Die Kino-Kritiker

«Shining» – Das 40. Jubiläum eines Horrorklassikers

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Im Oktober 1980 kam die Verfilmung von Stephen Kings Roman „The Shining“ in die deutschen Kinos.

Bereits 1977 veröffentlichte Stephen King seinen Roman „The Shining“ und war zunächst ganz glücklich darüber, dass kein Geringer als Meisterregisseur Stanley Kubrick (†79) sein Interesse bekundet, ihn verfilmen zu wollen. King schrieb sogleich ein Drehbuch, dass von Kubrick jedoch abgelehnt wurde. Stattdessen schrieb er die Geschichte zusammen mit Diane Johnson um - sehr zum Ärger des Originalautors, aber zur Freude aller Film- und Horrorfans. Denn es sind vor allem die Änderungen, die der Verfilmung von 1980 diesen mysteriösen Anstrich gegeben haben.

Weil Vieles ungeklärt bleibt, und das lässt bis zum heutigen Tage Raum für die düstersten Spekulationen. Der beste Beweis, dass es Kubrick richtig gemacht hat: 1997 gab es unter der Federführung von Stephen King ein TV-Remake von «Shining», dass mit billigen Gruseleffekten auf über vier Stunden Länge gezogen wurde und heute keinen mehr interessiert. Kubricks «Shining» indes ist auch nach 40 Jahren einer der unheimlichsten Filme aller Zeiten geblieben. Als 2019 Kings Fortsetzung «Doctor Sleeps Erwachen» ins Kino geschickt wurde, huldigte man Kubricks Werk, und das im Einvernehmen mit Stephen King, der mit der zuvor von ihm so verhassten Verfilmung wohl seinen Frieden gemacht hat. Kubrick hatte seinerzeit übrigens zwei Fassungen geschnitten: Eine für den europäischen Kinomarkt und eine um knapp 25 Minuten längere Fassung für den US-Markt, die uns lange vorenthalten blieb, aber inzwischen endlich zur Verfügung steht.

Betrete niemals Zimmer 237
Gleich mit der ersten Einstellung gerät jeder in den Bann der Geschichte. Auf einer einsamen Landstraße in den Bergen Colorados fährt ein kleiner VW entlang. Die fremdartige Musik verheißt nichts Gutes, doch Jack Torrance (Jack Nicholson), seine Frau Wendy (Shelley Winters) und ihr gemeinsamer Sohn Danny (Danny Lloyd) sind zuversichtlich, dass ihnen eine gute Zeit bevorsteht. Jack hat einen Job im Overlook-Hotel angenommen, dass in den Wintermonaten geschlossen bleibt, aber dennoch versorgt werden muss.

Das Personal ist bereits am Gehen als Danny von dem Koch Dick Hallorann (Scatman Crothers) angesprochen wird, der sofort erkennt, dass der Sechsjährige ein ganz besonderes Kind ist. Danny hat wie auch der Koch das Shining, die beiden können gedanklich miteinander kommunizieren und haben die Gabe der Vorahnung. Ebenso spüren sie, wenn etwas nicht stimmt, und im Overlook stimmt vieles nicht. Es ist ein Ort des Schreckens, ganz besonders das Zimmer 237, weshalb Danny von Hallorann eindringlich gewarnt wird, es niemals zu betreten. Schon bald wird das Hotel eingeschneit und Danny fürchtet sich. Er spürt, dass das Böse langsam Besitz von seinem Vater ergreift. Von Wahnvorstellungen befallen, greift er irgendwann zur Axt, bereit seine Familie zu töten.

Ein Ort des Schreckens
Stephen King hat stets bemängelt, dass in Kubricks «Shining» die eigentliche Hauptfigur, nämlich das Hotel, von Jack Nicholson in den Hintergrund gedrängt wird. Nun ist es schwierig, einem feststehenden Gebäude Leben einhauchen zu wollen, sodass es vielleicht wie ein eigener Charakter agieren könnte. Dennoch schafft es Kubrick, dass die langen Gänge und riesigen Hallen des Hotels rätselhaft und gespenstisch wirken. Man bekommt einen Eindruck von der Größe des Gebäudes, in dem man sich schnell verloren fühlt. Noch schlimmer ist es, wenn man sich ausgeliefert fühlt, und genau das passiert mit dem ersten Schneesturm und das Böse gewinnt an Kraft und bringt labile Menschen um den Verstand.

Jack Torrance ist ein solcher Mensch, denn er war dem Alkohol verfallen, und das wird ihm in der Abgeschiedenheit erneut zum Verhängnis. Im Film wird das aber nie ausgesprochen, als Zuschauer muss man sich solche Details selbst erarbeiten, um in die kranke Psyche des Jack Torrance vorzudringen. Ein Alkoholiker-Drama zwischen Sein und Schein ist «Shining» deshalb aber nicht. Der Film ist mehr, er schärft unsere Sinne für das Übernatürliche. Man mag ein abgeklärter Mensch sein, aber die Geschehnisse im Film verwirren immer wieder von Neuem, egal wie oft man den Film schon gesehen hat. Man sucht nach Erklärungen, will die Zusammenhänge erkennen, um zu einer logischen Schlussfolgerung zu kommen. Aber genau das erlaubt uns Kubrick nicht. Weshalb das aus Hecken gebaute Labyrinth eine starke Symbolkraft besitzt. Man begibt sich hinein, sucht den Weg nach draußen und stößt stets auf neue verwinkelte Ecken und Enden.

Das Eigenleben eines Films
Ein Grund, sich «Shining» wieder und wieder ansehen zu wollen, um am Ende womöglich festzustellen, dass die Gesetze von Raum und Zeit hier keine Gültigkeit haben. Genau das ist dabei so gespenstisch. Was die ‚neuen‘ Szenen aus der uns bisher vorenthaltenden US-Version anbelangt, lässt sich sagen, dass zwar einige interessante Hintergrundinformationen über die Hauptfiguren gegeben werden, aber an der unheimlichen Stimmung ändert das nichts. Inzwischen hat der Film längst selbst zum Eigenleben gefunden.

Fans glauben, immer wieder etwas Neues in ihm zu entdecken, versteckte Hinweise, die Kubrick eingebaut hat, um Allegorien zu anderen gesellschaftspolitischen Themen zu setzen. 2013 entstand darüber sogar der Dokumentarfilm «Room 237». Verschwörungstheorien wie etwa die, dass die Mondlandung von 1969 nie passiert ist und von Kubrick im Studio inszeniert wurde, weshalb Danny in eine Szene einen Pullover mit einer aufgestickten Rakete trägt, werden dabei ins ad absurdum geführt.

Fazit: «Shining» ist einer der eindringlichsten Gruselschocker der Filmgeschichte, der uns auch nach 40 Jahren noch Gänsehaut einjagen kann und nun endlich in einer um 25 Minuten längeren Fassung vorliegt.

«Shining» kann bei allen Online-Diensten gegen Gebühr bezogen werden.

Kurz-URL: qmde.de/123074
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