Die Kino-Kritiker

«Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution»

von

Unser Film-Experte Markus Tschiedert ist sich sicher: Schönheit ist nicht alles.

Eine makellose Beauty sein – davon träumen vor allem viele junge Frauen, die sich in den sozialen Netzwerken über ihre Körperlichkeit definieren, sich selbst zur Show stellen oder Tipps zur Perfektionierung geben. Dass das oft nach hinten los geht, weil das Selbstwertgefühl davon abhängig gemacht wird und Userinnen in eine tiefe Depression fallen, weil sie gewissen Ansprüchen nicht gerecht werden, ist eine Problematik, die längst ins allgemeine Bewusstsein gelangt ist. Aber das Thema ist längst nicht neu. Der Film «Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution» führt uns in die Vergangenheit, wo es auch schon Aufstände gegen Sexismus und die Reduzierung der Frau auf ihr Aussehen gab. Aber was für Protestlerinnen einem Fluch gleicht, kann für andere Frauen ein Segen sein, weil ein Schönheitswettbewerb für sie Befreiung bedeutet. Auch das verhandelt diese britische Tragikomödie mit Tiefgang.

Freiheit für die Frau oder doch nur Fleischbeschauung?
1970 soll in London wieder einmal die Wahl zur ‚Miss World’ stattfinden. Ein großes Ereignis, das weltweit über 100 Zuschauer an die Bildschirme zieht. Deshalb hat man Hollywoodstar Bob Hope (Greg Kinnear) für die Veranstaltung in der Royal Alber Hall verpflichtet, der dafür bekannt ist, den einen oder anderen sexistischen Spruch von sich zu geben. Worüber die einen lachen, löst bei der Studentin Sally Alexander (Keira Knightley) nur Verachtung aus. Als Mitglied der Frauenrechtsvereinigung ‚Women’s Liberation Movement‘ will sich die Gala sabotieren. Doch erstmals nehmen mit der Südafrikanerin Pearl Jansen (Loreece Harrison) und der Grenaderin Jennifer (Gugu Mbatha-Raw) zwei schwarze Frauen an der ‚Miss World‘-Wahl teil. Für beide könnte der Sieg ein neues Leben jenseits von Rassismus und Verarmung bedeuten. Während Zeremonienmeister Eric Morley (Rhys Ifans) alles versucht, dass die Show ein voller Erfolg wird, können sich Sally und ihre Mitstreiterinnen in den Saal einschmuggeln, um im richtigen Moment ihren Missmut Ausdruck zu verleihen. Es kommt zum Eklat, doch zum ersten Mal sitzt anschließend eine schwarze Frau auf dem Thron, gekürt zur ‚schönsten Frau der Welt‘.

Was Frauen bewegen
Eine wahre Geschichte, bei der man sich gewiss auch einige künstlerische Freiheiten erlaubte, um dem Publikum 100 unterhaltsame Kinominuten zu garantieren. Das gelingt, denn Regisseurin Philippa Lowthorpe darf sich auf ein brillantes Schauspielensemble verlassen, dem man gern zuschaut. Man merkt, mit wie viel Engagement und Spaß das Cast bei der Sache war. Unterstützend waren dabei sicherlich auch die detailgetreuen Kostüme und Kulissen, mit denen die Siebzigerjahre wieder zum Leben erweckt wurden.



Kein Wunder also, dass man sofort in die Geschichte eintaucht, die aber trotz aller Ausgelassenheit und Glamour-Genuss stets auf den ernsten Kern zurückkommt. Denn letztlich geht es um so viel mehr als nur Schönheitswahn und Chauvinismus. Das spielt sich an der Oberfläche ab, doch dahinter verbirgt sich nichts anderes als die Unterdrückung der Frau. So gilt Ereignis von 1970 als Geburtsstunde der britischen Frauenbewegung im Kampf um Gleichberechtigung. Dass sowieso schon gesellschaftlich benachteiligte Frauen in Konkurrenz um Schönheitsideale treten müssen, ist nur ein weiteres Indiz dafür und verfestigt sich im Film in der Szene, in der sich Keira Knightley als Frauenrechtlerin und Gugu Mbatha-Raw als Teilnehmerin im Bad gegenüberstehen. Sie mögen zwar zwei verschiedenen Lagern angehören, aber eigentlich geht es beiden um die gleiche Sache: Als Frau respektiert zu werden und ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben führen zu können.



Wer ist die Schönste im ganzen Land?
Keira Knightley hätte durchaus selbst eine der Schönheitskandidatinnen spielen können, aber als Frauenrechtlerin macht sie eine noch viel bessere Figur. Sie spielt ihre Rolle mit viel Hingabe und so kraftvoll, dass sie alle Sympathien gewinnt. Zudem ist die Britin, die schon mit 18 durch «Fluch der Karibik» zum Megastar wurde, nicht nur Studentin, sondern auch eine alleinerziehende Mutter und damit eine moderne Frau, die ihrer Zeit weit voraus war und damit auch heutigen Zuschauerinnen eine große Identifikationsfläche zu bieten hat. Ebenso beeindruckend ist Gugu Mbatha-Raw, der man die innere Zerrissenheit, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, voll und ganz abnimmt. Die Tochter einer Engländerin und eines Südafrikaners wurde in Oxford geboren und feierte 2013 mit «Dido Elizabeth Belle» und 2016 mit «Die Erfindung der Wahrheit» erste Erfolge.

Fazit: Was auf dem ersten Blick wie eine heitere Komödie um die schönste Frau der Welt anmutet, entpuppt sich als ehrliche Auseinandersetzung mit Feminismus und Emanzipation.

«Die Misswahl» ist ab Donnerstag, den 1. Oktober 2020, in den deutschen Kinos zu sehen.

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