«Edison - Ein Leben voller Licht»
- Kinostart: 23. Juli 2020
- Laufzeit: 108 Min.
- Genre: Biographie/Drama
- Kamera: Chung-hoon Chung
- Musik: Danny Bensi, Saunder Jurriaans (ehemals: Volker Bertelmann, Dustin O'Holloran)
- Buch: Michael Mitnick
- Regie: Alfonso Gomez-Rejon
- Darsteller: Benedict Cumberbatch, Michael Shannon, Tom Holland, Nicholas Hoult, Oliver Powell, Sophia Ally
- OT: The Current War (USA/RUS/UK 2017)
Vielleicht war das Forscherporträt vor all diesen Änderungen wirklich noch schlechter, vielleicht ist es aber auch erst dadurch zu dem gemacht worden, was es jetzt ist. Nämlich kein Biopic über Thomas Edison und seine Erfindung der Glühbirne, sondern ein thematischer Flickenteppich, an dem es letztlich sogar mehr darum geht, wie Edison in die Erfindung des elektrischen Stuhls verwickelt war.
Amerika kurz vor Beginn des 20. Jahrhunderts
Thomas Edison (Benedict Cumberbatch), einer der genialsten Erfinder aller Zeiten, steht kurz davor, zum ersten Mal einen ganzen Straßenzug in Manhattan mit elektrischem Licht zu erleuchten und die Welt damit für immer zu verändern. Der Durchbruch macht ihn über Nacht zur Berühmtheit. Unermüdlich arbeitet Edison daran, seine Erfindung auf das ganze Land auszudehnen. Hin und her gerissen zwischen seiner fieberhaften Arbeit und seiner geliebten Frau Mary (Tuppence Middleton) und den beiden Kindern, gerät Edison zunehmend in einen inneren Konflikt. Doch das ist nicht die einzige Herausforderung – sein schärfster Konkurrent, der vermögende Unternehmer George Westinghouse (Michael Shannon), ermutigt von seiner ehrgeizigen Frau Marguerite (Katherine Waterson), engagiert den unbekannten jungen Erfinder Nikola Tesla (Nicholas Hoult), um das Rennen um die Stromversorgung Amerikas für sich zu entscheiden. Als Stadt um Stadt an das Wechselstromsystem von Westinghouse fällt, gerät Edison immer stärker unter Druck, seine Erfindung zu verteidigen und seinen Idealen treu zu bleiben…
Wenn eine berühmte Persönlichkeit irgendeine große Leistung vollbracht hat, dann steht in den Filmen über sie in der Regel auch genau diese Leistung im Fokus. In «Marie Curie – Elemente des Lebens» geht es hauptsächlich darum, wie die Chemikerin in Kleinstarbeit die Radioaktivität entdeckte. «Lindenberg! Mach dein Ding» verfolgt Panikrocker Udo Lindenberg auf dem Weg vom Niemand zur Musiklegende und «Tolkien» nimmt sich der Entstehung der «Herr der Ringe»-Bücher und seines Schöpfers an. Für «Edison» setzte Drehbuchautor Michael Mitnick («Hüter der Erinnerung – The Giver») erst nach Edisons bahnbrechender Erfindung – der Glühbirne – an. Das Produkt an sich gibt es schon. Es muss nur noch an den Mann gebracht werden. Das ist zweifelsohne ein interessanter Ansatz. Und da es ja schon so einige Thomas-Edison-Biographien gibt (unter anderem eine aus den Vierzigern mit Spencer Tracy und Rita Johnson) wäre es ganz spannend gewesen, das Danach ein wenig gründlicher zu ergründen. Denn zwischen Erfindung und Massenproduktion sind ja nun mal noch ein paar Jährchen vergangen.
Doch leider merkt man auch, weshalb die Macher bisheriger Biopics dann eben doch lieber die Forschung in den Mittelpunkt rückten: Die ist einfach viel spannender. Und zumindest in der hier dargebrachten Aufbereitung ist alles weitere keines eigenen Films wert. Besteht es doch vorwiegend aus trockenen Verhandlungen mit potenziellen Geldgebern und den immerhin angerissenen Diskussionen um eine Vermarktungsstrategie.
Glühbirne oder elektrischer Stuhl?
Vor allem aber geht es in «Edison – Ein Leben voller Licht» gar nicht so sehr um Thomas Edison selbst, sondern um seinen Streit mit dem heute weitaus weniger bekannten Unternehmer George Westinghouse – und damit um den offen ausgefochtenen Krieg zwischen Gleich- und Wechselstrom. Im Original trägt der Film dann auch direkt den sehr viel passenderen Titel «A Current War» (zu Deutsch: "Der Stromkrieg"), der deutlich besser einfängt, dass „Edison – Ein Leben voller Licht“ zwar auf wahren Ereignissen beruht, aber überhaupt kein klassisches Biopic, erst recht nicht über Edison, ist, da hier letztlich zwei Personen gleich stark im Mittelpunkt stehen. Da Alejandro Gomez-Rejon beide Schicksale jedoch nahezu separat erzählt und inszeniert – nur ganz zum Schluss befinden sich Edison und Westinghouse im selben Raum und diese Szene ist dann noch nicht einmal tatsächlich so passiert – kommt nie das Gefühl auf, dass einem der Begriff „Krieg“ suggeriert.
- © Leonine
Thomas Edison (Benedict Cumberbatch): einer der genialsten Erfinder aller Zeiten.
Beide Parteien führen vollkommen unabhängig voneinander Gespräche, Verhandlungen und versuchen, den anderen hinter seinem Rücken schlechtzumachen. Etwa indem Edison immer wieder betont, dass Wechselstrom deutlich gefährlicher sei als sein Gleichstrom. Und seien wir ehrlich: Wer sich hier für die genauen Details interessiert, der kann sich auch einfach den kaum weniger interessanten Wikipedia-Artikel dazu durchlesen und erhält dadurch einen vermutlich sogar besseren Überblick über die Ereignisse, als der zumeist recht verschwurbelte, da merkwürdige Schwerpunkte setzende Film.
Einer davon ist die Erfindung des elektrischen Stuhls, die sogar so viel Raum einnimmt, dass man zeitweise den Eindruck hat, dass «Edison» eigentlich nur genau hiervon erzählen wollte. Man kann dem Film nicht absprechen, wirklich anschauliche Bilder für die Perversion dieser Tötungsmaschine zu finden. Etwa wenn an einem Pferd gezeigt wird, wie vermeintlich sanft der Tod durch Strom im Vergleich zu Erhängen oder Köpfen doch ist. Doch dem Film wohnt dadurch ein bemerkenswerter Zynismus inne. Vor allem aufgrund der Bigotterie Thomas Edisons selbst, den der Film zu Beginn klar als kauzigen Sympathieträger etabliert. Der möchte sich nicht an der Erfindung von Kriegswaffen beteiligen, da seine Erfindung niemanden umbringen sollen, steigt allerdings später in die Entwicklung des elektrischen Stuhls mit ein – zum Thema macht «Edison» diesen extremen Sinneswandel nie und stellt die Handlung des Forschers als bloße Reaktion darauf dar, dass er von George Westinghouse zunehmend in die Ecke gedrängt wurde. Moral sieht anders aus. Aber apropos Aussehen: Immerhin inszenatorisch macht der Film dank seiner authentischen Ausstattung in Setdesign und Kostüm sowie einer äußerst wertigen Kameraführung (Chung-hoon Chung, «Die Taschendiebin») einen ordentlichen Eindruck.
Benedict Cumberbatch («1917») bekommt unter diesen Umständen kaum die Gelegenheit, so aufzutrumpfen, wie er es sonst gern tut. In einigen Szenen scheint er einfach nur seine menschenscheue Paradeperformance aus «Sherlock» zu wiederholen – wenn es darum geht, Edison als besonders exzentrischen Zeitgenossen zu zeigen. Dann wiederum sieht man einfach nur Cumberbatch selbst, der Sätze aufsagt, die auch direkt aus einer Edison-Biographie stammen könnten. Es gelingt ihm kaum, die eigentlich so spannende Person mit Leben zu füllen. Michael Shannon («Midnight Special») überzeugt da schon eher – vor allem aber deshalb, weil er einen Vollbart trägt und nicht als er selbst erkennbar ist. Doch seine Rolle bietet insgesamt immerhin ein wenig mehr Möglichkeiten zum Spielen. Nicholas Hoult («Mad Max: Fury Road») als Nikola Tesla nimmt übrigens eine viel kleinere Rolle ein, als sie für den Stellenwert Teslas in diesem Stromkrieg angebracht wäre. Und «Spider-Man»-Star Tom Holland fällt – wie die Ehefrauen der Männer – einfach völlig unter den Tisch.
Fazit
«Edison – Ein Leben voller Licht» ist der irreführende Titel eines Filmes über zwei Männer, die die Vor- und Nachteile von Gleich- und Wechselstrom ausdiskutieren. Das macht ihn nur unwesentlich spannender als den dazugehörigen Wikipedia-Artikel, was auch die unter dem schwachen Drehbuch leidende Besetzung nicht ausgleichen kann.
«Edison – Ein Leben voller Licht» ist ab dem 23. Juli in den deutschen Kinos zu sehen.
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