Die Kritiker

«The Boys» – Staffel zwei: Härter und besser?

von   |  3 Kommentare

Reichlich Zorn und Wut erzeugte die Entscheidung der Verantwortlichen bei so manchem Fan die zweite Staffel «The Boys» gestückelt zu veröffentlichen. Trotzdem die richtige Entscheidung?

Ausnahmsweise auf die klassische, aus dem linearen Fernsehen gewohnte, episodenhafte Ausstrahlung zu setzen, rief zum Start der zweiten Staffel «The Boys» einen wütenden Social-Media-Mob hervor. Die Ein-Sterne-Bewertungen auf der eigenen Plattform folgten sogleich.

Nach vollständiger Sichtung dieser Staffel könnte man fast vermuten, dass diese Strategie ein bewusstes psychologisches Experiment des Autoren und Regisseurs Eric Kripke war, der mit diesen Reaktionen genau das bekam, was er wollte. Es passt schon fast zu gut ins Bild, dass relativ zu Beginn der Staffel der Neuzugang „Stormfront“ (Aya Cash) unserem Lyblingspsychopathen Homelander erklärt, was sich im Social-Media-Zeitalter am besten verkaufen lässt, nämlich Gefühle, insbesondere eben Zorn und Wut. Sie sind die Grundthematik dieser Serie, von der sich ein Großteil der Protagonisten auf beiden Seiten antreiben und leiten lässt.

Wenig überraschend wurde versucht mit Staffel zwei alles größer und besser zu machen. Dachte man nach der ersten Staffel zumindest der Gewaltgrad haben den Punkt des visuell Darstellbaren bereits erreicht, so belehren uns diese acht Folgen eines Besseren. Explodierende Köpfe, das Abtrennen von Extremitäten sowie die exzessive Darstellung von Brandleichen gehören zum guten Ton, womit man auch mit dieser Staffel zartbesaitete Zuschauer sicherlich nicht für sich gewinnen dürfte. Glücklicherweise ist die Gewaltdarstellung mittlerweile so übertrieben, dass sie nur noch schwer ernstgenommen werden kann und häufig absichtlich ins absurd-komische übergeht, etwa wenn beispielsweise ein Motorboot in einen gestrandeten Wal hineinfährt. Im Gegensatz hierzu steht der prüde Umgang mit Nacktheit, die trotz durchgeknalltem Superheldensex fast inexistent ist und damit ein typisch amerikanisches Kontrastbild zur expliziten Gewalt darstellt. Staffel zwei ist gespickt mit einer Vielzahl solcher Klischees, die wohl teilweise bewusst und teilweise unbewusst eingesetzt werden. Dass man die Frage, wie man die Darstellung des bitterbösen, sadistischen Psychopathen „Homelander“ als Feindbild noch toppen kann, mit der Einführung der von Aya Cash porträtierten Nazibraut „Stromfront“ beantwortet, passt hervorragend in diese pointierte Ansammlung amerikanischer Wertvorstellungen und Feindbilder.

Man kann zwar durchaus unterstellen, dass es sich mit der Nazithematik bzw. dem Umgang mit Faschismus und anderen gesellschaftskritischen Themen etwas zu einfach gemacht wurde, allerdings ist «The Boys» nicht gerade für Subtilität bekannt und zumeist funktioniert diese Herangehensweise hervorragend. Auch wenn Aya Cash schauspielerisch nicht ganz an den hervorragenden Antony Starr heranreicht, der die Ambivalenz seiner verrückt-bösen Supermankopie in Staffel zwei praktisch perfektioniert hat, so nimmt man ihr die eiskalte Rassistin jederzeit ab. Neben der Einführung einer sektenartigen Kirche als Eins-zu-eins-Kopie von Scientology, deren Handlungsstrang aber eher ins Leere läuft, hat man sich ausgiebig dem initial angesprochenen Thema Social-Media gewidmet und dabei die menschliche Abhängigkeit und die allzu einfache Manipulation, der die Menschheit tagtäglich durch die sozialen Netzwerke ausgesetzt ist, aufgezeigt. Visualisiert wird dies am Beispiel Homelanders, der sich vor nichts mehr zu fürchten scheint, als online bloßgestellt und diskreditiert zu werden. Selbst für einen schier übermächtigen Superhelden ist es wichtig so viele Klicks und Likes wie möglich zu generieren, egal mit welchen Mitteln, um dessen innere Leere zu Füllen.

Als Kontrast hierzu dienen die titelgebenden „Boys“ um Billy Butcher (Karl Urban) und Hughie Campbell (Jack Quaid), die sich kaum weniger darum scheren könnten, was die Gesellschaft von Ihnen hält. Campbell und dessen Freundin Starlight (Erin Moriarty) gehören dabei zum kleinen Kreis der Charaktere innerhalb der Serie, die einen Hauch von Menschlichkeit versprühen und dem Zuschauer eine kleine Verschnaufpause von der übrigen Schar an Soziopathen bieten.

Insgesamt ist es gelungen mit Staffel zwei nahtlos an Staffel eins anzuknüpfen und diese sogar noch ein Stück weit zu verbessern. Wem die zahllosen Gewaltorgien nicht auf den Magen schlagen, kann sich entspannt zurücklehnen und sich trotz teils schwachen Plots über mehr als acht Stunden hinweg bestens unterhalten lassen. Wenn gewünscht sogar in einem Rutsch, denn alle Folgen sind mittlerweile bei Amazon Prime abrufbar.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Torsten.Schaub
17.10.2020 12:10 Uhr 1
Naja, die Serie wird doch nur so gehypt wegen ihrer Brutalität und zensurfreien Aussprache. Man muss es mal so sehen. Da ist eine Gruppe die sich gegen einen Konzern und ihre Superhelden entgegen steht, da die machen was sie wollen. Eigentlich keine schlechte Idee, doch das alles hat einen Harken. Sehen wir es mal ganz ehrlich, wären diese "The Boys" nicht in der Serie enthalten, macht es keinen Unterschied. Mal abgesehen von der Folge 6 in Staffel 2 (bis dahin muss man nämlich warten) haben diese Boys keinerlei Chancen gegen diese bösen Super"helden" und laufen nur von einer Ecke zur nächsten, sie bewirken nix! Sie haben keinerlei Chancen gegen die mit ihren Kräften. Das einzig interessante ist, wie sich der Konzern mit den "Helden" selbst auseinander nimmt und die schöne Welt zerbricht. Die Boys tun wenig dazu. Und außerdem, warum auch "The Boys"? Was soll der dumme Titel. Es sind schließlich nicht nur Boys und sie sind auch nicht mehr so jung um Boys genannt zu werden. Verstehe ich nicht! Also, ob die Boys nun in der Serie sind oder nicht, machte bis zur Episode 6 in Staffel 2 so gar keinen Unterschied und selbst da, sind sie nur Nebendarsteller. Würden sie nichtin der Serie sein, wäre es auch OK.

Ansich fällt also die Serie nur durch ihre wirklich sehr heftigen Gewaltszenen auf und das sie mal eine andere Welt von Superhelden zeigt. Das ist gut, aber viele Folgen sind leider auch grotten Langweilig. Das Potential wird nicht ausgeschöpft und das ist Schade. Da könnte man soviel mehr draus machen.
Blue7
17.10.2020 14:15 Uhr 2
So ist es und das höre ich durch die Bank im Umkreis. Bis Folge 4 der Staffel stinkelangeweile und allgemein betrachtet war Staffel 2 storytechnisch grütze. Keine Ahnung wie Medien und Serienseiten die 2.Staffel so in Himmel loben können.
Sentinel2003
27.10.2020 01:27 Uhr 3
Da kannste doch gleich mal an "vorderste" Stelle Amazon fragen, warum die seit Wochen ihre Startseite gefühlt mit der Serie fast zu pflastern, dass es tierisch nervt!!

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