Stab
DARSTELLER: Natalia Wörner, Jannik Schümann, Alexander Beyer, Stipe Erceg, Andrea Osvárt, Michael Ihnow, Constantin von Jascheroff, Katharina Nesytowa, Kasem HoxhaREGIE: Roland Suso Richter
MUSIK: Chris Bremus
KAMER: Max Knauer
DREHBUCH: Christoph Busche
So steht die Präsentation eines Projektes an, in dessen Rahmen deutsche und tschechische Forscher gemeinsam eine Künstliche Intelligenz für den Medizinsektor entwickelt haben, die durchaus für Aufsehen sorgt. Im Rahmen der Präsentation ihrer Forschungsergebnisse wird ein Mädchen vorgestellt, das seit einem Unfall querschnittgelähmt ist. Dank eines Exoskeletts, das in der Lage ist, auf verschiedene Bodenbegebenheiten ebenso zu reagieren wie auf die besonderen Bewegungsmuster des das Skelett tragenden Menschen, ist es dem kleinen Mädchen möglich, einige Schritte eigenständig zu gehen. Die Präsentation ist ein voller Erfolg, allein ist Karla Lorenz überrascht, dass Daniel, der auf tschechischer Seite maßgeblich für die Fördergelder dieses Projektes die Verantwortung trägt und viel tiefer in der Materie drinsteckt als sie – mit erheblicher Verspätung zur Präsentation erscheint.
Wegen eines Unfalls, erklärt er ihr, sei er von der Polizei vernommen worden. Ein Junge ist auf seinem Mofa von der Straße abgedrängt worden und er, Daniel, fährt einen Wagen wie den, der den Unfall verursacht hat. Das Problem – sein Wagen hat eine ziemliche Delle am Kotflügel rechts, seit er bei einem Ausparkmanöver eine Wand touchiert hat. Weshalb die Ermittler in diesem Fall von Fahrerflucht ihn ganz schön in die Mangel genommen haben. Die Ermittlungen in diesem Fall führt Jan Horava (Alexander Beyer), zu dem die Diplomatin seit ihrer Versetzung nach Prag eine freundschaftliche Beziehung aufgebaut hat und der überrascht ist, dass Karla Daniel ein Alibi gibt. Denn eigentlich deutet alles auf seinen Wagen hin. Aber zu der Zeit des Unfalls hat Karla mit Daniel zusammengearbeitet: Auch wenn sie so genau nicht auf die Uhr geschaut haben mag. Jan ist von Daniels Schuld überzeugt. Gleichzeitig weiß er aber auch, dass Karla nie lügen würde.
Das Problem: Der Vater des toten Jungen ist ein Streifenpolizist, der seinen Schmerz nicht verbergen kann und beginnt, Daniel nachzustellen.
- © ARD Degeto/Roland Suso Richter
Karla (Natalia Wörner) und Horava (Alexander Beyer) sind in einer schwierigen Situation.
Zur gleichen Zeit ergeben sich im Projekt, das Daniel und Karla wirtschaftspolitisch betreuen, einige Ungereimtheiten. Da ist zum Beispiel der Vorwurf, man würde zwar deutsche und tschechische Gelder investieren, aber profitieren würden nur die Tschechen. Geforscht wird in Prag, die gesamte Infrastruktur befindet sich in Prag. Ja, in einer zweiten Projektphase soll auch in Deutschland geforscht werden. Aber diese zweite Phase ist bislang nur ein Lippenbekenntnis und aus den Reihen der Forscher dringt auch einiges an Unmut nach draußen. Etwa über die undurchsichtige Finanzierung, in der Gelder offenbar hin- und hergeschoben werden.
Nach «Die Diplomatin – Jagd durch Prag» und «Die Diplomatin – Böses Spiel» ist dies der dritte Film der Reihe, der in der tschechischen Hauptstadt entstanden ist. Eine weise Entscheidung. Die ersten beiden Spielfilme aus den Jahren 2016 und 2017, «Die Diplomatin - Das Botschaftsattentat» und «Die Dilpomatin - Entführung in Manila» verfolgten noch das Konzept wechselnder Spielorte (in den beiden Fällen die Philippinen und Tunesien). Es musste somit für jeden Spielort ein neues, visuelles Konzept erschaffen werden, es brauchte einen Grund, warum die Diplomatin nun ausgerechnet hier oder dort arbeitete, bei wechselnden Spielorten brauchte es außerdem stets ein wechselndes Ensemble, auch wenn Karlas Assistent Nikolas Tanz (Jannik Schümann) zumindest eine Konstante darstellt. Seit die Reihe in Prag spielt, sollte eigentlich eine gewisse Ruhe eingetreten sein, die es ermöglicht, sich ganz und gar auf den jeweiligen Fall zu konzentrieren, denn das Umfeld ist etabliert. Was in dieser Episode aber nur leidlich gelingt.
Nebeneinander statt miteinander
In diesem Film sind es nun zwei Fälle, die miteinander kollidieren und in der Person von Daniel Stokr eine Schnittmenge aufweisen. Er ist in das Forschungsprojekt involviert, er könnte mit dem Unfall zu tun haben.
Leider fehlt es der Geschichte am Fokus. Geht es jetzt um den Tod des Jungen? Geht es um die Ungereimtheiten in Bezug auf das deutsch-tschechische KI-Projekt? Sicher geht es um beides, vor allem aber der dramatische Unfall wirkt am Ende aufgesetzt. Ganz so, als habe man einen krachenden Einstieg in die Story gesucht, die kaschieren soll, dass es sich bei der eigentlichen Geschichte dieses Filmes um einen banalen Wirtschaftskrimi handelt. Wobei das Wort banal an sich nicht abwertend gemeint ist: Warum nicht eine Geschichte über seltsame Machenschaften im Hintergrund eines Forschungsprojektes ganz ohne Mord und Totschlag erzählen? Was spricht da eigentlich gegen? Vielleicht die Tatsache, dass dies ein Samstagabendkrimi der Degeto ist.
Da gehört eine Leiche offenbar zum Dessert. Was jedoch verhindert, dass sich der Wirtschaftskrimi wirklich entfalten kann. Sicher, durch den Tod des Jungen werden einige Dominosteine angestoßen, die offenbaren, dass es bei dem Projekt offenbar nicht ganz sauber in der Finanzabteilung zugegangen ist. Doch ist in einem deutschen Kriminalfilm tatsächlich nicht möglich, solche Dominosteine anzustoßen, wenn keine Leiche im Keller liegt – oder in diesem Fall am Rande einer Autobahnbrücke? Da nun natürlich zwei Geschichten parallel erzählt werden müssen, schließlich will man auch wissen, wer da im Auto gesessen hat, fehlt es an einer angemessenen Zeit für den Wirtschaftkriminalfall. Was wiederum zum Nachdenken über das Projekt anstößt, um das es hier geht und das im Grunde auch nur eine schöne Verpackung darstellt. Tatsächlich ist es vollkommen egal, ob hier an Künstlicher Intelligenz geforscht wird – oder, um das Thema Verpackungen aufzunehmen – an einer biologisch abbaubaren Getränkeverpackung. Die Sache mit dem Exoskelett - sieht halt einfach ziemlich gut aus, ist aber in Wahrheit nur ein Eye-Catcher. So wie übrigens der gesamte Look dieses Filmes nicht zu bemängeln ist. Bei aller Kritik am fehlenden Fokus auf der erzählenden Ebene, die Kamera von Max Knauer ist exquisit und erzeugt immer wieder Bilder von erstaunlicher Klarheit. Wie auch der Soundtrack von Chris Bremus zündet, der keine Angst davor hat, in einigen Sequenzen die Szenerie zu bestimmen – statt sich den Bildern unterzuordnen und eher aus dem Verborgenen heraus Emotionen zu generieren.
Bei all diesen Finessen aber fehlt es der Story an echtem Futter. Der Wirtschaftskriminalfall ist am Ende doch recht simpel, da es ihm, um dies zu wiederholen, an Platz fehlt, sich richtig entfalten zu können – weil da eben noch die Geschichte des toten Jungen und dessen Vater neben dem Wirtschaftskrimi abläuft. Mit einer Betonung auf „daneben“. Wäre es der Vater, der nun Wahrheiten über das Projekt ans Licht prügeln würde, dann würden beide Geschichten irgendwann miteinander verschmelzen. Doch solch eine Verschmelzung findet nicht statt. Ja, in der Person Daniels gibt es diese eine Schnittmenge zwischen den beiden Geschichten. Mehr aber leider nicht. Am Ende ist «Die Diplomatin – Tödliches Alibi» leider weder Fisch noch Fleisch.
Der Film läuft am Samstag, 7. November 2020, 20.15 im Ersten.
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