Hinter den Kulissen
- Regie: Eva Trobisch
- Drehbuch: Eva Trobisch
- Produktion: Trini Goetze, Veronika Neuber
- Kamera: Julian Krubasik
- Schnitt: Kai Minierski
Janne und Piet haben einen kleinen Verlag, mussten jedoch gerade Insolvenz anmelden. Aber Piet bleibt optimistisch und stürzt sich direkt in eine neue Aufgabe: Er beschäftigt sich mit der Renovierung eines verwahrlosten Hauses. Er ist damit erfüllt, doch Janne hadert mit dem Scheitern. Das Jobangebot eines Bekannten nimmt sie daher prompt an. Und das, obwohl er mit einer grauenvollen Person verbunden ist: Martin, der Schwager ihres neuen Chefs, hat sie kürzlich nach einem Klassentreffen vergewaltigt. Aber Janne glaubt, als starke, emanzipierte Frau dürfte sie nicht die Opferrolle annehmen. Sie will allein den Job haben. Selbst Piet verschweigt sie den Vorfall und dem überforderten Martin redet sie in immer neuen Begegnungen ein, dass es nun wirklich Schlimmeres geben würde. Doch das Ereignis zerfrisst Janne von innen – und sie muss erkennen: Es ist ihr gutes Recht, das ihr Angetane nicht einfach hinter sich zu lassen …
2018 feierten zwei deutsche Vergewaltigungsdramen ihre Weltpremiere, die sich weigern, mit dem großen Schockeffekt zu arbeiten und zusammen einen denkwürdigen künstlerischen Dialog ergeben. In Sven Taddickens «Das schönste Paar» (kam erst 2019 regulär ins deutsche Kino) geht es um eine Frau, die im Pärchenurlaub von Fremden attackiert und vergewaltigt wird. Monate später sieht ihr Freund den Haupttäter zufällig wieder – und entgegen sämtlicher Signale seiner sich allmählich (so gut wie ihr möglich) erholenden Partnerin reißt er die Wunden neu auf, indem er den Mistkerl stalkt.
- © BR
In ihrem Langfilmdebüt «Alles ist gut» erzählt Regisseurin und Autorin Eva Trobisch hingegen von einer Frau, die nach einer ausgelassenen Nacht mit viel Alkohol von einem Bekannten angegraben wird, der kein "Nein" akzeptiert. Wo Taddicken eine Attacke erzählt und davon ausgehend das Drama eines Mannes spinnt, der meint, über ihren Kopf hinweg entscheiden zu können, was für seine Partnerin gut ist, nimmt Trobisch eine betont unsensationalistische, kühl und ruhig erzählte, zugleich äußerst empathische Position ein:
«Alles ist gut» stellt sich mit augenscheinlich stoischer Unbeirrbarkeit gegen die vorherrschende Darstellung von Vergewaltigungen in den Medien und unterstreicht: Es muss kein Fremder sein, der sich mit Gewalt der Frau aufzwingt, es sind oftmals auch Bekannte, die sich mit Beharrlichkeit aufdrängen. Und der Widerwillen der Frau muss nicht erst durch klar ersichtlichen Terror ausgedrückt werden – was Janne widerfährt ist leiser und doch nicht minder schrecklich. Selbst wenn einzelne (und doch viel zu häufige), ungeheuerliche Urteile von "Naja, Sie hätten doch auch stärker dagegen ankämpfen können?" dahinsabbelnden Richtern das Gegenteil behaupten wollen.
Aenne Schwarz spielt die Hauptfigur mit einer leisen Sturheit, die unter die Haut geht: Sie redet sich ein, dass ihr die Vergewaltigung egal sein muss, dass sie ihren Freund, der wütend über ihre schnelle, erfolgreiche Jobsuche ist, verstehen muss und dass ihr Vergewaltiger ja doch irgendwo auch Mitleid verdient hätte. Weil Janne glaubt, so stark und unabhängig zu sein – weil die Opferrolle, noch dazu die weibliche in einem Sexualdelikt, in unserer Gesellschaft so schädlich stigmatisiert ist.
Doch Janne begibt sich mit ihrem Widerstreben, etwas zu fühlen, bloß freiwillig in eine passive Position, gibt ihre Souveränität durch das falsche Vortäuschen von Souveränität völlig ab – und verliert Zeit, die sie bräuchte, um das ihr Angetane zu verarbeiten. Schwarz drückt die zwangsweise in Janne aufkommende Fragilität auf filigrane Weise aus und Trobisch steuert geradewegs auf den Moment hin, an dem Jannes Gefühle überkochen – erneut frei von Sensationalismus. Es ist ein Alltagsnervenzusammenbruch, dessen Hintergründe Jannes Umfeld nicht zu verstehen vermag.
Trobisch inszeniert all dies bewusst beiläufig, mit reduziertem Sounddesign und ausplätschernden Szenen – so, als würden wir ein routiniertes, banal ablaufendes Leben unfokussiert dokumentieren. Das verstärkt den Kern von «Alles ist gut» und erklärt den Titel. Denn wie so oft ist eben doch nicht alles gut, wenn Leute diese Behauptung dahin keuchen und mit aller Kraft den Anschein erwecken, es gäbe hier nichts zu sehen.
«Alles ist gut» ist am 18. August 2020 ab 22.45 Uhr im Ersten zu sehen.
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