'Du hast Film X, den ich liebe, verrissen. Wieso sollte mich deine Meinung da noch interessieren?'
Was sonst so nervt
'Hahaha, du fandest Film Z super? Der ist doch scheiße! Du bist nicht mehr ernstzunehmen!'
Doch.
Würdest du nicht direkt bockig die Arme verschränken, könntest du durch eine deiner Meinung konträr stehende Kritik lernen, wie man den Film auch sehen kann. Weil du Pluspunkte übersehen hast. Da du den Film aus einer anderen Perspektive gesehen hast. Beides. Erweitere deinen Filmhorizont und bleibe neugierig!
'Du bist doch Kritiker, wieso bist du dann so unkritisch?'
Wann fing das bitte an, dass Leute "Kritik" mit "mit Negativem überhäufen" gleichsetzen? Ein Film ist so, so, so, so viel mehr als die Summe seiner unterdurchschnittlichen Effekte und logischen Sprünge. Es ist ein Gesamtkunstwerk voller Referenzen, Bild- und Klangästhetiken, Themen, Gedanken und Emotionen. Früher wurden KritikerInnen angemault, sie würden dauernd meckern, jetzt wird dauernd gemeckert, weil Menschen, die sich voller Passion mit Filmen auseinandersetzen, dieses Medium lieben, statt sich mit rümpfender Nase über Filme hinweg zu setzen. Was ist das für 1 Internetwelt?
'Moment, du bist doch Fan von Regisseur ß? Wie kannst du dann überhaupt Kritiken zu seinen Filmen schreiben? DU BIST DOCH VORBELASTET!'
Punkt eins: Sofern man kein blinder Jubelfan ist, kann man sich auch kritisch mit etwas auseinandersetzen, an dem man gesteigertes Interesse hat.
Punkt zwei: Gerade weil ich eine Person mit gesteigertem Interesse an etwas oder jemandem bin, dürfte doch ein Einblick in meine Auseinandersetzung mit dieser Sache oder Person von gesteigertem Interesse sein, nicht oder?
'Kannst du mal aufhören, diesen oder jenen Film zu zerstören, immer dieses Kritikergemauschel! AGENDA!'
Ja, was denn jetzt, sind wir unkritische Würstchen oder die Popkulturfreimaurer? Matt Zoller Seitz hat es unschlagbar gut zum Ausdruck gebracht:
One of the great tricks of the modern media landscape is positioning critics as powerful, when in fact a great many of them are struggling with day jobs, writing for little or no money, and often filing reviews from coffee shops or the laundromat, for the love of it. https://t.co/FIRxU58lyk
— MZS (@mattzollerseitz) August 26, 2020
'Warum schreibst du nur im Internet?'
Fragst du Leute, die gerne schwimmen, weshalb sie nicht Rad fahren, statt im Nass zu plantschen? Fragst du Menschen, die gerne Hörspiele hören, weshalb sie ihre Zeit nicht nutzen, um im stillen Kämmerlein Puzzle zusammenzusetzen? Ich bin halt mehr der Schreiber als der Meinefresseindiekamerahalter, daher zieht es mich vom Naturell her mehr in Metier A als in Metier B. Und solange niemand auf mich zukommt und sagt "Wow, du schreibst so gut, kannst du das nicht auch in eine Kamera sagen, hier, ich biete dir viel Geld dafür", bleibt das auch so.
'Warum schreibst du nur im Internet?'
Weil ich wenig verdienen würde und eine sehr geringe Reichweite hätte (und wenig Platz, meine Gedanken auszudrücken), würde ich meine Texte auf Postkarten kritzeln und an Bekannte verschicken. Und diese Buchdeals, die ihr Fachfremden uns Internetschreibslern immer als Mindesthürde für eine relevante Existenz vor die Nase hängt, fallen nicht vom Himmel, lernt das endlich! Wie oft muss ich in meiner Kolumne noch darauf anspielen?!
'Wieso eigentlich Popcorn und Rollenwechsel, was heißt das?'
Früher mussten im Kino die Filmrollen gewechselt werden. Und das im laufenden Film. Bist du so jung und hast nie «Inglourious Basterds» gesehen, oder tust du nur so?!
'Ja, aber, das ist alt, ändere das doch endlich, du bist sonst 1 antik!'
Wenn "Speichern" immer noch zumeist ein Diskettensymbol ist, darf ja wohl eine Kinokolumne noch immer auf analoge Filmvorführungen anspielen.
'Nö.'
a) «Nö», Film von Dietrich Brüggemann, auf dessen Starttermin ich seit Jahren sehnsüchtig warte.
b) 'Nö.', trotzige Antwort, auf die ich nun auch keine Erwiderung parat habe. Dann. Halt. Nicht.
Und nächste Woche laufen viele, viele Buchstaben an unseren Augen vorbei.
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