Seit Januar 2013 ist die crossmediale Daily Soap von RTLZWEI eine feste Größe im Vorabend des deutschen Fernsehens. Bei RTLZWEI kümmern sich die Redakteure Tara Havelka und Marcus Haubert um die Entwicklung der Plots und des Casts – in enger Abstimmung mit der Produktionsgesellschaft filmpool Entertainment in Köln.
Marcus ist Executive Producer in der Redaktion «BTN» & «Köln 50667», die von Nils Trümpener geleitet wird, und (mit einer Unterbrechung) von Anfang an bei «Köln 50667». Mit einer Kollegin betreute er den Start der Soap, die als Spin-off von «Berlin – Tag & Nacht» entstand. Tara ist ebenfalls Executive Producer im selben Team. Sie stieß 2017 zum Format.
Das Format hat verschiedene Entwicklungsstufen hinter sich. Gestartet ist es als Realtainment-Format oder Dokuserie, wurde dann aber bald offiziell zur Soap. War das Genre nicht von Anfang an klar?
Tara: RTLZWEI hat mit seinen Daily-Soaps damals etwas völlig Neues erfunden. Das wollte man mit der Genre-Bezeichnung zum Ausdruck bringen: Die Formate waren gescriptet, aber sie haben mit der Fiktion gespielt, echt zu sein. Diese Fiktion wurde in der Kommunikation und im Marketing aufrechterhalten, und die Darsteller sind nur unter ihren Rollennamen aufgetreten. Das hat am Anfang viel Verbundenheit mit dem Format erzeugt. Die Fans hatten einen Kick dabei, dieses Spiel aus Realität und Fiktion mitzuspielen. Aber irgendwann haben wir gemerkt, der Reiz schwindet, dieses Spiel hat sich überholt.
Auch «Berlin – Tag & Nacht» wurde wie «Köln 50667» anfangs konsequent „in universe“ erzählt, es wurden also nur die Charakternamen verwendet und nicht die der Darsteller. Warum seid ihr dann etwa zur gleichen Zeit davon abgekommen?
Marcus: Als wir mit den Soaps angefangen haben, hatten die Darsteller noch keine eigenen Social-Media-Auftritte. Das hat sich natürlich geändert und sie hatten jede Menge Follower. Ließ sich auch nicht verhindern, wir konnten sie ja nicht einsperren (lacht). Schon von daher war es nicht möglich, das in-universe-Spiel weiter durchziehen.
Ihr kennt den Vorwurf, dass dem Publikum Realität vorgegaukelt wird. Glauben Zuschauer wirklich, dass sie hier die Wirklichkeit sehen?
Marcus: Nein, die unterscheiden genau. Auf unseren sendereigenen Social-Media-Kanälen zum Format bleiben wir in-universe. Denn auf Facebook, Instagram usw. erzählen wir die Geschichten weiter. Da machen die Fans weiterhin gerne mit, geben den Charakteren Ratschläge usw. Sie wissen aber selbstverständlich, dass das erfundene Figuren sind.
Tara: Auf rtl2.de oder in der Presse sind wir dagegen out-of-universe. Da können wir zum Beispiel Interviews mit Daniel Peukmann oder mit Carolina Noeding anbieten, Privates aus dem Leben der Darsteller erzählen, wenn jemand heiratet, schwanger wird oder so. Das wäre früher nicht möglich gewesen. Trotzdem ist es noch immer so wie bei jeder TV-Serie: Die Zuschauer fiebern mit Mark oder Jule und vergessen während der Folge die Schauspieler.
Erlaubt out-of-universe auch ein anderes Erzählen innerhalb der Soap?
Tara: Ja, durchaus. Man kann etwas mehr aus dem Vollen schöpfen, dramatisieren. Natürlich sind wir noch immer Reality-Soap, die Figuren und Geschichten müssen nahbar sein und echt, aber in der Umsetzung nicht komplett realistisch. Wir haben früher manchmal diskutiert: Kann man das so drehen? Wäre in einer echten Doku die Kamera in dieser Szene so dabei? Da sind wir jetzt freier.
Wird «Köln 50667» unabhängig von «BTN» entwickelt oder stimmt man sich ab bei dem, was man hier oder dort ausprobiert?
Tara: Die beiden Soaps sind autark, mit eigenen Redaktionen, Autoren und Produktionsteams. Wir achten darauf, dass wir nicht gleichzeitig sehr ähnliche Geschichten erzählen.
Marcus: Ganz ausschließen können wir nicht, dass sich Themen doppeln, aber das ist gar nicht so schlimm, denn die Charaktere sind anders und erleben die Geschichten völlig verschieden. Wie im echten Leben.
Auch andere Darstellungsformen haben sich geändert. Lange gab es voice-over der Charaktere, dann wurde auf Interviews gewechselt, in denen die Charaktere das Geschehen kommentieren. Warum?
Marcus: Wir sind als Spin-off von «BTN» gestartet, wollten aber dennoch anders sein, einen eigenen Stil haben. Bei «BTN» waren die gesetzten Interviews ein wichtiges Element, deshalb haben wir versucht, über die voice overs anders zu erzählen. Das hat gut funktioniert, aber irgendwann wollten wir die Erzählung noch echter wirken lassen, und da sind die gesetzten O-Töne ein effektives Mittel. Mittlerweile ist es eine Mischung, je nach dem, was gerade besser passt. Idealerweise sollte eine Szene aber selbsterklärend sein. Deshalb dürfen diese Mittel kein Selbstzweck sein und sollten sparsam eingesetzt werden.
Haben «Köln 50667» und «BTN» die gleichen Zielgruppen oder gibt es Unterschiede?
Marcus: Köln sollte damals ein zusätzliches Angebot sein. BTN war sehr jung und ausgeflippt. Die Köln-Charaktere waren schon einen Schritt weiter, mit festen Jobs und mit beiden Beinen im Leben, aber beide Soaps gefallen den gleichen Zielgruppen.
Tara: Es gibt Hardcore-Fans für Köln und BTN, die jeweils die andere Soap nicht anschauen, aber insgesamt ist die Affinität für beide hoch.
Marcus: Wir streben einen eigenen Style an und wollen mit anderen Typen Geschichten erzählen. Aber am Ende sind wir der Vorlauf für BTN. Wenn wir gute Quote machen, dann läuft meistens auch BTN besser. Es ist ein Geschwisterverhältnis. Die Formate haben Gemeinsamkeiten, aber auch eigene Persönlichkeiten.
Wie schafft ihr es, die bestehenden und neue, junge Fans für die Soap zu begeistern?
Marcus: Hier hilft uns die Multichannel-Strategie sehr. Wir z.B. haben eine sehr junge und sehr große Community auf YouTube, und der Kanal wächst weiter. Gleichzeitig wählen wir die Geschichten und den Cast so, dass sie verschiedene Bedürfnisse bedienen. Wir sind froh, dass wir Darsteller haben, die von Anfang an dabei waren und für die langjährigen Fans wie alte Freunde sind. Für die neuen Fans entwickeln wir den Cast ständig weiter, suchen neue Gesichter und Themen. Die Mischung macht’s. Dann schauen vielleicht auch Eltern mit ihren Kindern gemeinsam zu.
«Köln 50667» ist eine Crossmedia-Soap, es ist also ganz wichtig, was auf Facebook, Instagram und YouTube stattfindet. Ist Facebook noch immer der wichtigste Kanal für das digitale Storytelling?
Marcus: Das hängt von der Zielgruppe und Nutzungssituation ab. Wir haben zum Glück Experten bei RTLZWEI und bei filmpool, die sich um nichts anderes kümmern als die Aussteuerung und Optimierung der verschiedenen Kanäle. Der kreative Austausch zwischen der Redaktion, den Autoren und diesen Kollegen ist sehr wichtig und inspirierend. Auch im Hinblick darauf, einen Einschaltimpuls für die lineare Ausstrahlung zu schaffen, dem noch immer wichtigsten Kanal.
Ihr baut immer wieder auch sozial relevante Themen in die Handlung ein, wie sexuelle Gewalt, Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum usw. Teilweise arbeitet ihr dabei mit Vereinen und Hilfsorganisationen zusammen. Warum macht ihr das?
Tara: Wir wollen die Leute ja bewegen und erreichen mit den Themen, die sie möglicherweise selber betreffen. Das sind natürlich in erster Linie positive Dinge wie Liebe, Freundschaft usw., aber auch Probleme des Alltags, der Psyche, oder andere Herausforderungen. Das ist eine feine Balance, weil wir ja doch vor allem Eskapismus bieten. Die Mischung aus allem ist es, die uns unterhaltsam, aber auch authentisch und relevant macht.
Ihr wählt die Themen also vor allem nach den Bedürfnissen der Zielgruppe aus und nicht, weil etwas gerade trendet oder in der Gesellschaft debattiert wird?
Tara: Wir wollen die besten Geschichten erzählen. Wir setzen uns nicht z.B. auf das Thema Nachhaltigkeit drauf, weil da gerade alle drüber sprechen, sondern die Autoren entwickeln die Geschichten von den Figuren, dem Ensemble her: Was fühlt sich da richtig an als nächstes? Wenn in diesem Rahmen ein sozial relevantes Thema eine Rolle spielen könnte, dann greifen wir das gerne auf.
Marcus: Anders funktioniert das auch nicht. Wenn das nicht zum Cast passt, wirkt es sofort aufgesetzt und belehrend. Es gibt auch so eine große Bandbreite an Themen, wo wir die Zuschauer mitnehmen und auch den richtigen Umgang damit vermitteln können. Denn natürlich lernen viele Zuschauer über Soaps auch etwas über soziales Miteinander, reflektieren Verhaltensweisen und schauen sich was ab.
Der Vorbildcharakter von Soap-Charakteren ist euch also bewusst? Es geht nicht alles, obwohl es vielleicht gute Quote bringen würde?
Tara: Der erhobene Zeigefinger passt nicht zu unserem Format. Unsere Figuren suchen schon manchmal die grenzüberschreitende Erfahrung, das gehört zum Markenkern. Aber das ist dann eben nicht immer zu ihrem Besten. Vorbildhaft ist man auch, wenn gezeigt wird, was passiert, wenn man in einem bestimmten Moment nicht die klügste Entscheidung trifft. Wir machen hier täglich Feintuning, wie bei dem Gleichgewicht zwischen Eskapismus und Realität.
Was erwartet uns in den kommenden Monaten? Spoilert ihr zum Abschluss ein bisschen?
Tara: Tja, einfach einschalten! (lacht) Nur so viel: Bis zum Jahreswechsel stehen Jule und Marc im Fokus. In der 2000. Folge passiert etwas, das ihr Leben verändert.
Marcus: Es wird sehr dramatisch, spannend, und auch berührend.
Herzlichen Dank
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