Stab
CREATORS: Miles Orion Feldsott, Rick RemenderEXECUTIVE PRODUCERS: The Russo Brothers
REGIE: Adam Kane, Lee Toland Krieger, Paco Cabeza, Anthony Leonardi III, Ami Canaan Mann, Alexis Ostrander, Wayne Yip
MUSIK: Nathan Matthew David
KAMERA: Owen McPolin, Tim Ives (eine Episode)
PRODUKTIONSDESIGN: Dustin Farrell, Caroline Hanania
KOSTÜME: Ellen Anderson, Kim Wilcox
DARSTELLER: Benjamin Wadsworth, Benedict Wong, Lana Condor, María Gabriela de Faría, Luke Tennie, Liam James, Taylor Hickson, Jack Gillett, Olivia Cheng, David Zayas, Henry Rollins
Sicher gibt es Ausnahmen. Serien, die etwa mit dem Label «Star Trek» im Namen werben können. Natürlich gibt es im linearen Fernsehen jede Menge Serien, die im Wochenrhythmus ihr Publikum finden. Allerdings hat es seine Gründe, warum das Gros dieser Serien vertikal ihre Geschichten erzählen und auf der horizontalen Ebene eher zurückhaltend agieren. Im Netflix getriebenen Serienzeitalter, das damit wirbt, alles jederzeit sofort greifbar serviert zu bekommen, ist es schlicht und ergreifend unglaublich schwierig geworden, das Interesse der Zuschauerschaft an einer Serie über einen längeren Zeitraum hinweg aufrecht zu erhalten, wenn das Publikum gezwungen wird, einer durchgängigen Geschichte zu folgen. Warum zehn Wochen jeden Montagabend vor dem Fernsehen sitzen, wenn Netflix ähnliche Serien en bloc serviert? Wenn dann noch ein eher kleiner Sender wie Syfy als Produzent auftritt und die Serie dort ihre Erwartungen nicht erfüllen kann, ist das Schicksal dieser Serie besiegelt. Und im Fall von «Deadly Class» ist das eine regelrechte Tragödie.

Die Handlung
Es ist 1987 und Marcus lebt auf der Straße. Er ist 16, vielleicht 17. Sein tatsächliches Alter wird nie genannt. Ein Zuhause hat er nicht, seit seine Eltern bei einem fürchterlichen Unfall ihr Leben verloren haben. Eine Selbstmörderin hat sich von einem Turm gestürzt und seine Eltern, die zufällig unterhalb dieses Turmes spazieren gingen, mit in den Tod gerissen. Ist er eh bereits ein Außenseiter, sein Vater war Nicaraguaner, seine Mutter eine weiße Amerikanerin aus Kansas, hat ihn dieses Schicksal direkt in ein Waisenhaus geführt – in dem er sechs Menschen ermordet haben soll. Er hat ein Feuer gelegt und dies hat diese Menschen mit in den Tod gerissen. Selbst wenn Marcus in ein geregeltes Leben zurückkehren wollte – die Polizei verfolgt ihn. So bleibt ihm nur ein Leben im Dunkel. Bis einige Teenager auftauchen, einige schräge Dinge um ihn herum geschehen – und er Master Lin (Benedict Wong, «Doctor Strange») gegenübersteht.
Master Lin ist der Leiter einer sehr speziellen, elitären Privatschule. Sie gibt Menschen wie Marcus die Chance, ihre sehr speziellen Talente zu verfeinern, sie zu trainieren, sie zu erweitern. Es gibt dort draußen Menschen, die ohne Sinn und Verstand morden. Aber es gibt auch jene, die das Morden zur Kunst erklärt haben, die klar fokussiert ihrem Handwerk nachgehen. Menschen, die diese Gesellschaft maßgeblich prägen. Marcus hat durch seine Tat die Aufmerksamkeit der Academy geweckt. Dass er bislang der Polizei erfolgreich aus dem Weg gehen konnte, belegt, dass er kein dummer Brandstifter ist, sondern über Talente verfügt. Nur wenige Menschen bekommen die Chance, an der Academy aufgenommen zu werden. Alles, was Marcus tun muss: Die Hand ergreifen, die ihm ausgestreckt wird.
Die Außenseiter

Nun ist Master Lin natürlich Chinese – und das alles sieht auf den ersten Blick nach einem fürchterlichen Klischee aus. Der chinesische Meister, der Weisheit lebt. Die Japanerin, die mit dem Schwert kämpft. Selbst Maria, die ihr Gesicht unter der Maske der La Catrina versteckt, einer Figur, die symbolisch für den Tag der Toten in Mexiko (und darüber hinaus) geworden ist: Klischees.

Denn das ist der Punkt, der frühzeitig thematisiert wird: Das, was die Akademie behauptet zu sein – ist Unsinn. Marcus erkennt dies an einem seiner ersten Tage. Es wird von Werten gesprochen, ganz so, als würden an der Academy Shaolin-Mönche ausgebildet, die die Witwen uns Waisen dieser Welt beschützen sollen. Tatsächlich aber entstammen die Jugendlichen, die hier ausgebildet werden, Mafiafamilien, Drogenkartellen, der Yakuza, ja sogar die Kinder von Nazi-Banden finden hier ihren Platz. Jugendliche, die schon von Kindheit an darauf vorbereitet werden, wichtige Rollen in den Organisationen ihrer Eltern einzunehmen. Eltern, die mit Sicherheit die Welt nicht besser machen möchten. Vor allem –> wenn an der Academy alle Jugendlichen gleich sind, warum nennt man die Jugendlichen, die keiner kriminellen Dynastie entstammen – Ratten? Es ist nicht zufällig, dass Marcus ausgerechnet in den Außenseitern Freunde findet. All das, was die Akademie behauptet zu sein – ist im Grunde ein Trugbild. Oder besser gesagt: Eine Lüge.
«Deadly Class» bewegt sich geschickt in ganz verschiedenen Genres. Als Grundlage dienen typische High School-Serien- und Filme, die immer wieder von Cliquenbildung berichten und gerade in den 1980er Jahren einige Klassiker hervorgebracht haben, die immer wieder die Außenseiter in den Mittelpunkt des Interesses rückten. Daher ist es nur folgerichtig, die Serie auch in den 1980er Jahre spielen zu lassen – als eine direkte Hommage an diese Werke. Gleichzeitig ist da natürlich ein augenzwinkernder «Harry Potter»-Aspekt. Eine geheime Schule für Kinder mit besonderen Fähigkeiten – nur dass ihre speziellen Kräfte weniger magisch als mörderisch sind? Dann gibt es fast nebenher eine Serienkiller-Story, die mit den Hintergründen zum Brand in Marcus' Waisenhaus zusammenhängt, und wer es richtig schräg macht: Episode fünf, die von einer Fahrt nach Las Vegas berichtet, ist ein einziger «Fear And Loathing in Las Vegas»-Trip. Der Rahmen, der nun sämtliche Geschehnisse, Figuren, Geheimnisse miteinander in Verbindung setzt, ist schließlich der Tod eines Schülers. Er ist dazu geeignet, die Akademie zu zerreißen. Und Marcus ist an diesem Tod nicht ganz unschuldig. Allerdings ist er damit nicht alleine.
Mit Tempo

Im Grunde sind die zehn Episoden an maximal drei Abenden durch. Die geschliffenen Dialoge, die Action, die Irrungen und Wirrungen der Jugend, die Wendungen... Unterm Strich könnte «Deadly Class» perfekt sein, gäbe es da nicht den fetten Cliffhanger am Ende der ersten und leider auch letzten Staffel. Und nicht nur den: Ein zweiter Handlungsstrang, der sich um Master Lin dreht, bleibt vollkommen in der Luft hängen. Die Frage lautet nun: Kann man die Serie trotzdem schauen?
Die Antwort: Auf jeden Fall. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Netflix mag zwar nur die Lizenz der Serie erstanden haben, ihr (offensichtlich) großer Erfolg aber ist sicher auch dazu geeignet, in den Redaktionsetagen von Netflix einmal auszurechnen, was eine Fortsetzung wohl kosten würde. Netflix hat hier eine Serie mit dem Potenzial, ein echter Kult werden zu können, quasi aus der Ramschkiste zum Remmitendenpreis erhalten. Eine Fortsetzung nicht wenigstens anzudenken wäre pure Verschwendung.
Im Stream auf Netflix und auch auf Joyn+.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
23.12.2020 15:29 Uhr 1
23.12.2020 15:36 Uhr 2
Und außerdem habe ich sie geschaut bevor sie cool und Mainstream wurde: Im Frühjahr 2019 auf dem deutschen SYFY. Pay-TV ist halt immer noch das beste.
23.12.2020 17:50 Uhr 3
Und zur Serie, abgedreht, brutal und extremst unterhaltsam, einfach mal was anderes, als der typische 08/15 Kram. Sehr schade, dass es wahrscheinlich keine Fortsetzung gibt.