Die Kritiker

«Alle Nadeln an der Tanne»

von

Anna Loos und Marcus Mittermeier spielen ein ungleiches Geschwisterpaar, das an Weihnachten wieder zueinander finden muss. Unsere Vorab-Kritik.

Stab

Darsteller: Anna Loos, Marcus Mittermeier, Simon Schwarz, Leo Bilicky, Bettina Mittendorfer, Jana Münster
Drehbuch: Uli Brée und Rupert Henning
Schnitt: Benedikt Rubey
Kamera: Sebastian Thaler
Regie: Mirjam Unger
Szenenbild: Patrick Steve Müller
Eigentlich ist das Leben von Maria Koslowski (Anna Loos) gar nicht so sehr kompliziert: Sie zieht einen selbstständigen Vertrieb von naturbelassenen Kosmetika für Spielerfrauen im Münchener Umland hoch, während ihr entfremdeter Ehemann mittlerweile ins Gästezimmer ausquartiert ist; auf den Ernährungsplan ihres immens allergischen Sohnes muss sie dabei immer ein Auge haben, während ihre siebzehnjährige Tochter eben etwas teenagert. Doch all das sind beherrschbare Probleme.

Bis eines Tages das SEK anruft und ihr berichtet, dass ihr Bruder Moritz (Marcus Mittermeier) auf dem Dach einer Klinik steht und wohl gleich springt. Zum Glück kann sie ihn mit ein paar netten Worten vom Abgrund wegreden. Doch aus Pflichterfüllung und Liebe weist sie ihn auf eigenes Risiko aus dem Krankenhaus aus – und mutet ihn ihrer Familie zu.

Jetzt müsste endgültig der Wahnsinn losgehen – denn Moritz ist völlig durch den Wind. Seit seinem Verkehrsunfall in Algerien leidet er unter einem Schädel-Hirn-Trauma, das ihm neben Gedächtnislücken und schweren depressiven Episoden auch eine nahezu vollständige Desorientiertheit beschert. Nur seine Schwester kann er zuordnen – und auch ihren Waschlappen von Ehemann (Simon Schwarz) hat er immerhin noch ganz gut in Erinnerung.

All das erhöht natürlich den Druck auf Maria, während die Abstecher von Ehemann und Sohn in den Wald zum Klauen eines Christbaums natürlich auch noch an den Nerven zehren. Außerdem ist ja bald Weihnachten – und das Chaos wird immer perfekter.

Während all das passiert, stoßen wir in das Mysterium vor, das uns dieser Film als Rätsel aufgibt: Was ist nur mit Moritz los, wer ist diese Frau, von der er ständig phantasiert, und woher spricht er ein so geschliffenes Arabisch, dass ihn die Nachbarin prompt für einen Selbstmordattentäter hält?

Doch die Veränderungen in Marias Leben fallen durch den unverhofften Besuch eigentlich noch viel gravierender aus als der langsame Genesungsprozess von Moritz: Bald bekommen wir mit, dass ihre Ehe nicht nur deshalb auf der Kippe steht, weil ihr Mann nachts metaphorisch und tagsüber im Wald tatsächlich einen Baum nach dem anderen rodet. Und tief im Unterbewusstsein lauert auch noch die versoffene, unmenschliche, grobschlächtige Vaterfigur, an deren seelischer Grausamkeit beide Kinder heute noch zu knabbern haben.

Es liegt eher an Anna Loos‘ und Marcus Mittermeiers warmherzigem Spiel, dass vieles an dieser überschaubar treffsicheren emotionalen Rechnung aufgeht. Denn auf dem Papier hat «Alle Nadeln an der Tanne» nur wenig neue Ideen zu bieten und bleibt gleichzeitig bei den vorsichtig gesetzten Themen – Aufarbeitung von alten Enttäuschungen in der Familie, die Rückfindung in das eigene Leben und das Friedenschließen mit der eigenen Biographie – zu oberflächlich, um wirklich durchgreifend überzeugen zu können.

Das ZDF zeigt «Alle Nadeln an der Tanne» am Donnerstag, den 17. Dezember um 20.15 Uhr.

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