Cast & Crew
- Regie: Stanislaw Mucha
- Drehbuch: Stephan Brüggenthies, Andrea Heller
- Kamera: Johannes Monteux
- Musik: Iwanka Skrivanek
- Schnitt: Mücke Hano, Annette Duwe
- Redaktion: . Lili Kobbe, Jörg Himstedt
- Darsteller: Margarita Broich, Wolfram Koch, Tessa Mittelstaedt, Emilia Bernsdorf, Kai Scheve, Zazie de Paris...
Als die ARD im Januar 2018 verkündete, man wolle sich nach reichlich negativem Feedback von Seiten der Zuschauer in Zukunft nicht mehr zu allzu außergewöhnlichen «Tatort»-Experimenten hinreißen lassen (wir erinnern da nur an den zwar nicht besonders gelungenen, tonal dafür alles andere als generischen Horror-«Tatort: Fürchte Dich»), war Schauspieler Ulrich Tukur, Hauptdarsteller in den Wiesbadener «Tatorten», der Erste, der sich kritisch zu dieser Entscheidung äußerte. „Jede Zensur an meinem «Tatort» ist inakzeptabel. Wer den Zuschauern ständig Brei vorsetzt, riskiert, dass sie ihre Zähne verlieren. Man muss auch mal kauen! Sonst verreckt das Format an sich selbst.“ Harte Worte, die im Anbetracht seiner bisherigen Krimiausgaben jedoch mehr als berechtigt sind; gelten seine Filme doch gemeinhin als die aufregendsten, bedienen sich mal an Quentin Tarantino, ein anderes Mal an «Und täglich grüßt das Murmeltier». Sah es nach einigen darauf noch immer folgenden, mutigen «Tatort»-Regiearbeiten (etwa Jan Bonnys «Ich hab im Traum geweinet») noch so aus, als meinte man es mit diesem Vorhaben nicht ganz ernst, belehrt einen die öffentlich rechtliche Sendeanstalt nun schon eine ganze Weile eines Besseren. Die Folgen vor der Sommerpause ließen sich allenfalls im Mittelmaß verorten. Und nachdem der «Tatort: Pumpen» in der vergangenen Woche die neue Saison auf äußerst maue Weise eingeleitet hat, setzt der Hessen-«Tatort: Funkstille» den Trend zur Krimilangeweile fort.
Dabei liest sich die Inhaltszusammenfassung ja eigentlich vielversprechend; aber auch nur, wenn man einem bestimmten Wort mehr Bedeutung zumisst als einer Nebenerwähnung. Denn der besagte „Lost Place“, ein heruntergekommener, verlassener Ort, ist ja nicht selten Setpiece für gruseligen Film- und Serienstoff. Im Falle vom «Tatort: Funkstille» dagegen spielt es letztlich überhaupt keine Rolle, ob man die Leiche des Opfers Sebastian nun in einer leeren Lagerhalle, auf einem Dachboden oder in einem Fluss findet, denn der Kern des Krimis befasst sich mit der Randnotiz, dass Emilys Eltern beide Amerikaner sind und direkt mit dem US-Konsulat zu tun haben. So kommt es, dass sich «Funkstille» die meiste Zeit über anfühlt wie Papierkram – notwendig, aber so ganz und gar nicht aufregend. Dabei sieht man noch nicht einmal so viele Menschen an Schreibtischen sitzen oder anderweitig langweilige Dinge tun. Aber es ist eben das Allerlei aus behäbigen Befragungen und langsam aber sicher vorhersagbaren Scharmützeln zwischen den beiden (darstellerisch einmal mehr hervorragend aufgelegten) Hauptfiguren, die zu keinem Zeitpunkt für Überraschung sorgen.
- © HR/Bettina Müller
Emily Fisher (Emilia Bernsdorf, li.) und Gretchen Fisher (Tessa Mittelstaedt).
Bis der Zuschauer schließlich die bereits ab der Mitte des Films überdeutlich erwartbare Auflösung präsentiert bekommt, muss er sich mit einigen fragwürdigen Casting- und Inszenierungsentscheidungen auseinandersetzen. Dass die in Wirklichkeit 23-jährige Emilia Bernsdorf («Ein Fall für zwei») hier eine 17-Jährige verkörpern soll, könnte man vielleicht noch gerade so durchgehen lassen, wenn man bedenkt, dass es gerade im Jugendalter manchmal schwer ist, das Alter von Heranwachsenden richtig einzuschätzen. Auch wenn man in diesem Fall schon beide Augen zudrücken muss, um diese Altersdiskrepanz zwischen Schauspielerin und Figur nicht zu sehen. Noch weitaus irritierender ist indes das Casting von Emilys Eltern Raymond (Kai Scheve) und Gretchen Fisher, basierend auf einem 2011 in Marburg lebenden, russischen Agentenpaar. Die obligatorische Erwähnung, wie gut eine amerikanische Familie in die Nachbarschaft integriert ist und noch dazu hervorragend Deutsch spricht (!), scheint zu genügen, um die Besetzung von zwei deutschen Schauspielern für diese Rollen zu rechtfertigen. Wir wollen zwar nicht gleich die White-Washing-Keule rausholen, doch es wirkt eben einfach albern, wenn die beiden auf Englisch kommunizieren und trotz ihrer amerikanischen Herkunft dabei vor allem der deutsche Akzent auffällt. Warum also nicht direkt Amerikaner besetzen?
Dass wir diese Schwachpunkte hier so sehr ausbreiten, hat vor allem etwas damit zu tun, dass sich ansonsten kaum Stärken innerhalb des «Tatort: Funkstille» ausmachen lassen. Es gibt ein paar übliche Figurenklischees (Paul Brix ist zu alt, um einen eScooter freizuschalten – haha!) und immerhin den ambitionierten Versuch, einen Blick hinter die Kulissen US-amerikanischer Regierungseinrichtungen und Geheimdienste zu werfen. Aber irgendwie wird man den Eindruck nicht los, dass diese Einblicke nun mal so inszeniert wurden, wie Deutsche sich all die Vorgänge und Abläufe vorstellen. Und nicht, dass sie tatsächlich so existieren. Vielleicht hätte man auch an dieser Stelle den ein oder anderen Amerikaner zurate ziehen sollen.
Fazit
Janneke und Brix haben Besseres verdient, als sich durch derart generischen Stoff zu schlagen. Der ebenfalls von ihnen bestrittene «Tatort: Fürchte dich» mag insgesamt missraten gewesen sein, doch in solch außergewöhnlichen Situationen laufen die beiden Ermittler zur Hochform auf. Und nicht in sowas wie dem hier.
Die ARD zeigt den «Tatort: Funkstille» am Sonntag, den 13. September 2020 um 20:15 Uhr.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
11.09.2020 10:20 Uhr 1
11.09.2020 15:59 Uhr 2