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So hat der Schöpfer von Filmen wie «Gladiator» und «Alien» hier die Möglichkeit erhalten, sowohl sein Faible für das historisch Religiöse als auch das modern Wissenschaftliche in einem großen Werk zu vereinen. Nach Sichtung der gesamten, aus zehn Episoden bestehenden ersten Staffel scheint es unweigerlich so, als sei diese nichts weiter als der Prolog zum ersten Kapitel einer großen Geschichte, deren genaue Ausrichtung dem Zuschauer aber erst mit Staffel zwei deutlich werden dürfte. Gerade im ersten Dreiviertel der Staffel ist das Erzähltempo als äußerst gemächlich zu bezeichnen. Während sich die eine Hälfte der Zuschauer wohl ein für Ridley Scott gewohntes, weitaus schnelleres, actionreicheres Pacing gewünscht hätte, streut der detailverliebte Regisseur für die andere Hälfte des Publikums eine Unmenge von versteckten Hinweisen und Rätseln, die weitere Handlung betreffend, über die bis zur Ausstrahlung der nächsten Folgen ausgiebig debattiert werden kann.
Dem geschichtsinteressierten Zuschauer etwa wird die Romulus-und-Remus-Analogie der beiden Kindsprotagonisten Campion (Winta McGrath) und Paul (Felix Jamieson) nicht entgangen sein. So wurden die Gründer der Stadt Rom von der kapitolinischen Wölfin gesäugt, worauf offensichtlich auch der Titel der Serie Bezug nimmt. Dass sich der atheistisch erzogene Campion und der streng gläubig erzogene Paul letztlich, wie die Zwillinge in der altrömischen Vorlage, auf gegnerischen Seiten befinden werden, scheint unausweichlich. Da selbst die Religion der Gläubigenfraktion innerhalb der Serie, die an einen Gott namens „Sol“ glaubt, einer römischen Vorlage entstammt, nämlich dem Mithraismus, deren Gott Mithras synonym für den Sonnengott „Sol“ steht, wird Scotts Begeisterung für die historischen Vorlagen abermals überdeutlich gemacht.
Konträr hierzu steht die atheistisch-wissenschaftliche Seite der Serie, die nicht nur allen Fans von düsteren androidbevölkerten Zukunftswelten, wie in Scotts Frühwerk «Blade Runner», allzu bekannt vorkommen dürfte, sondern auch im späteren Verlauf der Staffel die «Alien»-Begeisterten mit ins Boot holen soll. Die Inspiration, die Scott hier aus seinen eigenen Werken zieht, wirkt für Kenner der beiden genannten Filme nicht gerade subtil, insbesondere die Alienkomponente hätte allerdings nicht unbedingt bis zum Finale der Staffel aufgespart werden müssen, da sie auch diejenigen, die mit dem langsamen Erzähltempo der Serie Probleme haben, zum Dranbleiben animiert.
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Der triste Erzählstil, das weitestgehend emotionsgedämpfte Schauspiel und der über die Kamera gelegte Schleicher, der als Stilmittel die Farbe aus der gesamten Verfilmung heraussaugt, ergeben allerdings eine perfekte Symbiose für diese wenig Hoffnung erweckende neue Welt. Die Darstellung dieser Welt gehört zumindest auf technischer Seite zum Besten, was das Medium TV aktuell aufzubieten hat. Die wie zuvor erwähnt etwas spärlichen eingesetzten CGI- und Actionszenen sind, wenn sie denn vorkommen, fast auf Blockbusterniveau. Hier wurde das Budget offenbar an genau den richtigen Stellen gut dosiert investiert.
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«Raised by Wolves» ist bei SkyQ und iTunes jederzeit erhältlich.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
10.10.2020 12:50 Uhr 1
10.10.2020 13:18 Uhr 2
Dieser Religionsmist nervt wahrlich.
10.10.2020 13:46 Uhr 3
10.10.2020 14:46 Uhr 4
Was soll eigentlich die Werbung mit "«Raised by Wolves» ist bei SkyQ und iTunes jederzeit erhältlich. "
Die Serie ist auch bei Amazon, Google und Co zu kaufen/leihen. Von on Demand bei anderen Anbietern ganz zu schweigen.
10.10.2020 20:47 Uhr 5
Sie wurde mir mal von Apple vorgeschlagen und hab sie daher auf meine merkliste gesetzt.
Freue mich daher über jede Rezension in Serien-Thread nach Ende der Staffel.