Die Kino-Kritiker

«The Prom»: Mit Glitzerjacken zum Abschlussball

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Ein Musical mit Top-Besetzung? Kann das denn etwas taugen? Wir haben den Netflix-Film gesehen.

Wenn man schon selber nicht mehr sing und tanzen darf und einem dabei das Lachen vergeht, dass soll uns zum zweiten Corona-Lockdown zumindest an der Glotze etwas in diese Richtung vorgemacht werden dürfen. Netflix präsentiert mit «The Prom» ein schrilles Musical, dass sich mit Filmklassikern von «Hairspray» bis «Footloose» messen will. Gute Laune um jeden Preis, mit Starbesetzung, bonbonbunten Kulissen und einem ernsthaften Thema im Hintergrund, um tüchtig Emotionen produzieren zu können.

Es geht um Homophobie und daraus folgernd um mehr Diversität in der Liebe und in der Gesellschaft, weil es das Leben noch bunter macht. An und für sich eine gute Botschaft, wirkt aber im Film nur wie ein weitere Showeffekt. Grundlage für «The Prom» (so bezeichnet man in den USA den Abschlussball für Highschool-Absolventen) ist das gleichnamige Broadway-Musical von Matthew Sklar und Chad Beguelin aus dem Jahre 2016. Als Regisseur holte man sich den TV-Regisseur Ryan Murphy, der schon mit «Glee» seine Vorliebe fürs Tanzen und Singen auslebte. Wenn man dann mit Meryl Streep («Die Verlegerin») und Nicole Kidman («Aquaman») auch noch zwei Topstars aus Hollywood kriegt, dürfte eigentlich nichts mehr schief gehen, oder?

Hilfe für eine lesbische Schülerin
Mit ihrem Musical „Eleanor“ über die einstige First Lady des 32. US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt wollen die beiden Broadway-Künstler Dee Dee Allen (Meryl Streep) und Barry Glickman (James Corden) wieder ganz nach oben kommen. Doch das Gegenteil passiert. Sie werden von der Kritik gnadenlos zerrissen, was zur sofortigen Absetzung von „Eleanor“ führt.

Jetzt können sie sich Dee Dee und Barry nur noch selbst bedauern, so wie es ihre Kollegen Angie Dickinson (Nicole Kidman) und Trent Oliver (Andrew Rannells) schon längst tun. Doch dann lesen sie auf Twitter von einer lesbischen Schülerin aus Indiana, die mit ihrer Freundin zum Abschlussball gehen wollte, woraufhin die ganze Veranstaltung vom Elternrat abgesagt wurde. Dieser Emma (Jo Ellen Pellman) muss geholfen werden, mit einer eigenen Prom, auf der alle kommen dürfen, egal ob sie homo- oder heterosexuell, schwarz oder weiß, jung oder alt sind.

Also nichts wie auf nach Indiana, und das könnte den vier abgehalterten Stars die ersehnte Publicity einbringen, wenn sie es richtig machen. Allerdings stellen sich vor Ort plötzlich weitere Probleme ein: Emmas Geliebte ist die Musterschülerin Alyssa (Ariana DeBose), die das aber lieber nicht publik machen will, und dann ist da noch der nette Schuldirektor Hawkins (Keegan-Michael Key), der ein Auge auf Dee Dee geworfen hat, sich dann aber wieder enttäuscht zurückzieht, weil er die ihm altersmäßige überlegende Sängerin für eine selbstsüchtige Zicke hält. Lässt sich da noch was retten?

Tränen und Kitsch
Na klar! Schließlich ist das Happyend vorprogrammiert, und die emotionalen Verwicklungen dienen ehrlich gesagt auch nur dafür, um der voraussehbaren Story zumindest etwas Gehalt zu geben, aber auch um Übergänge zu schaffen, um von einer Musicalnummer zur nächsten zu kommen. O ja, hier wird verhältnismäßig wirklich viel gesungen. Für jeden Schicksalsschlag mindestens ein Song, in dem die persönliche Gefühlslage der und des Betroffenen mit passenden Texten zum Ausdruck gebracht wird. Gewiss, Musicals funktionieren nun mal so, aber nicht jede Nummer gelingt. Entweder wird dabei zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt oder es artet in unermesslichem Kitsch aus. Einige sind aber wiederum recht gelungen, etwa wenn Meryl Streep im Büro des Rektors losträllert und glamouröse Gegenschnitte von ihr auf der Broadwaybühne erfolgen.



Was natürlich immer gut kommt, sind Massentanzszenen, in der die Anzahl der Tänzerinnen und Tänzer kontinuierlich ansteigen und alle synchron die gleichen Bewegungen ausführen. Das ernstere Thema um Diskriminierung und Ausgrenzung wird nebenbei immer wieder eingestreut. Denn im Grunde sind sich Protagonisten und Publikum sowieso von Anfang an einig, wo die Reise hingehen soll. Da müssen alle andersdenkende und vor allem homophob veranlagte Leute nur noch überzeugt werden. Das wirkt meist ziemlich banal, sogar fehlgriffig, wenn immer noch eine Schaufel mit Zuckerguss rüber gekippt wird. Am Schluss folgen Reue, Tränen, Umarmungen. Weihnachten ist gerettet.

Fazit: In «The Prom» wird mächtig an allen Ecken und Ende mächtig auf den Putz gehauen. Meryl Streep darf sich dabei so richtig aufspielen, Nicole Kidman hingegen kriegt kaum etwas zu tun. Ein Musical wie eine kreischende Party, die einen leicht verblöden lässt.

«The Prom» kann bei Netflix angeschaut werden.

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