Die Kritiker

«Der Usedom-Krimi – Nachtschatten»

von

Laute Musik, Drogen, eine viel zu heiße Sauna. Solch eine Mischung kann nicht gesund sein. Es ist demnach nicht wirklich überraschend, dass am Ende einer ziemlich krachenden Partynacht, in der nichts an Spaß ausgelassen wurde, das Leben eines jungen Mannes auf der Strecke bleibt. Allerdings nicht in Folge von zu vielen Drogen oder ähnlichem...

Stab

DARSTELLER: Katrin Sass, Rikke Lylloff, Max Hopp, Till Firit, Rainer Sellien, Merab Ninidze, Jana Julia Roth, Emil Belton, Lea Freud
AUTORIN: Dagmar Gabler
REGIE: Felix Herzogenrath
KAMERA: Dominik Berg
MUSIK: Colin Towns
PRODUKTIONSLEITUNG: Olav Mann
PRODUKTION: Razor Film Produktion GmbH
REDAKTION: Donald Kraemer (NDR), Katja Kirchen (ARD Degeto)
So also beginnt der erste von drei neuen «Usedom-Krimi»s. «Nachtschatten» lautet der Titel und da sind also die Jugendlichen, die in einem Strandhaus mal so richtig die guten Manieren Manieren sein lassen und die Nacht zum Tag machen. Dass ihre Nachbarn nur mit Ohropax schlafen können: Was interessiert es die Feierjugend, was die Nachbarn wollen? Dumm nur, dass am Ende der Nacht nicht nur eine etwas zu grell geschminkte 16-Jährige vor ihrem Ferienbungalow liegt, zugedröhnt und damit ein Fall für den Rettungssanitäter. Nein, sie hat noch Glück, immerhin geht es ihr „nur“ dreckig. Ein Freund von ihr zumindest hat diese Nacht nicht überlebt. Er liegt tot in der Sauna. Ein Opfer von Drogen und etwas zu viel Wärme. Und es ist keine Frage, dass jemand die Tür verschlossen hat. So hatte er keine Chance dieser höchst ungesunden Mischung zu entkommen.

Der Fall liegt in den Händen der deutsch-dänischen Kommissarin Ellen Norgaard, die am Tatort mit einem jungen Mann namens Ben konfrontiert wird, der durch seine Anwesenheit Ellen klarmacht, dass dieser Fall für sie nicht ganz einfach wird. Dieser Ben ist nämlich der Großneffe von Ex-Staatsanwältin Karin Lossow, um die sich das Film- und Figurenuniversum der auf Usedom spielenden Krimis seit dem ersten Fall 2014 dreht. Auch in diesem nunmehr elften Fall leidet sie noch unter dem Verlust ihrer Tochter Julia, die als Polizistin auf Usedom tätig war und selbst Opfer eines Verbrechens geworden ist (2019, «Der Usedom-Krimi: Winterlicht»). Sie lässt es sich nicht anmerken, doch wird sie drauf angesprochen, dann ist da etwas Zerbrechliches in ihrem Blick, das ihren Schmerz belegt.

Nun also ist da ein junger Mann – tot. Und einer der Tatverdächtigen ist ihr eigener Großneffe, den sie kaum kennt. Wie ihr auch sein Vater Rainer ein nahezu unbekannter ist. Ihr Neffe Rainer ist als Kriminalpolizist in München tätig und er reist direkt nach Usedom, um seinem Sohn beizustehen, wovon der nicht wirklich begeistert ist. Man hat Probleme. Allerdings steht Ben bald im Fokus. Er und der Tote hatten Differenzen und da ist ihre Freundin Felice, für die beide gewisse Gefühle verspürten. Aber nicht nur das: Felice ist in dieser Nacht ebenfalls etwas Schreckliches zugestoßen. Immerhin: Es gibt offenbar doch Zeugen. Senioren aus einem Nachbarbungalow. Die möglicherweise mehr mitbekommen haben, als sie sich selbst bewusst sind. Nur liegt von denen bald einer schwer verletzt in den Dünen...

Vorhersehbar, sehr vorhersehbar
Leider fehlt es diesem Kriminalfilm an echten Spannungsmomenten. Und nicht nur das: Die hier aufgeführte Handlungszusammenfassung entspricht grob jener, die die Pressestelle der ARD TV-Redaktionen von Print- und Onlinemedien zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat und die so auch im Presseheft abgedruckt ist. Allerdings wurde hier, an dieser Stelle bewusst ein Handlungsmomentum, welches in der Zusammenfassung vom Ersten aufgeführt wird, ausgelassen. Warum? Da es sich um einen Spoiler so groß wie die Insel Usedom handelt. Zwar wird nicht gleich jene Person namentlich benannt, welche eine Leiter vor der Sauna so drapiert hat, dass sich deren Tür nicht mehr öffnen ließ. Doch liest man, was das Erste an dieser Stelle schreibt, welches kleine Momentum der Geschichte die Pressestelle vorwegnimmt: Ahnt man als Freund oder Freundin von Kriminalfilmen an diesem Punkt der Zusammenfassung bereits, was da wohl auf Usedom geschehen sein könnte – ohne auch nur eine Minute dieses Filmes gesehen zu haben.



Leider trügt hier aber auch der Eindruck nicht. Tatsächlich sind Überraschungen in diesem Film weitestgehend Mangelware. Da sind ein paar kleinere Generationenkonfliktchen, da gibt es einen Konflikt unter Jünglingen in der Brunftzeit um ein nettes Mädchen. Und da ist eine Großtante, die sich dazu berufen fühlt, ihrem Großneffen beizustehen. Auch, da sie wenig Kontakt zu ihrer Familie hat und nun die Chance gekommen sieht, etwas richtig zu machen. Ihre Beziehungen sind halt kompliziert. Einfach? Das wäre ja noch schöner...

Immerhin bietet die Story eine (und zwar wirklich genau eine) recht überraschende Wendung. Um es vorsichtig zu formulieren: Der Fokus der Ermittlungen liegt lange Zeit auf einen sehr kleinen Personenkreis, der dann recht unvorhergesehen erweitert wird. Aber diese eine Wendung ist auch die einzige, die so nicht vorhersehbar ist.

Es wäre unfair, diesen Kriminalfilm als einen schlechten Film zu bezeichnen. Das ist er nicht einmal. Die Darsteller spielen ihre Rollen ohne Fehl und Tadel, visuell bietet er gehobenen Standard, musikalisch hat der britische Komponist Colin Towns sehr atmosphärische Klänge zu bieten und die Geschichte dreht keine unnötigen Pirouetten, sondern ist in sich geschlossen und logisch / nachvollziehbar. Nur ist sie eben leider auch fürchterlich vorhersehbar. Das ist schade.

Ausstrahlungstermin: Donnerstag, 29. Oktober 2020, 20.15 Uhr, Das Erste. Zwei weitere Usedom-Krimis folgen im Wochenrhythmus.

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