Nun gut, «Das Traumschiff» im ZDF hätte mit Florian Silbereisen als Kapitän sicher mehr Zuschauer vor den Fernseher gelockt. Reisen in die Karibik mit Heiratsschwindlern an Bord oder zufällig zusammen urlaubenden Zwillingen, die sich seit 30 Jahren nicht mehr gesehen haben, versprechen halt auch leichte Kost. Das, was rund 400 Forscher aus 20 Nationen knapp über ein Jahr lang bei der Expedition „Mosaic" erlebten, war hingegen harte Arbeit. Nein, mehr als das.
Die nicht ganz eineinhalb Stunden lange Dokumentation war spannender als der «Tatort» am Abend zuvor. Otto Normalbürger kann zwar sicher mit einem Eisbecher mehr anfangen als mit einem Eisbrecher. Doch um den ging´s in dem Film. „Driften wir halt mal über das Nordpolarmeer!", dachte sich die Crew und legte los. Ein Filmteam war mit an Bord und zeichnete auf, wie das Forschungsschiff „Polarstern" und seine Mannschaft in der Arktis unterwegs war in Sachen Forschung: Entdecken, warum das Eis schmilzt und was das bedeuten kann für die Menschheit.
Reality-TV mal anders. Wenn man einen Kabeljau 300 Meter unter dem Eis geangelt hat, irgendwann im künstlichen Licht der Masten ein Polarfuchs vorbeiläuft oder wegen minus 38 Grad draußen bei dagegen plus 20 drinnen eine Fensterscheibe zerbarstet, dann: Willkommen im Nordpolarmeer! Sogar zwei eigene Wächter für Polar- und Eisbären waren dabei, die gefährlich werden konnten. Also die Bären! Natürlich fuhren auch ein Schiffsarzt und eine Krankenschwester mit. Und ein Koch, eine Bäckerin. „Versagt die Kombüse, ist die Stimmung im Keller!"
Mehr als 150 Millionen Euro Budget musste die Wissenschaft aufbringen für diese «Expedition Arktis». Das Suchen einer Eisscholle war schon schwer, weil viele nicht mehr ausreichend dick genug sind, um eine Forschungsstadt ein Jahr lang zu tragen. Bei Sibirien ließ sich der „Polarstern" einfrieren am lebensfeindlichsten Ort der Erde bei Grönland mit bis zu minus 40 Grad, an manchen Tagen nur Dunkelheit. Während der Polarnacht sieht man fünf Monate die Sonne nicht.
„Ice, Ice Baby": Angelegt an die Scholle wurden die Maschinen erstmal ausgemacht. Nun waren beim Driften über die Arktis nur noch Strom und Wärme wichtig. Geräte froren trotzdem ein. Kein Wunder bei einer gefühlten Temperatur bei Wind von minus 52 Grad. Man kann die Dokumentation eigentlich mit Worten schwer beschreiben. Man muss sie sehen. Die Bilder sind wichtig. Von der ständigen Dunkelheit. Vom Weiß von Schnee und Eis. Oft wirkt es blau. Auch ohne Alkohol.
Reduziertes Leben: Einmal die Woche öffnet zumindest der Bordshop mit Zahnbürsten oder Haarwaschmittel. Für alle Forscher, die ein Jahr auf den Einkauf via „amazon" verzichten mussten. Für die Meereis- oder die Schneephysikerin. Dass es solche Berufe gibt, wissen wohl die wenigsten... Die Biogeochemikerin untersucht den Geruch des Meeres. Ein Flugballon mit Kameras in 1500 Meter Höhe liefert beeindruckende Bilder. Und Daten. Die Ergebnisse will das Team an die Politiker bringen, eindeutige Fakten liefern.
Eine 80 Minuten lange Reportage, fesselnder als jeder Krimi. Weil´s kein Fachbeitrag für Wissenschaftler wurde, sondern die faszinierende Schilderung der Arbeit in einer eiskalten und stockdunklen weißen Wüste. Für alle Wissenschaftler ist nach dem Jahr noch mehr klar: Das Eis darf nie verschwinden! Aber es wird höchste Zeit, Maßnahmen gegen die schon lange angelaufene Schmelze einzuleiten...
Übrigens: Traumschiffe wie die von Käpt´n Silbereisen tragen maßgeblich zum das verursachenden Klimawandel bei... Den Zuschauern des ZDF mag das mutmaßlich egal sein.
Die ARD meldet für Montagabend eine Quote von 12,6 Prozent. 4,23 Millionen sahen in Deutschland die Doku. Bei den 14- bis 49-Jährigen waren es nur 0,98 Millionen. Fast zu erwarten, dass die wichtigste Zielgruppe lieber «The Masked Singer», «Bauer sucht Frau» oder anderes anschaute.
«Expedition Arktis - Ein Jahr. Ein Schiff. Im Eis.» ist in der ARD-Mediathek zu sehen. Der Beitrag lief Montagabend im Hauptprogramm im Rahmen der Themenwoche „#Wie leben - bleibt alles anders".
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