Hierzulande fällt es den meisten gewiss schwer, sie bei ihrem Vornamen zu rufen. Saoirse kommt aus dem Gälischen und heißt übersetzt Freiheit - richtig ausgesprochen wird daraus ‚Sörscha’. Die 26-Jährige Schauspielerin nimmt es aber nicht übel, wenn man sie falsch anspricht. Denn trotz ihres ungewöhnlichen Vornamens hat es Saoirse Ronan im Filmbusiness weit gebracht. Schon mit ihrer ersten großen Rolle in «Abbitte» konnte die damals 13-Jährige überzeugen und bekam prompt ihre erste Oscar-Nominierung. Danach folgten so unterschiedliche Filme wie «In meinem Himmel», «Wo ist Hanna?» und «Seelen». Aber erst in den letzten Jahren konnte sie in «Lady Bird» und «Little Women» willensstarke junge Frauen spielen, die vielen Teenagern eine Identitätsfläche bietet. Eine ihrer ungewöhnlichsten Rollen spielte die in New York City geborene Irin allerdings als «Maria Stuart, Königin von Schottland» (u.a. bei Amazon Prime, Sky, iTunes und Google Play zum Streamen).
In Ihrem jüngsten Film erleben wir Sie in königlichen Gewändern. Mal ehrlich, geht damit nicht ein Mädchentraum in Erfüllung?
Ja, irgendwie träumt doch jedes Mädchen davon, eines Tages Prinzessin zu sein (lacht). Komischerweise habe ich mit dem Beginn meiner Schauspielkarriere aber nie den Wunsch verspürt, mir müsste doch mal eine Rolle als Prinzessin angeboten werden. Nun ist es doch passiert (lacht), wenn auch nicht als Prinzessin, sondern als Königin, und ich muss sagen, ich hab’s genossen, diese wunderschönen Kleider tragen zu dürfen.
Wie erklären Sie sich die Faszination für das royale Treiben in Film und Fernsehen?
Die Menschen interessieren sich dafür, weil es ihre Phantasie anregt. Selbst auf die heutige Monarchie trifft das zu. Wir wissen, dass sie von realen Menschen erschaffen wurde, aber es steckt eine Idee von einer idealeren Welt dahinter. So präsentiert sich die Monarchie zumindest, etwa wenn eine königliche Hochzeit in die ganze Welt live übertragen wird. Das ist Eskapismus für den Normalbürger, der davon endlos fasziniert ist.
Maria Stuart ist auch noch heute eine der berühmtesten Monarchinnen der Welt. Fanden Sie das eher bedrückend oder beeindruckend?
Das Projekt kam zustande, weil ich die beiden Produzenten Tim Bevan und Eric Fellner von Working Title Films schon so lange kenne. Seit meinem zwölften Lebensjahr, um genau zu sein. Da war ich noch sehr jung und noch heute klingt mir in den Ohren, wie mir sogar ziemlich oft ältere Schauspielerinnen prophezeiten, dass Frauenrollen mit zunehmendem Alter immer uninteressanter werden. Als ich 18 wurde, schien sich das irgendwie zu bewahrheiten. Denn abgesehen von «Grand Budapest Hotel» vermisste ich Rollenangebote, die etwas mehr Biss haben. «Maria Stuart, Königin von Schottland» war das für mich wie ein Sechser im Lotto.
Warum?
Weil ich es schon als etwas Besonderes empfinde, den Auf- und Abstieg einer solchen berühmten Königin nachspielen zu dürfen. Auf der Leinwand wird quasi ihr ganzes Leben ausgebreitet. Eine Herausforderung, der ich mich aber gern stellen wollte.
Wie sah diese Herausforderung aus?
Sie erforderte eine intensive Vorbereitungszeit. Ich lernte reiten, verbesserte mein Französisch und trainierte mir einen schottischen Akzent an. Ich wollte alles über Maria Stuart und die Zeit, in der sie lebte, wissen. Dabei orientierte ich mich vor allem an dem Buch „Queen of Scots: The True Life of Mary Stuart“ von John Guy, auf dem auch unser Film basiert. Maria Stuart muss eine beeindruckende Herrscherin gewesen sein. Sie war wohl äußerst charmant, verfügte über eine schnelle Auffassungsgabe und behandelte ihre Mitmenschen loyal und nie nachtragend.
Sind das Eigenschaften, die Sie bewundern?
Was ich an ihr am meisten bewundere, war ihr Geschick in Staatssachen. Davon hat sie mehr verstanden als ihr die Geschichtsbücher gemeinhin zugestehen wollen. Sie war nicht nur die Femme Fatale, die uns in den Kopf gesetzt wurde. Sie entstammt einer langen Linie von Herrschern. Schottland wurde über mehrere Jahrhunderte vom Stuart-Clan regiert. Sie konnte kein Dummchen sein. Im Gegenteil. Sie wusste genau, was sie tat und wie sie andere für sich einnehmen konnte. Sie durchschaute die Menschen und nicht selten spielte sie auch mit ihnen. Das zu spielen, hat mir besonders viel Spaß gemacht.
Sehen Sie sich selbst als Idealbesetzung für Maria Stuart?
Das kann ich nicht beurteilen, aber eine Sache finde ich doch sehr spannend, nämlich die Tatsache, dass Maria Stuart eine keltische Königin war. Nun bin ich zwar keine Schottin, aber eine Irin mit ähnlicher Herkunft und Historie, insbesondere was das komplizierte Verhältnis zu England betrifft. Für mich alles sehr nachvollziehbar, weshalb ich mich sehr wohl in der Rolle wiederfinden konnte.
«Maria Stuart, Königin von Schottland» ist ein äußerst feministischer Film geworden, der die beiden rivalisierenden Königinnen als Opfer einer männerdominierten Welt zeigt. Inwieweit konnten Sie sich damit identifizieren?
Wahrscheinlich schon, obwohl ich mich dem Stoff in keiner Weise so genähert habe. Es war also gar nicht unsere Absicht, einen feministischen Film zu drehen. Das ist einfach so passiert, vielleicht auch, weil ich ein Mensch mit Selbstachtung bin und ich annehme, dass auch auf meine Figuren, die ich spiele, zu übertragen. Selbst wenn der Figur im Drehbuch diese Selbstachtung nicht unbedingt mitgegeben wurde, habe ich den Anspruch, ihr eine gewisse feminine Integrität zu geben.
Wie war die Zusammenarbeit mit Margot Robbie, die im Film Ihre Kontrahentin Königin Elisabeth I spielt?
Wir haben uns am Set nicht oft gesehen und haben im Film auch nur eine gemeinsame Szene. Ein Drehtag war dafür veranschlagt und wir übten unsere Rollen kurz zuvor für zwei Stunden. Dennoch wusste ich nicht, wie sie ihren Part spielen würde, ich wusste noch nicht mal, wie sie in der Szene aussehen würde. Es war also eine totale Überraschung für uns beide, als wir uns vor der Kamera endlich in unseren Kostümen getroffen haben.
Es ist jedoch umstritten, ob sich die beiden Königinnen jemals begegnet sind. Warum ist diese Szene dennoch so wichtig für den Film?
Man kann in dieser Szene zwei Frauen beobachten, die mit Macht ausgestattet waren und in zwei gegensätzliche Lager gedrückt wurden. Elisabeth entschied sich, ihre Macht nicht aufgeben zu wollen und so lange Herrscherin zu bleiben wie es ihr möglich war. Maria hingegen erwartete mehr. Sie sehnte sich nach Liebe, nach einem Kind, ohne ihren Thron dafür aufgeben zu wollen. Ich finde, das spürt man in dieser Szene. Die eine muss sich eine Fassade zulegen, um zu überleben, die andere geht in den Kampf, um zu überleben. Das mit der notwendigen Körperlichkeit zu spielen, war wirklich spannend für mich.
Dieser politische Aspekt des Films lag Ihnen also sehr am Herzen...
Ja, denn Intrigen und Verschwörungen beherrschten die Politik von damals. Obwohl ich nicht glaube, dass sich der Mensch von heute großartig verändert hat. Klar, gewisse Gesetze sind entschärft worden. Man kann sich heute also mehr erlauben ohne gleich vor Gericht zum Kerker verurteilt zu werden. Ansonsten werden wir aber von den gleichen Dingen getrieben wie früher. Egal ob Frau oder Mann - es geht immer um Macht und wer wie damit umgeht. Gerät sie in falsche Hände, kann das verheerende Folgen haben. Daran wird sich wahrscheinlich auch nie etwas ändern.
Der Konflikt zwischen Elisabeth I. und Maria Stuart bestand vordergründig, weil beide verschiedenen Religionen angehörten. Wie wichtig ist dieses Thema für Sie?
Wie Maria Stuart bin auch ich Katholikin, aber ich würde mich nicht als besonders religiös bezeichnen. Egal, ob Protestantismus oder Katholizismus, ich sehe Religion eher als etwas Kulturelles, dass die Menschen mehr als alles andere beeinflusst hat. In Irland gibt es viele religiöse Menschen, ich stand aber nie unter diesem Einfluss.
Sie waren bereits viermal für den Oscar nominiert, zuletzt 2020 für «Little Women». Wie hat sich das auf Sie ausgewirkt?
Professionell gesehen, hat das viel in meiner Karriere bewirkt. Besonders «Lady Bird», der in die Kinos kam, als ich bereits mitten in den Dreharbeiten zu «Marie Stuart» war. Ich bekam ständig Anrufe aus Amerika, wie toll doch «Lady Bird» sei. Das freute mich sehr, weil «Lady Bird» eher ein kleiner Film ist, der auf einmal so viel Aufmerksamkeit bekam. Der Erfolg des Films hat meiner Karriere sicherlich einen weiteren Schubs gegeben.
Waren Sie enttäuscht, dass Sie bisher immer leer ausgegangen sind?
Ach, ich bin nicht enttäuscht. Als der Oscar 2018 an Frances McDormand für «Three Billboards» ging, war ich sogar froh. Für mich ist Frances eine Legende und mit ihrer Dankesrede feierte sie die vier anderen nominierten Schauspielerinnen gleich mit. Ob ich irgendwann nochmals die Chance bekomme, wieder für den Oscar nominiert zu werden? Keine Ahnung! Ich habe es nicht eilig, ich bin ja noch jung.
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