
Bereits 2018 entstand über ihn die Dokumentation «Won‘t You Be and Neighbor?», die in den USA sogar ziemlich erfolgreich in den Kinos lief. Das war sicherlich ein weiterer Grund, den liebenswerten Moderator auch noch in Spielfilmform zu ehren. Kein Geringerer als der zweifache Oscar-Gewinner Tom Hanks («Philadelphia»/«Forrester Gump») porträtiert den wunderbaren Mr. Rogers mit seiner einnehmenden Art, um ihn auch dem deutschen Publikum etwas näherzubringen, die wohl eher mit dem Sandmännchen als mit Dem Fernsehnachbar abends beglückt wurden. Ursprünglich sollte «Der wunderbare Mr. Rogers» ins Kino kommen, stattdessen kam Corona. Nun wurde das Werk in den Streaming-Dienst geschickt. Mal sehen, wie es ankommt.
Kein Haar in der Suppe
Mit der Kinderserie «Mr. Rogers‘ Neighborhood» ist Fred Rogers (Tom Hanks) schon längst einer der beliebtesten TV-Moderatoren der US-Geschichte geworden. Dabei hat er an seiner Show kaum etwas geändert und ist auch privat stets der zuvorkommende Nachbar geblieben wie man ihn aus dem Fernsehen kennt. So viel Freundlichkeit macht aber auch stutzig. Kein Mensch kann nur liebenswürdig sein. Wo sind die Abgründe des Mr. Rogers, die er bisher gewiss gut kaschieren konnte.
So wird der Investigativ-Journalist Lloyd Vogel (Matthew Rhys) auf ihn angesetzt, das Haar in der Suppe zu finden. Kein Job, nach dem sich Lloyd gerissen hat, zumal er ganz andere Sorgen hat und immer wieder mit seinem kranken Vater (Chris Cooper) in Konflikt gerät. Er kontaktiert Fred Rogers, der ihn sofort einlädt und für den gestressten Reporter zu einem guten Gesprächspartner wird. Aber so sehr Lloyd auch das Vertrauen von Mr. Rogers findet, der Mann behält seine blütenweiße Weste. Stattdessen bekommt Lloyd von ihm eine Lektion fürs Leben erteilt, die alles heilen lässt.
Der nette Onkel von nebenan

Tom Hanks alias Mr. Rogers bleibt der nette Onkel von nebenan - etwas spooky, aber authentisch. Weshalb immer mehr Rhys als gar nicht glücklicher Zeitgenosse die Handlung bestimmt und uns alltägliche Familiensorgen aufdrängt. Wenn‘s gar nicht mehr weitergeht, kommt Mr. Rogers zum Vorschein und hat immer ein herzliches Wort auf den Lippen. Teilweise wirkt er wie die gute Fee aus einem Märchen, aus dem der böse Wolf jedoch komplett herausgestrichen wurde. So plätschert die Story irreparabel vor sich hin, ohne Höhen und Tiefen. Das Publikum soll rein auf der emotionalen Ebene abgeholt werden, und das führt Regisseurin Marielle Heller («The Diary Of a Teenage Girl») in eine derart schmalzige Ecke, das es kaum erträglich ist.
Der gefühlvolle Tom Hanks
Angefangen hat Tom Hanks als quirliger Kasperle, der in Komödien wie «Geschenkt ist noch zu teuer» und «Big» seine ganze Komik rausließ. Nach seinen beiden Oscars war er auch als Charakterkopf gefragt, begeisterte als Astronaut («Apollo 13») ebenso wie als Gangster («Road to Perdition»).
Mit über 60 ist er hier zum Märchenonkel mutiert. Auch das kann Hanks, weshalb er nach 19 Jahren erstmals wieder für einen Oscar nominiert war. In der Kategorie ‚Bester Nebendarsteller‘ verlor er im Februar 2020 zwar gegen Brad Pitt für «Once Upon a Time in Hollywood», aber womöglich war er auch nur nominiert, weil er sich den wunderbaren Mr. Rogers einverleibte und als Idealbesetzung für diesen Gutmenschen gilt - wer weiß...
Fazit: Fred Rogers ist nicht die Figur, die einen Spielfilm belebt. Dafür trieft der Schmalz. Zu schön, um wahr zu sein, aber auch ziemlich spannungslos.
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