
Doch sind die Vorwürfe gerechtfertigt, die TikTok Zensur vorwerfen? In der App wird man hauptsächlich mit Unterhaltungsvideos konfrontiert, Videos zu politisch kontroversen Themen sind dagegen kaum auffindbar. Großes Aufsehen erregte Ende des vergangenen Jahres ein Video der Schülerin Feroza Aziz. Getarnt als Beauty-Tutorial macht sie nach ein paar Sekunden auf die Konzentrationslager in China aufmerksam. Das Video generierte zahlreiche Aufrufe, war jedoch kurze Zeit später gelöscht und der Account der Schülerin gesperrt. Schnell wurde der Vorwurf laut, dass TikTok Inhalte zensiert, die der chinesischen Regierung nicht gefallen. Durch medialen Druck unter anderem durch die New York Times wurde die Sperrung schließlich wieder aufgehoben.
Eine Quelle bei TikTok veröffentlichte gegenüber netzpolitik.org die Funktionsweise des Moderationssystems von TikTok. Denn ein Moderator entschiedet nicht einfach, ob das Video online bleibt oder gelöscht wird, sondern teilt jedes Video in eine von sechs Kategorien ein. Vollkommen harmlose und lustige Videos werden gefeatured, erhalten also sogar einen Boost durch den Algorithmus, um besonders oft angezeigt zu werden. Normale, nicht weiter auffällige Videos fallen unter die Kategorie „General“ und werden nur eventuell in einigen Ländern eingeschränkt. Die nächste Stufe „Not recommended“ sorgt dafür, dass das Video nicht mehr im „For you“-Feed erscheint und so nur durch gezieltes Suchen zugänglich wird. Bei der Kategorie „Not for Feed“ wird das Video zusätzlich in den Suchergebnissen abgestuft. In der Stufe „Visible to self“ bleibt das Video zwar faktisch online, ist allerdings nur für den Uploader sichtbar. Der letzte Schritt ist schließlich die Löschung.

Auch wenn TikTok also wiederholt abstreitet, Inhalte aufgrund ihrer politischen Ausrichtung zu entfernen, werden keine Aussagen darüber getroffen, ob bestimmte Videos in ihrer Reichweite eingeschränkt werden. Das Problem dabei ist nun, dass TikTok somit die Inhalte der Plattform ganz gezielt leitet. Erhält man für ein Video, das sich mit politischen Themen beschäftigt, kaum Aufrufe, nimmt der Nutzer an, dass solche Videos nicht gefragt sind. Dahingegen scheint der Upload von lustigen Videos viel verlockender, da mit ihnen größere Aufmerksamkeit generiert wird. Medien beeinflussen durch ihre Inhalte, welche Themen in den Köpfen ihrer Zuschauer präsent sind. Auf diese Weise sorgt TikTok gezielt dafür, dass kritische Auseinandersetzung mit politischen Themen in den Köpfen der Rezipienten nach hinten wandert und das Thema insgesamt an Wichtigkeit verliert.
Zusätzlich wurde in dem Zusammenhang bekannt, dass TikTok die Moderatoren angewiesen hatte, auch Videos von Menschen mit Behinderungen, übergewichtigen Personen oder auch Menschen mit fehlenden Zähnen oder sichtbaren Narben in ihrer Reichweite zu beschränken. Als Grund dafür wurde die höhere Anfälligkeit für Mobbing aufgeführt. Um den Nutzern also nicht dem Cyberbullying auszusetzen, ist die Lösung der Plattform, diese Videos möglichst wenigen Nutzern anzuzeigen. Innerhalb der kurzen Moderationszeit sollen die Moderatoren also entschieden, ob ein Nutzer in diese Kategorie fällt. Darunter werden in dem Regelwerk explizit Richtlinien wie „entstelltes Gesicht“, „Autismus“ oder „Downsyndrom“ genannt.
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