ohne ihnen mit demselben Verve wie in Staffel eins etwas Neues abzugewinnen, mutiert diese so ungewöhnliche, moderne, erfrischende Serie rasant zu einer beliebigen Dramedy. Der subversive Umgang mit dem Thema Drogen weicht größerer Didaktik in Form zweier drogensüchtiger Mitschülerinnen der Protagonisten, die sich wie in 80er-Jahre-Drogenwarnvideos die Persönlichkeit wegpfeffern. Die Anzahl humoriger erzählerischer Spielereien lässt nach. Und selbst die Bildsprache ist in Staffel zwei gedämpft.
Einzelne Glanzmomente gibt es zwar weiterhin, wie einen Bruch der Story, um sich ausführlich mit Leonardo DiCaprios Liste von Verflossenen zu beschäftigen, aber so etwas wie den neonfarbenen Drogen-Schwimmunterricht aus Staffel eins sucht man in den neuen Folgen vergeblich. Inszenatorisch kann etwa eine Kreuzung aus Sex-Szene und Wach-Albtraum an frühere Glanzlichter anschließen. So ganz ist das Talent, das «How to sell drugs online (fast)» anfangs so sehenswert machte, dann halt doch nicht verschwunden.
Vor allem in längeren, schelmischen Monologen (etwa über Netz-Sicherheit) schimmert die Stärke der Skripts aus Staffel eins durch, während sich Maximilian Mundt erfolgreich abmüht, den Serienhelden Moritz trotz der platteren Dialoge glaubwürdig zwischen Gier, pubertierender Großkotzigkeit und schüchternen, empathischen Schüben schwanken zu lassen. Und Lena Urzendowsky, die in Staffel eins Cameo-Status hatte, dient als gigantische Bereicherung für die Serie: Die aus «Dark» und «Das weiße Kaninchen» bekannte, unter anderem mit der Quotenmeter.de-Fernsehtasse prämierte Schauspielerin spielt mit immenser Energie die hibbelige, moralisch komplexe Hackerin xKira7 und gibt der Serie schubweise die jugendlich-clevere Ausstrahlung und Attitüde zurück, die ihr in Staffel zwei so oft so betrüblich abhanden geht. Zum "Trost" gibt es in den neuen Folgen mehr und auffälligeres Product Placement (siehe Titelbild).
Anmerkung zur Wertung
Unser Serienkritiker Julian Miller gab der ersten Staffel 70 Prozent, Sidney Schering, der Autor dieser Kritik, hätte 80 Prozent gegeben.Fazit: Was für ein Jammer: «How to sell drugs online (fast)» stürzt mit uninspiriert runter geleierten Plotentwicklungen und einem Verlust an unvergleichlichem Charakter massiv ab. Was bleibt, ist eine frustrierende, aber gelegentlich noch immer kurzweilige Serie voller vergeudetem Potential.
«How to sell drugs online (fast)» ist auf Netflix abrufbar. Staffel zwei wird am 21. Juli 2020 veröffentlicht.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
19.07.2020 07:36 Uhr 1
19.07.2020 07:41 Uhr 2