In der Wahlnacht gehört der 1973 in Berlin geborene Steffen Schwarzkopf zum Ensemble der Welt-Redaktion. Der Moderator und USA-Korrespondent ist seit der Gründung des Welt-Vorläufers N24 im Team und blickt auf eine lange Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika zurück. Vor der Wahl zwischen Joe Biden und Amtsinhaber US-Präsident Donald Trump sprach er mit Quotenmeter.
Herr Schwarzkopf, vor Ort in Washington, im Zentrum der Macht, fühlt sich dieser Wahlkampf sicherlich anders an als im fernen Europa – trotz der nicht enden wollenden Live-Ticker und Analysen, die auch in Deutschland allgegenwärtig sind. Worin unterscheidet sich die deutsche Berichterstattung über die Kampagnen von Biden und Trump von den Berichten in den großen amerikanischen Medien?
Ich tue mich etwas schwer, die Berichterstattung deutscher Medien aus der Ferne zu beurteilen. Ich habe aber den Eindruck, dass man sich trotz einer manchmal leicht vorhandenen Anti-Trump-Haltung größte Mühe gibt, objektiv über den Amtsinhaber und seinen Herausforderer zu berichten, über Stärken und Schwächen der beiden Kontrahenten. Hier in den USA versuchen das viele Medien gar nicht erst - vor allem die TV-Sender, so mein Eindruck. Nehmen wir Fox News auf der einen, CNN auf der anderen Seite. Wenn ich hier die Berichterstattung verfolge, habe ich zuweilen den Eindruck, es würde über den Wahlkampf in unterschiedlichen Ländern berichtet.
Ein Beispiel: Der konservative Murdoch-Sender fährt momentan die Hunter-Biden-Story rauf und runter: Joe Bidens Sohn soll in dubiose Geschäfte in der Ukraine verwickelt, sein Vater involviert gewesen sein. Wirkliche Belege dafür gibt es keine, Fox News trompetet das dennoch in die Welt hinaus. Auf der anderen Seite CNN: Sämtliche Experten, die on air sind, benehmen sich oftmals wie Pressesprecher der Demokratischen Partei.
Donald Trump ist nicht zuletzt dank des konsequenten Ge- und Missbrauchs von sozialen Netzwerken und seiner Dominanz bei den 24-Stunden-Nachrichtensendern im amerikanischen Kabelfernsehen zum mächtigsten Mann der Welt geworden. Sind das (weiterhin) Eigenheiten der US-Medienlandschaft – oder könnte ein ähnlicher Kandidat auch in Deutschland mit ähnlichen Mitteln denselben politischen Erfolg erringen?
Tatsächlich ist es so, dass Donald Trump so geschickt war - und ist -, viele Medien zu instrumentalisieren. Er sucht die Kameras förmlich, beim Verlassen des Weißen Hauses, bei Ankunft an seinen Reisezielen, bei Kabinettssitzungen, bei Fototerminen mit ausländischen Staats- und Regierungschefs – die dann oft wie bestellt und nicht abgeholt schweigend neben ihm sitzen, während er ausführlich über innenpolitische Themen redet. Er nutzt die Sendezeit, um seine Botschaft ans Wahlvolk zu bekommen.
Die Fernsehsender - auch die eher liberalen - haben dieses Spiel lange Zeit mitgespielt. Inzwischen sind aber beispielsweise CNN und MSNBC davon abgekommen, jede Äußerung des Präsidenten live zu übertragen. Hier in den USA ist Politik auch immer eine gewaltige Show, Amtsträger sind viel ausgeprägtere und bessere Schauspieler als in Deutschland, dementsprechend sind auch die Rezeptoren der Zuschauer deutlich mehr in Richtung Entertainment und Drama ausgerichtet. In Deutschland kann ich mir das in diesem Umfang beim besten Willen nicht vorstellen. Momentan zumindest.
Die amerikanische Medienlandschaft hat sich in den letzten 20 Jahren fundamental gewandelt: Die großen täglichen Nachrichtensendungen bei den Networks haben radikal an Bedeutung verloren; eine zentrale mediale Quelle, aus der sich das ganze Land informiert, gibt es nicht mehr: Hat nicht zuletzt das zur Spaltung des Landes einen enormen Beitrag geleistet – und wie wird die amerikanische Medienlandschaft Ihrer Meinung nach in zehn Jahren aussehen?
Jeder konsumiert die Nachrichten, die ihm am besten schmecken. Diese Entwicklung wurde in den vergangenen Jahren massiv beschleunigt. Ganz simpel ausgedrückt: Trump-Wähler lesen nur die guten Nachrichten über den Präsidenten und die schlechten über Joe Biden. Dasselbe - nur umgekehrt - gilt natürlich auch für die meisten Demokraten. Ich habe allerdings festgestellt, dass sich dieses Phänomen der nachrichtlichen Parallelwelten nicht nur auf die Politik bezieht. Eine gute Freundin von uns ist Polizistin.
Wir verstehen uns bestens - mit ihr aber über Polizeigewalt oder Fehlverhalten von Uniformierten zu diskutieren, ist fast unmöglich. Sie liest quasi nur die Meldungen online, die das Verhalten von Polizisten verteidigen: Der Tod von George Floyd? Er stand ja schließlich unter Drogen und war vorbestraft. Jacob Blake? Der Polizist musste sein eigenes Leben schützen. Und das zieht sich durch alle Bereiche. Die nachrichtliche Spaltung hier in den USA ist enorm.
Gerade viele junge deutsche Medienkonsumenten informieren sich über das US-Geschehen mittlerweile aus „erster“ Hand – zum Beispiel bei YouTube mit den Beiträgen von John Olivers «Last Week Tonight». Inwiefern hat diese Möglichkeit eines „direkteren“ Zugangs zu politischen und gesellschaftlichen Vorgängen in den USA die eigentliche Aufgabe eines US-Korrespondenten verändert?
Auch wir Korrespondenten sind ja längst nicht mehr nur auf unseren klassischen Plattformen unterwegs. Mein WELT-Kollege Daniel Sturm hier in Washington zum Beispiel - eigentlich ein Zeitungs- und Onlinemann. Wir produzieren gemeinsam Podcasts, arbeiten im TV-Bereich zusammen, es wird getwittert, WELT hat natürlich einen YouTube-Kanal und einen Dokukanal auf Englisch. Uns haben da insgesamt über eine Million Leute abonniert.
Dementsprechend richten wir uns natürlich nach unseren Zuschauern: Was interessiert die jüngeren Leute? Welche Themen beschäftigen sie? Davon abgesehen darf ich aber vielleicht ganz unbescheiden darauf hinweisen, dass unsere TV-Quoten steil nach oben gehen. Live-News sind Must-See-TV. Gibt’s bei uns den ganzen Tag. Allein 40 Stunden berichten wir live am 3. und 4. November zur US-Wahl.
Wenn Sie ein beliebtes Missverständnis ausräumen könnten, dem die Deutschen mit Blick auf die USA und die amerikanische Politik gerne anheimfallen – welches wäre es?
Ich wiederhole das quasi gebetsmühlenartig: Donald Trump ist nicht doof. Er ist kein Intellektueller, aber er ist durchaus smart. Und nicht alles, was er tut und sagt, ist grundsätzlich erstmal dämlich. Bestes Beispiel ist meiner Meinung seine Nahostpolitik - da hat der Präsident mehr bewegt als seine Vorgänger. Ich sage das, ohne ihn preisen zu wollen. Aber manchmal muss man auch die Kirche journalistisch im Dorf lassen.
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