Gerade einmal sechs Jahre ist es her, als die Truppe bestehend aus Jeremy Clarkson, Richard Hammond, und James May während ihres letzten Specials, noch unter dem «Top Gear»-Banner, schlagartig Argentinien verlassen mussten, weil Clarkson mit seinem provokativen Nummernschild "H982 FKL" auf den verlorengegangen Krieg um die Falkland-Inseln zwischen Argentinien und Großbritannien im Jahr 1982 hinwies. Ein wütender, gewaltbereiter Mob, der die Autos von Crew und Moderatoren mit Steinen bewarf, formierte sich, woraufhin man den Dreh abbrach. Unvergessen soll auch das US Special aus dem Jahr 2007 bleiben, als sich die drei vor Überqueren der Staatsgrenze ins erzkonservative Alabama provokative Slogans auf die Autos malten, bestehend aus mehreren homosexuellen Anspielungen auf Hammonds, „Country and Western is Rubbish" auf Clarksons und "Hillary for President", "NASCAR sucks" sowie "I'm bi" auf Mays. Auch hier nahm die Tour bereits an der ersten Tankstelle nach überqueren der Staatsgrenze von Alabama ein jähes Ende als ein wütender, ebenfalls äußerst gewaltbereiter Mob von Hinterwäldler-Amerikanern auf die Schnelle zusammengetrommelt wurde, der das Trio zügig mit einigen nicht gerade freundlichen Anfeindungen und Steinwürfen wieder aus Alabama vertrieb.
Bei «The Grand Tour» musste der Zuschauer bisher auf solche Zwischenfälle verzichten und das aus gutem Grund. Amazon, als international operierender Juggernaut, scheint nicht auf schlechte Presse und Schlagzeilen, in denen ein ganzes Land verärgert wird, erpicht zu sein. Während zumindest Clarkson sich in vergangenen «The Grand Tour» Folgen noch hier und da ein paar provokative Sprüche gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen von Ländern die gerade besucht wurden nicht verkneifen konnte und die Drei auch vor Lachern auf Kosten von Frauen oder Homosexuellen nicht gerade zurückschreckten, ist davon im neuesten Special nichts mehr zu sehen. Ob es von vorneherein einen Maulkorb gab oder schlicht alles, was auf irgendjemand verletzend oder provozierend wirken könnte nachträglich aus der Folge gestrichen wurde, sei einmal dahingestellt. Fest steht lediglich, dass der böse britische Humor, der vor nichts Halt machte, mit dem neuesten Special aus dem Repertoire gestrichen wurde und dem Zuschauer eine Folge präsentiert wurde, mit der Intention so wenig wie irgend möglich anzuecken. Die einheimische Bevölkerung Madagaskars wird genauso in Ruhe gelassen, wie jegliche Minderheiten auf Kosten derer in der Vergangenheit gerne mal Witze gemacht wurden. Um es kurz zu machen, The Grand Tour ist politisch korrekt geworden.
Was bleibt ist der altbekannte Klamauk dreier zum Teil in die Jahre gekommener britischer Herren, die vor malerischer Landschaft auf „Schatzsuche“ gehen und mit äußerst unpassenden Autos über die Inseln Madagaskars brettern. Natürlich macht es immer noch eine Menge Spaß etwa einen mittlerweile 57 Jahre alten James May mit offenem Verdeck durch unausgebaute, vom Regen drucktränkte „Straßen“ fahren zu sehen, während sich die anderen Beiden über seine Autowahl lustig machen. Madagaskar bietet zudem mit all seiner Schönheit bestehend aus glasklarem Meer und unendlich langen Sandstränden mit Palmen im Hintergrund das richtige Ambiente für alle vom Jahr 2020 gebeutelten Zuschauer, um etwas in Fernweh zu schwelgen.
Die Ermüdungserscheinungen, die The Grand Tour schon seit längerem plagen und die wohl auch für das Einstellen des Studioformats verantwortlich waren, werden mit dem neuesten Special allerdings deutlich wie nie. Das hohe Budget, mit dem das Produktionsteam häufig nichts Sinnvolles anzustellen weiß, ist zum Großteil genauso wenig förderlich für das Format wie der offensichtliche Maulkorb, der dem Trio mit dem neuesten Special auferlegt wurde. Die Madagaskar Folge bietet zwar immer noch kurzweilige, zufriedenstellende Unterhaltung für alteingesessene «The Grand Tour» bzw. «Top Gear» Fans, wird aber im Vergleich zu früheren Specials niemandem mehr für längere Zeit in Erinnerung bleiben.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel