Hinter den Kulissen
- Regie: Christian Ditter, Tim Trachte
- Drehbuch: Tanja Bubbel, Nikolaus Schulz-Dornburg, Johanna Thalmann
- Produktion: Uli Putz, Jakob Claussen
- Cast: Luna Wedler, Thomas Prenn, Adrian Julius Tillmann, Jessica Schwarz, Zeynep Bozbay, Caro Cult, Eleonore Daniel, Sebastian Jakob Doppelbauer, Jing Xiang
Sehr griffige, wenig nuancierte Figuren, die sich durch eine Story manövrieren, der ein Körnchen Wahrheit innewohnt, drumherum aber eine knallige, auf den effektlastigen Twist gebürstete Hülle aufweist. All dies stylisch gefilmt und zügig, mitreißend erzählt. In den späten 2000ern oder frühen 2010ern, bevor Streamingdienste ihren großen Hype erlebten, wäre «Biohackers» ein Low-Sci-Fi-Popcornfilm geworden, nun hingegen wird der Stoff mit ein paar zusätzlichen Rückblenden und etwas mehr Laufzeit für die süffisanten Nebenfiguren versehen und als Serie erzählt.
Und da kommt «Biohackers» zum richtigen Zeitpunkt: Dieses Frühjahr von Netflix noch verschoben, weil der Streamingdienst fürchtete, der Plot sei dem Publikum zu nah an der Nachrichtenlage, wirkt «Biohackers» jetzt, nachdem ZDFneo die ernste, hochdramatische Pandemie-Serie «Sløborn» veröffentlichte, wie der peppige, eskapistische Hochglanzbruder der öffentlich-rechtlichen, fesselnd-rauen Thrillerserie.
Die Geschichte, deren Konzept Science-Fiction mit Schwerpunkt Science ist, deren Ablauf aber unterhaltsam-popcornesk in Richtung Fiction weiter geht, beginnt, als sich Mia auf nach Freiburg macht, um an der dortigen, renommierten Uni ihr Medizinstudium aufzunehmen. Doch schnell stellt sich heraus, dass ihr Interesse an revolutionärer Biohacking-Technologie und ihr großes Vorwissen nicht nur wissenschaftliche Gründe haben: Sie will näher an Star-Dozentin Prof. Tanja Lorenz ran, die allein schon in der ersten Vorlesung des Semesters ihren Studierenden entgegen faucht: "Wir machen Gott obsolet!" Und wie uns schon die ersten Szenen von «Biohackers» verraten, soll Mias Erstsemester bald eine dramatische Wende nehmen – bei einer Zugfahrt wird sie Augenzeugin eines grauenvollen Vorfalls …
Mit «Biohackers» feiert Christian Ditter seine Rückkehr nach Deutschland: Der Regisseur der «Vorstadtkrokodile»-Trilogie und «Wickie auf großer Fahrt» inszenierte in den vergangenen Jahren die Romanadaption «Love, Rosie – Für immer vielleicht», die sehr charmante RomCom «How to Be Single» und einige Folgen der Netflix-Serie «Girlboss». Und dieses filmische, internationale Flair bringt der Regisseur und Showrunner (genauso wie «Dem Horizont so nah»-Regisseur Tim Trachte) auch in «Biohackers» zum Ausdruck:
Die sechs Episoden mit jeweils etwas mehr als 40 Minuten Laufzeit (wobei die allesamt einen sehr langen Abspann aufweisen) könnten vom Erzähltempo und Erzählduktus her mit minimalen Kürzungen genauso gut einen Kinofilm ergeben. Und visuell weckt «Biohackers» Erinnerungen an Hochglanz-Mid-Budget-Thriller mit marinebläulich getünchten Nachtszenen, kräftig-orangefarbenen Morgen und gläsernen Laboren, die einem Steve Jobs oder einem Bond-Schurken gefallen würden.
- © Netflix
Begleitet wird das Geschehen von einem elektrisch pulsierenden Soundtrack, während Protagonistin Mia in eine WG zieht, die auch aus einer High-School-Komödie stammen könnte – bloß, dass der Klischeekiffer und Dauersäufer hier stets seinen Körper modifiziert und die selten bekleidet rumlaufende, stets Dates abschleppende WG-Partnerin Mias betont, immer an Safer Sex zu denken. Darüber hinaus lernt Mia eine Studentin kennen, die wie Wikipedia redet, und die rechte Hand der Dozentin ist, natürlich, ein dunkel-geheimnisvoller Beau. Ja, das Skript von «Biohackers» ist formelhaft, aber passend zum Thema der Serie wird dieser Standard-Code durch gezielte Eingriffe abgewandelt.
So sind die flotten Dialoge in «Biohackers» die Popcorn-Genreblockbuster-Mutationen der zeitgemäß-jugendlichen Wortwecksel aus der ersten Staffel von «How to Sell Drugs Online (Fast)»: Keine Erstsemester-Studierenden sprechen so wie in «Biohackers», und doch sind die Dialoge mit ihren über Marvel-Vergleiche ablaufenden Flirts und ähnlichen Popkulturelementen plausibel-überhöht, nah am Puls der Zeit.
Der Serie kommt dabei das Casting von Luna Wedler («Das schönste Mädchen der Welt») enorm zugute: Mit so (launig) aufgesetzten Nebenfiguren und einer großspurigen, bereits in ihrem Vorstellungsmonolog Gott den Kampf ansagenden Dozentin (gespielt von einer keinerlei Zurückhaltung zeigenden Jessica Schwarz) könnte «Biohackers» drohen, überzukippen. Aber Luna Wedler verankert all dies mit ihrem Spiel: Als Mia ist sie flott, pfiffig und gewitzt, doch sie verleiht der Protagonistin zugleich eine Natürlichkeit und eine sehr dezente, wütend-energische Seite, wodurch die Suspense in «Biohackers» noch immer Thrills bietet, statt von der comichaften Note der Serie übertönt zu werden.
Die Twists in «Biohackers» sind teils vorhersehbar, aber so schmissig geschrieben, dass stets spannend bleibt, wie die Storyfäden und angedeuteten Plotpunkte zusammenfinden. Zurück bleiben sehr vergnügliche Hochtempo-Serienstunden, die gerne weiter gehen dürfen.
«Biohackers» ist ab dem 20. August 2020 auf Netflix abrufbar.
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